„Möge der Swing weiterklingen“

Kurt Adolf Müller ist im Alter von 91 Jahren verstorben

V.l.n.r. Marco Casanova, Rita Müller, Prof. Dr. Hervey Ouy, Kurt Adolf Müller und Peter Fässler.
V.l.n.r. Marco Casanova, Rita Müller, Prof. Dr. Hervey Ouy, Kurt Adolf Müller und Peter Fässler.

Mit großem Bedauern teile ich Ihnen leider das Ableben meines Freundes Kurt Müller nach sehr kurzer Krankheit Anfang Februar mit. Kurt Müller wurde 1922 in St. Gallen geboren, wo er seine Jugend- & Studienjahre verbrachte. Ende der 30er entdeckte er seine Liebe für den „Swinging Jazz“. 1939 gründete er (seinem Pfadfindernamen „Puli“ folgend) die „Swing Pulis“; Mitstudent und spätere Musikgröße Hans Moeckel brachte die Band schnell auf ein Big-Band-Niveau, bis dann 1944 die Musiker ihre eigenen Wege gingen.

Während dieser Zeit lernte er auch den Enkel des Thai-Monarchen Chulalongkorn, Prinz Sanidh Rangsit, kennen. Letzterer überzeugte ihn, nach den Kriegswirren nach Fernost zu reisen, und so kamen die zwei 1946 per Schiff in Bangkok an. 1953 kaufte er ein Stück Land im heutigen Naklua. Legendär seine Vorliebe für alte Thai-Teakhäuser und den Umzug antiker Ayuthya-Häuser, welche eine Oase schafften, wo Hoheiten, Diplomaten, Würdenträger und Freunde verwöhnt wurden.

Goodman’s Einfluss und musikalisches Erbe

1956 folgte Swingkönig Benny Goodman einer Einladung S.M. König Bhumibols, um eine Serie von Konzerten im Lumpini zu geben. Diese Konzerte wurden allesamt von Kurt aufgezeichnet, weil er damals die beste technische Ausrüstung für ein solches Vorhaben besaß. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft zwischen Benny Goodman und Kurt Müller. Kurt’s Sammlung von erstgepressten Originalschallplatten gilt heute als die größte der Welt. Benny Goodmans Tod 1986 machte Kurt einen Strich durch die Rechnung, da die Katalogisierung Benny Goodmans Lebenswerk noch nicht abgeschlossen war (dies aber 1991 dann erreichte).

1996 feierte der Thai-König sein 50stes Thronjubiläum. Die Schweizer planten u.a. den Besuch des westschweizer Radioorchesters „Big Band de Lausanne”. Ich kontaktierte Kurt, weil es Besseres gibt; er versprach mir (untertreibend wie immer) „etwas zusammenzustellen“. Neun Monate später brachte Swissair eine 24-köpfige Jazzband der schweizbesten Jazz-Musiker, wie Pepe Lienhard, Hazy Osterwald, Isla Eckinger, Billy von Arx, Georg Lachat u.v.a. Total ausverkaufte drei Konzerte (inkl. Hofvorstellung/Royal Command Performance) fanden statt, und diejenigen unter Ihnen, welche im September 1996 dabei waren, werden sich an „Stomping at the Watergate“ erinnern. Möglicherweise Kurts jazztechnische Abschlussleistung in Bangkok im Zenit des auslaufenden 20sten Jahrhunderts; ohne ihn hätte diese musikalische Höchstleistung sicherlich nicht stattgefunden.

Die Einladung zu seinem 80sten Geburtstag in der Schweiz verwies auf „Bunten Abend mit Musik“. Einige von uns sind extra für diesen Anlass ins schweizerische Bad Horn gereist; zum Anlass auch angereist waren Pepe Lienhards Big Band, Hazy Osterwald, Pino Gasparini, Bonney Tyler und alle anderen Jazzgrößen, um mit ihm bis in die frühen Morgenstunden Geburtstag zu feiern. Für mich der mit Abstand beste Jazzabend aller Zeiten.

Seine Meisterleistungen und die weltweit einzigartige Sammlung sicherte er für die Nachwelt mit der Stiftung „Kurt Müller’s Stiftung für Benny Goodman und Jazz“, unter der kuratorischen Direktion unseres gemeinsamen Freundes Pepe Lienhard, womit sein Lebenswerk komplett und für kommende Generationen verfügbar und zugängig bleibt.

Selbstkritischer Humor

In späteren Jahren war er immer wieder für eine Anekdote gut. Ende der 40er Jahre wohnte er an der Sukhumvit Soi 4, am damaligen Stadtrand von Bangkok. Auch bei ihm wohnte Tembo, ein ihm geschenkter, freundlicher Babyelefant. Dem Dickhäuterchen wurde es bald zu eng, womit Kurt seinen Elefanten dem Bangkoker Zoo weiterschenkte. Dies wiederum wurde sehr von seinem Nachbar, Freund und späteren Bürgermeister Dr. Kritsada geschätzt, welcher nicht mehr zu jeder Tages- und Nachtzeit trompetend an den Dickhäuter des Nachbarn erinnert wurde. Basierend auf dieser Erfahrung lehnte er ein späteres Geschenk aus Chiang Mai in Form eines Ameisenbären dankend ab.

Weniger bekannt ist seine humorvolle Art, mit den Unzulänglichkeiten des Geschäftslebens umzugehen. So exportierte er anfänglich getrocknete Früchte nach Europa in weißen Folienverpackungen, welche seine Kunden in Europa ablehnten, weil Ameisen alles weggefressen hatten. Scheinbar mögen Ameisen (thailändische, mit einem Zwinkern in den Augen) kein Gelb, was heute noch die gelben Plastikverpackungen von z.B. Datteln erklärt.

Beim Import versuchte er es mit Gaze-Produkten für medizinische Zwecke. Zwei Wochen nach deren Ankunft, bei einer Wareninspektion, stellte er fest, dass die 500 Kisten komplett leer waren bis auf ein Häufchen Staub, welches von den Termiten verdankenderweise übriggelassen worden war.

Ob ich gut tauche, wollte er wissen, denn es schwimme immer noch ein brandneuer VW-Käfer im Mekong, welcher 1952 auf dem Weg nach Laos „ab der Fähre gefallen sei“. Natürlich unversichert, womit man ins Versicherungsgeschäft stieg.

Seine Geschichten waren endlos, sein Leben leider nicht.

Schweren Herzens spreche ich seiner Witwe Rita wie auch seinen zwei Kindern Jacqueline und Kurt Sanidh mein herzliches Beileid aus. Die Beisetzung fand im allerengsten Familienkreis statt.

Bei Kurt bedanke ich mich für seine 30-jährige enge Freundschaft und lustige Stunden, welche wir teilten - sein Leben lebt im Swinging Jazz hoffentlich ewig weiter.

Peter Fässler

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