Mitarbeiter stimmen gegen erste US-Gewerkschaft bei Amazon

Foto: epa/Friedemann Vogel
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BESSEMER: Der Online-Gigant Amazon ist der zweitgrößte Arbeitgeber in Amerika. Doch US-Gewerkschaften haben bei dem Konzern des reichsten Menschen der Welt, Jeff Bezos, nichts zu melden. Das hätte sich nun ändern können, doch die Initiative im Bundesstaat Alabama scheiterte.

Der weltgrößte Onlinehändler Amazon hat die mit Spannung verfolgte Abstimmung über die erste Gewerkschaft an einem US-Standort gewonnen. Auch wenn die Auszählung noch andauerte, war am Freitag bereits klar, dass die Mehrheit der Beschäftigten in Bessemer im Bundesstaat Alabama sich gegen die Arbeitnehmervertretung entschieden hat. Mindestens 1608 von insgesamt 3215 abgegebenen Stimmen waren gegen den Anschluss an die Handelsgewerkschaft RWDSU.

Sollte das Resultat nicht gekippt werden, so hätte der Konzern von Multimilliardär Jeff Bezos die historische Wahl für sich entschieden und den ersten Durchbruch einer US-Arbeitnehmervertretung in seiner rund 27-jährigen Geschichte verhindert. Die RWDSU kündigte jedoch an, dass Ergebnis anzufechten und warf Amazon vor, ein «kaputtes Wahlsystem» ausgenutzt zu haben. Die Gewerkschaft hatte damit geworben, sicherere Arbeitsbedingungen und faire Löhne zu erstreiten.

Fast zwei Monate hatten die knapp 6000 Beschäftigten des Logistiklagers in Bessemer Zeit gehabt, per - pandemiebedingter - Briefwahl über die Arbeitnehmervertretung abzustimmen. Das Votum zog landesweit großes Interesse auf sich, beim Wahlkampf erhielt die Gewerkschaft Unterstützung von Spitzenpolitikern bis hin zu Präsident Joe Biden und etlichen anderen Prominenten. Genutzt hat es wenig.

Eine Niederlage dürfte die RWDSU aber nicht ohne Weiteres akzeptieren. Die Gewerkschaft beschuldigte Amazon bereits, «illegal» Einfluss auf die Abstimmung genommen zu haben und kündigte energischen Widerstand an. Beobachter halten ein langwieriges rechtliches Nachspiel für möglich. Amazon hatte schon vor der Wahl mit aller Kraft versucht, das Votum zu verzögern, war jedoch mit einem Einspruch bei der Arbeitnehmerschutzbehörde NLRB gescheitert.

Der Bezos-Konzern war von Anfang an der Ansicht, dass keine Gewerkschaft nötig sei, da die Mitarbeiter ohnehin schon alles bekämen, wofür diese sich einsetzen könnte. Amazon brüstet sich mit einem der im Branchenschnitt höchsten Löhne, umfassenden Nebenleistungen ab dem ersten Tag im Job sowie Karrieremöglichkeiten und einem sicheren und modernen Arbeitsumfeld. Doch gerade in den Logistikzentren klagen Beschäftigte immer wieder über das hohe und strapaziöse Arbeitspensum sowie über angebliche Überwachung.

Auch in Deutschland sind die Arbeitsbedingungen bei Amazon ein Streitthema. Seit 2013 wird immer wieder gestreikt - ohne dass es in dem festgefahrenen Konflikt zu greifbaren Ergebnissen gekommen wäre. Zuletzt hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Beschäftigten an sechs Standorten zu einem viertägigen Ausstand vor Ostern aufgerufen. Amazon hat also nicht nur in den USA Ärger, wo das Unternehmen der zweitgrößte private Arbeitgeber nach Walmart ist.

Auch wenn Amazon sich gegen die RWDSU zunächst durchsetzen konnte, verlief der Wahlkampf in vielerlei Hinsicht peinlich für den Konzern. So musste Amazon nach einer hitzigen Twitter-Auseinandersetzung mit einem US-Abgeordneten zugeben, dass Lieferfahrer mitunter keine Toiletten fänden und somit erstmals Berichte bestätigen, wonach Mitarbeiter unter hohem Zeitdruck und Arbeitsstress in Flaschen urinieren. Dass dies zunächst über einen offiziellen Twitter-Account abgestritten wurde, sei ein «Eigentor» gewesen, räumte Amazon ein.

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