Mit Panda-Diplomatie

Putin und Xi feiern Freundschaft gegen USA

Foto: epa/Alexander Vilf / SPUTNIK / KREML
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MOSKAU/ST. PETERSBURG/PEKING (dpa) - Kein Land besucht Chinas Staatschef Xi Jinping so oft wie Russland. Er und Kremlchef Putin sprechen von einer einzigartigen Freundschaft - und Einigkeit im Widerstand gegen die USA. Aber wie eng sind der chinesische Drache und der russische Bär wirklich?

Mit seinem Freund Xi Jinping ist Wladimir Putin in diesen Tagen in seinem Element: Die beiden besuchen die gerade im Moskauer Zoo untergebrachten Pandas, sie fahren mit Russlands neu entwickelter Luxuskarosse Aurus. Auf Chinas Staats- und Parteichef kann sich Russlands Präsident verlassen, seit ihn der Westen vor fünf Jahren wegen der Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim wie einen ungezogenen Schuljungen in die Ecke stellte. Von einer «beispiellosen Freundschaft» sprechen beide.

Mit dem Besuch der chinesischen Delegation mit 1.000 Teilnehmern kann der Kremlchef auch überspielen, dass er diesmal nicht zum Weltkriegsgedenken am 75. Jahrestag der Truppenlandung in der Normandie eingeladen ist. Als Affront sieht das Russland trotzdem. Moskaus Außenministerium mahnt, der Beitrag der anderen Alliierten möge nicht überbewertet werden. Ohne die «titanische Stärke» der Sowjetunion sei der Sieg über Hitler damals nicht möglich gewesen. Putin wollte zur Zeit der Feiern in Frankreich in St. Petersburg Staatsgäste des Internationalen Wirtschaftsforums empfangen.

Putin und Xi feiern bei dem Staatsbesuch auch das 70-jährige Bestehen der diplomatischen Beziehungen ihrer Länder. Aus chinesischer Sicht ist das Verhältnis zwischen Peking und Moskau «nie besser gewesen», wie der Russland-Forscher Jiang Yi sagt. Auch im Handelskrieg mit den USA steht Russland klar an der Seite Chinas. Unverblümt und ohne diplomatische Rücksicht gegenüber den USA macht Chinas Vizeaußenminister Zhang Hanhui deutlich, dass dies besondere Zeiten seien und beide Länder Seite an Seite gegenüber «den Herausforderungen von außen» stehen.

«Wir lehnen entschieden den willkürlichen Einsatz von Zollkeulen oder Protektionismus ab», sagte Zhang Hanhui. «Absichtlich Handelsstreitigkeiten zu provozieren, ist wirtschaftlicher Terrorismus und wirtschaftliche Vormachtpolitik.» Ähnlich äußerten sich Putin und Xi bei ihrem Treffen.

Es ist eine geopolitische Männerfreundschaft, die beide verbindet. Sie haben sich seit 2013 schon 28 Mal getroffen - zuletzt vor sechs Wochen in Peking, als nächstes in drei Wochen beim Gipfel der großen Wirtschaftsmächte (G20) im japanischen Osaka. Die Gemeinsamkeiten überwiegen: Beide sehen in den USA ihren Hauptgegner, wollen ihren globalen Einfluss ausweiten, teilen einen scheinbar unersättlichen Machthunger und pflegen ähnliche autokratische Systeme daheim.

«China und Russland sind mehr auf einer Linie als zu irgendeinem Zeitpunkt seit Mitte der 50er Jahre», warnte der amerikanische Geheimdienstkoordinator Dan Coats in seinem Jahresbericht zu den Gefahren in der Welt. Das Verhältnis dürfte noch stärker werden, während sich ihre Interessen und empfundenen Bedrohungen überlappten - besonders gegenüber den USA und ihrem Unilateralismus oder westlichen Werten wie Demokratie und Menschenrechte. «Indem China und Russland ihren Einfluss in der Welt ausdehnen, untergraben sie etablierte Sicherheitsnormen und erhöhen das Risiko regionaler Konflikte, insbesondere im Nahen Osten und Ostasien.»

Es wird schon viel über eine «strategische Allianz» oder eine «Peking-Moskau-Achse» spekuliert. Eine solche Koalition könnte eine große Herausforderung wie einst der sowjetisch-chinesische Block darstellen - diesmal nur unter chinesischer Führung. Aber nicht immer ziehen beide Länder an einem Strang, was sie nur nicht offen austragen. So hat China die russische Annexion der Krim nicht anerkannt. Und Russland unterstützt auch die Territorialansprüche Chinas im Südchinesischen Meer nicht. Zudem liefert Russland weiter Waffen an Chinas Rivalen Indien und Vietnam.

«Historisch gibt es Interessenkonflikte und Misstrauen zwischen beiden Ländern», räumt Russland-Forscher Jiang Yi ein. Beide wollten auch kein förmliches Bündnis, sondern eher die wirtschaftliche Kooperation und gemeinsame Projekte voranbringen. Bei dem Besuch von Xi Jinping werden zwei gemeinsame Erklärungen über die bilateralen Beziehungen und globale strategische Stabilität unterzeichnet - außerdem rund 30 Kooperationsvereinbarungen in Handel, Investment und Energie. Ende des Jahres soll das erste Gas durch die Pipeline Sila Sibiriens, die Kraft Sibiriens, nach China strömen, wie das russische Staatsfernsehen anlässlich des Besuchs berichtet.

Dennoch sei abseits der symbolträchtigen Auftritte von Xi und Putin vieles nur Wunschdenken auf Papier, meint Iwan Sujenko vom Moskauer Zentrum des US-Denkfabrik Carnegie. Viele Infrastrukturprojekte - wie Brücken etwa in der Armur-Region an der Grenze zwischen China und Russland - ließen seit Jahren auf sich warten. Heute spreche jeder lieber über Chinas Seidenstraßen-Projekt. «Das aktuelle Niveau der Zusammenarbeit der beiden Länder entspricht überhaupt nicht den hohen Erwartungen, die die Freundschaft der beiden Anführer verheißt.»

Gleichwohl hat der Handel 2018 um 24 Prozent auf nunmehr 108 Milliarden US-Dollar zugelegt. Dabei ist Russland eindeutig der «Juniorpartner», da Chinas Wirtschaft achtmal größer ist. Während Russland vor allem Rohstoffe wie Energie oder Holz oder auch Rüstungsgüter liefert, verkauft China Maschinen, Autos, Elektrogeräte oder andere Verbraucherprodukte. Nur 1,9 Prozent der Exporte Chinas gehen nach Russland, umgekehrt sind es 15 Prozent. Seit 2010 ist China nicht nur größter Handelspartner für Russland. Ablesen lässt sich der Zustand des Verhältnisses auch an den Tourismuszahlen. Rund 1,7 Millionen chinesische Touristen besuchten im vergangenen Jahr Russland - aus keinem anderen Land gab es mehr Besucher.

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