Mit Lederbeutel zum Bachmann-Preis

Jungtalent vor großer Aufgabe

Daniel Heitzler steht an einem Baum in seiner Wahlheimat Berlin-Neukölln. Der 22jährige Student ist für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert. Foto: epa/
Daniel Heitzler steht an einem Baum in seiner Wahlheimat Berlin-Neukölln. Der 22jährige Student ist für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert. Foto: epa/

BERLIN (dpa) - Der Berliner Daniel Heitzler schreibt leidenschaftlich gern. Bisher ist aber nicht eine Zeile von dem ehemaligen Barkeeper erschienen. Und nun hat er einen der härtesten Literaturwettbewerbe vor sich.

Von Daniel Heitzler sind keine Texte zu finden. Nichts in einer Buchhandlung, kein Essay in irgendeiner Zeitschrift. Nicht mal dem übervollen Internet sind Zeilen des jungen Berliners zu entlocken. Dennoch wird der 22-Jährige vom kommenden Mittwoch an beim renommierten Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt gegen 13 Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus dem deutschsprachigen Raum antreten. Literatur steht dann fünf Tage lang im Mittelpunkt. Heitzler hat bis heute nicht einen einzigen Satz veröffentlicht.

Lackierte Fingernägel, traumschöne dunkle Haare bis weit über die Schultern, an diesem heißen Tag ein ziemlich weit geöffnetes Hemd - auch im Berliner Szenekiez Kreuzkölln ist Heitzler ein echter Hingucker. Gleichzeitig erweckt er im Gespräch nicht eine Sekunde den Eindruck, solchen Äußerlichkeiten irgendwie besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Er lebt erst seit einem halben Jahr in Berlin. Geboren im pfälzischen Germersheim, aufgewachsen in einem «Dörfchen bei Karlsruhe», drei Jahre lang Versuche, in Magdeburg Journalismus zu studieren. «Ich dachte, das wäre ein guter Einstieg, etwas Handwerkliches zu lernen. Weil ich aber ein großer Schwänzer war, was die Vorlesungen angeht, hab ich doch die eigene Faust vorgezogen.» Heitzler will schreiben.

Das Interesse an Literatur ist seit der Kindheit da, beeinflusst auch vom Onkel in Mexiko, mit dem sich der Neffe in Deutschland viel austauscht. «Der Wunsch zu schreiben kam Hand in Hand mit der Lust am Lesen», erinnert sich Heitzler. Er habe sich früh mit Figuren aus Romanen identifiziert. «Ich war nicht nur von den Helden selbst angetan, sondern auch von den Autoren.»

Der junge Heitzler ist fasziniert «von der Art und Weise, wie diese Menschen ihr Leben geführt, wie sie gewirkt haben». Im Rückblick seien solche Bilder auch naiv bis überromantisiert. «Natürlich muss das unglaublich spannend sein, mit einem kleinen Lederbeutel auf den Zug aufzuspringen, sich die Welt anzugucken und dann in drei Wochen mal eben einen Roman runterzuschreiben.» Heitzler hat einen Lederbeutel.

In der realen Welt schreibt er in langen Nächten zunächst Kurzgeschichten, die alle «in der Schublade meines Rechners» landen. Lesen darf das niemand, nur dem Onkel schickt er manchmal etwas. Vorbilder, Einflüsse? Jack Kerouac «und die ganzen Beatniks», die Satzkonstruktionen von David Foster Wallace, das sehr tiefe Bohren von Dostojewski. Oder Hermann Hesse. Octavio Paz legt ihm der Onkel früh ans Herz. Gabriel García Márquez, Néstor Sánchez. Entsprechend beschreibt Heitzler auch seinen eigenen Stil als komplex.

Die Entdeckung des unbekannten Autors geht um drei Ecken. Es beginnt mit einem Barbesuch. Ein Berliner Verleger war auf der Suche nach seinem Praktikanten, einem Bekannten von Heitzler. Beide arbeiteten damals in der Kreuzberger Kneipe. «Ich wusste, dass er Verleger ist, hab ihn angesprochen, und er hat sich gleich am nächsten Tag gemeldet. Das hat mich dann sehr überrascht», erzählt der Ex-Barmann. Es habe ihn auch Überwindung gekostet, «den Text überhaupt jemandem zu schicken».

Der Verleger ist so angetan, dass er Teile davon einem Bekannten am Telefon vorliest, der in der Redaktion des Literaturkritikers Hubert Winkels beim Deutschlandfunk arbeitet. Damit wären wir beim Bachmann-Preis. Winkels ist einer der Einladenden für den Wettbewerb - und dringend auf der Suche nach einem Autor für Klagenfurt. Die Geschichte erzählt Winkels selbst auch so.

Zunächst gibt es in den Gesprächen nur subtile Andeutungen. «Bis das Wort Bachmann-Preis überhaupt fiel, hat es noch Wochen gedauert», erinnert sich Heitzler. Das hätte dem jungen Autoren auch nichts gesagt. «Klar kannte ich Ingeborg Bachmann, aber nicht den Wettbewerb.»

Inzwischen hat Heitzler aus Prolog und Epilog seines Romanprojektes eine geschlossene Geschichte für Klagenfurt gefertigt. Es geht um eine Familienkonstellation, den Einfluss der Generationen. Mehr verrät er nicht. Beim Bachmann-Wettbewerb tragen die Autoren ihre Texte live vor. Riesenpublikum, plus Livestream ins Netz. Heitzler ist ein bisschen aufgeregt, er hat «noch nie in der Öffentlichkeit vorgelesen».

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