SPÖ mit neuem Chef

​Mit heiserer Stimme an die Spitze

Der ehemalige Verteidigungsminister und Ministerpräsident des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil. Foto: epa/Domenic Aquilina
Der ehemalige Verteidigungsminister und Ministerpräsident des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil. Foto: epa/Domenic Aquilina

LINZ: Ist das der Aufbruch? Die Sozialdemokraten in Österreich wählen einen neuen Chef, dessen krankheitsbedingt leise Stimme Fragen aufkommen lässt. Der Neue schließt sofort eine Koalition mit einer Partei aus.

Nach einer Kampfabstimmung steht der 52-jährige Hans Peter Doskozil künftig an der Spitze der österreichischen Sozialdemokraten. Der ehemalige Verteidigungsminister und burgenländische Ministerpräsident erhielt am Samstag bei einem außerordentlichen SPÖ-Bundesparteitag in Linz 53 Prozent der Stimmen der rund 600 Delegierten.

Doskozil setzte sich damit gegen den Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler und einen weiteren Mitbewerber durch. Doskozil folgt auf Pamela Rendi-Wagner. Die 52-jährige Ärztin war in einer Mitgliederbefragung zur Führungsfrage hinter Doskozil und Babler gelandet und hat ihren Rückzug aus der Politik angekündigt.

Doskozil schloss in seiner Dankesrede nach der Wahl eine Koalition mit der rechten FPÖ aus. «Es wird, sollten wir die Wahl gewinnen, möglicherweise Erster werden, es wird keine Koalition mit der Freiheitlichen Partei geben.»

Auch ein Bündnis der SPÖ mit der konservativen ÖVP, wie es in Österreich jahrzehntelang üblich war, will er vermeiden. «Das war eine Frechheit, wie das gelebt wurde», sagte er der «Kronen Zeitung» (Sonntag) über die Erfahrungen mit der großen Koalition.

Doskozil strebe um jeden Preis eine linke Koalition zwischen SPÖ, liberalen Neos und Grünen an, sagte ein ÖVP-Sprecher am Sonntag. «Diese Linkskoalition wäre verheerend für unser Land.»

Der 52-Jährige, der als Polizeichef im Burgenland an der Grenze zu Ungarn während der Migrationskrise 2015 ins mediale Rampenlicht rückte, ist Verfechter eines sehr restriktiven Umgangs mit der Zuwanderung. Zugleich betreibt er als Ministerpräsident des nach Einwohnern kleinsten der neun Bundesländer Österreichs eine aktive Sozialpolitik. So haben Landesbedienstete Anspruch auf einen Mindestlohn von aktuell 2000 Euro netto. Doskozil war der Hauptkritiker der bisherigen Vorsitzenden Rendi-Wagner.

Der neue Parteichef will der SPÖ und ihren Funktionären künftig viel mehr Bürgernähe verschreiben. «Vielleicht haben wir verlernt, den Interessen der Bevölkerung zu dienen.» Die SPÖ habe es sich in Koalitionen eher machtpolitisch bequem gemacht, statt auf die Durchsetzung ihrer Wahlziele zu drängen.

Demonstrativ kündigte Doskozil ein Gesetz zum Verbot von Parteispenden im Burgenland an. Parteispenden - nicht zuletzt an die regierende konservative ÖVP - spielen in der innenpolitischen Debatte in Österreich immer wieder eine wichtige Rolle.

Doskozils Stimme, die nach mehreren Kehlkopf-Operationen heiser klingt, führt immer wieder zu Debatten, ob er für ein politisches Spitzenamt gut gerüstet sei. Er versicherte den Delegierten, dass sein gesundheitliches Problem ihn nicht an der Führung der Partei hindern werde. «Die Stimme wird nicht verloren gehen», auch wenn er weitere Operationen nicht ausschließen könne.

Babler, Vertreter des linken Flügels der Partei, hatte in seiner sehr engagierten Rede für eine neue Geschlossenheit geworben. Die SPÖ müsse Seite an Seite mit den Gewerkschaften selbstbewusst unter anderem für besseren Lohn kämpfen, so Babler. Der Kommunalpolitiker hatte im Vorfeld eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert.

Die beachtlichen 47 Prozent der Stimmen für das von Babler vertretene ausgesprochen linke Lager werfen Fragen nach der Einheit der Partei auf. «Die Gefahr eines möglichen Auswanderns eines Teils des linken Flügels muss Doskozil sofort bannen», sagte Politikberater Thomas Hofer. Mittelfristig ergebe sich für den auch in anderen Wählerschichten anerkannten Politiker die Chance, Stimmen aus dem Lager der ÖVP und FPÖ wieder zurückzugewinnen - auch durch seine populistische Art. «Die Regierungsfähigkeit und die Regierungsaussicht für die SPÖ haben sich mit Doskozil spürbar erhöht», so Hofer.

Der Parteitag soll Schlusspunkt einer langen parteiinternen Diskussion um die Führungsspitze sein. Die SPÖ kommt bei den aktuellen Umfragen auf 23 Prozent. Die rechte FPÖ liegt mit etwa 28 Prozent nach Angaben der Demoskopen vorne, die zusammen mit den Grünen regierende konservative Partei ÖVP sehen die Experten bei etwa 21 Prozent. Der nächste Nationalrat wird im Herbst 2024 gewählt.

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