Miss Tord Man Gung

​Callolo und seine Herzallerliebste - Eine humorvolle Geschichte 

Miss Tord Man Gung

Nai, meine Herzallerliebste, raubt mir seit Wochen den letzten Nerv. Eine Freundin aus der Nachbarschaft nimmt seit Jahren an dem Tord-Man-Gung-Wettbewerb teil und hat sie dazu überredet, sich diesmal auch um den Titel "Miss Tord-Man-Gung" zu bewerben. Dieser Wettbewerb findet jährlich im Rahmen unseres Stadtteilfestes statt und ist mit 20.000, 10.000 und 5.000 Baht für die ersten drei Sieger dotiert. Seit meine Herzallerliebste sich entschieden hat, in den Kampf um diesen Titel einzugreifen (und natürlich auch um den ausgelobten Geldpreis), ist bei uns nichts mehr wie es vorher war. Ganz abgesehen davon, dass es seit Tagen im ganzen Haus nur noch nach Krabben stinkt, trifft Nai sich jeden Tag mit drei anderen Teilnehmerinnen in unserer Küche zu gemeinsamen Experimenten, deren unterschiedliche Ergebnisse ich morgens, mittags und abends vorgesetzt bekomme.

Gestern war sozusagen der härteste Tag für mich, die Generalprobe. Die vier Frauen servierten mir vier verschiedene in Butter gebratene Shrimps-Kuchen mit unterschiedlichen Soßen. Ich musste sie der Reihe nach probieren und sollte sie dann bewerten.

Ich zierte mich, ahnte schon den Streit, der dadurch entstehen konnte, aber sie bedrängten mich solange, bis ich endlich nachgab. Ich nahm von jeder Probe einen Bissen.

"Also dieser", ich zeigte auf einen angebissenen Shrimps-Pfannkuchen, "schmeckt mir besonders gut, und die Soße passt perfekt dazu, weil der Geschmack des Krabbenfleisches dominant bleibt."

Khun Saeng, die Freundin meiner Herzallerliebsten strahlte, während Nai mich ärgerlich anblitze. Ich wies auf einen anderen Pfannkuchen, der etwas dunkler gebraten war: "Diesem würde ich den zweiten Preis geben, denn er ist herrlich aromatisch und knusprig."

Am Gesichtsausdruck meiner Herzallerliebsten war unschwer abzulesen, dass es nicht ihr Produkt war, das ich da gerade gelobt hatte. Ich wollte mit der Bewertung aufhören, aber alle bestanden darauf, auch meine Meinung zu den anderen beiden Tord-Man-Gungs zu hören.

"Also", versuchte ich es diplomatisch, "diese beiden gefallen mir eigentlich gleich gut."

"Das gilt nicht", rief Saeng, "du musst dich schon entscheiden."

Ich schaute verzweifelt auf meine Herzallerliebste. Ich ahnte, was mir bevorstand, wenn ich ihren Kuchen am schlechtesten bewerten sollte.

"Also, der Unterschied ist minimal", sagte ich in der Hoffnung, mich dadurch etwas abzusichern, und zeigte auf den dritten Teller, von dem ich als ersten gekostet hatte: Diesem würde ich den dritten Preis geben. Sein Geschmack ist außergewöhnlich, aber nicht uninteressant." Bei diesen Worten verließ meine Herzallerliebste das Wohnzimmer und warf dabei die Tür ins Schloss. Die drei Frauen folgten ihr mit betretenem Schweigen.

Ich überlegte, in mein Stammlokal zu flüchten, aber bevor ich zu einem Entschluss gekommen war, betrat meine Herzallerliebste mit verheultem Gesicht das Zimmer.

"Das war nicht fair, Callolo", sagte sie, "ich hab dir doch immer zugezwinkert, dass du dem letzten, der von mir war, den ersten Preis geben solltest. Aber du hast mich nicht einmal angesehen. Wie stehe ich denn jetzt vor meinen Freundinnen da?"

"Ach, Schatz", versuchte ich sie zu beruhigen, "was hätte es denn genützt, wenn du bei mir siegst und morgen bei den Juroren abstinkst? Morgen hast du eine neue Chance, und jeder Mensch hat doch andere Geschmacksvorlieben. Vielleicht gefällt den Juroren dein Rezept am besten."

"Du meinst wirklich, Callolo?"

"Klar." Ich nahm sie in den Arm und streichelte sie. Dann kam mir eine Idee:

"Was hältst du davon, wenn du eine Prise Ingwer hinzugeben würdest?"

Sie überlegte einen Augenblick. "Vielleicht keine schlechte Idee, Callolo. Ich werde es gleich einmal ausprobieren."

Der große Tag kam. Achtundvierzig Bewerberinnen standen hinter ihren provisorisch aufgebauten Garküchen und brutzelten Tord-Man-Gung Ein paar hundert Festteilnehmer sahen ihnen dabei zu. Einige wetteten auf die ersten drei Siegerinnen. Die Juroren nahmen Kostproben zu sich, notierten Punkte auf einem Block und teilten nach einer kurzen Beratung mit, dass vierundzwanzig Kandidatinnen ausscheiden mussten. Der zweite Durchgang begann, an dessen Ende weitere zwölf Frauen den Wettbewerb beendeten. Meine Herzallerliebste war immer noch dabei. Nun wurde es ernst, und die Spannung stieg. Die Wetteinsätze ebenfalls.

Ich jubelte aus ehrlichem Herzen, als feststand, dass meine Nai sich schließlich unter den letzten sechs Anwärtern auf den Preis befand. Es dauerte recht lange, bis der Vorsitzende der Jury das Ergebnis verkündete: Der 1. Preis ging an eine außergewöhnlich schöne, junge Thai.

Ich stand neben meiner Herzallerliebsten, und die zischte mir ins Ohr: "Schiebung! Die hat den Preis nur für ihr Aussehen bekommen." Der 2. Preis wurde Khun Saeng, der Freundin meiner Herzallerliebsten zugesprochen. Nun war noch ein Preis zu vergeben. Aller Augen richteten sich auf den Oberjuror: "Der 3. Preis geht an Khun Nai."

"Ja!" Meine Herzallerliebste fiel mir um den Hals und flüsterte mir ins Ohr: "Den Ausschlag hat bestimmt der Ingwer gegeben."

Die drei Preisträgerinnen wurden auf die Bühne gebeten. "Miss Tord-Man-Gung" bekam die Siegerschärpe umgelegt, und alle bekamen einen Blumenstrauß und einen Umschlag mit dem Preisgeld.

Ich war mächtig stolz auf meine Herzallerliebste. Und wie sie so strahlend da oben auf dem Podium stand, sagte ich zu mir: "Carolus, du hast ganz schön Glück gehabt mit deiner Herzallerliebsten. Die hätte sogar noch Chancen bei einem Schönheitswettbewerb."

Dass ich übrigens auch gewettet habe, auf sie als Dritte, und dabei über 5000,- Baht gewonnen habe, werde ich ihr trotzdem nicht verraten.

Callolo und seine Herzallerliebste und Angekommen in der Wirklichkeit

Callolo und seine Herzallerliebste

In 130 heiteren Kurzgeschichten hat Autor Carolus in zwei Büchern sich mit unterschiedlichen Erfahrungen, die sich aus dem Zusammenleben zwischen Thais und Farangs ergeben, verfasst. Die humorvollen Geschichten behandeln das Eheleben zwischen Nai und Callolo. Im Leben der beiden wird viel Toleranz abverlangt. Dass es trotzdem immer wieder ein Happy End geben kann, beweist der Autor, im ersten Buch, in vielen unerwarteten Entwicklungen. Im zweiten Werk hat der Autor seine „rosarote Brille“ abgenommen und erzählt auf ehrliche und gewohnt charmante Weise über Probleme und Schwierigkeiten, die in seiner nicht mehr ganz taufrischen Beziehung zu Nai entstehen.

Die beiden Taschenbücher können Sie im FARANG-Onlineshop bestellen.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Markus Boos 12.07.20 22:07
Authentisch und nicht abgehoben
Danke
Ling 12.07.20 20:18
Vielen Dank...
... auch von mir. Hat Spaß gemacht die Kurzgeschichte zu lesen.
Juergen Bongard 12.07.20 16:13
Wie immer eine nette, originale Geschichte,
vielen Dank dafür und ich freue mich schon auf die Nächste.