Merkel-Reise zu Mandelas Erben ans Kap

Foto: epa/Clemens Bilan
Foto: epa/Clemens Bilan

JOHANNESBURG/BERLIN (dpa) - Die Kanzlerin trifft in Südafrika auf einen Generationenwechsel. Selbstbewusste Menschen melden sich zu Wort - und bewerten auch das Vermächtnis von Nelson Mandela neu.

Das Bild ging um die Welt: Mit triumphierend in die Höhe gereckter Faust verließ Südafrikas prominentester Anti-Apartheid-Kämpfer Nelson Mandela am 10. Februar 1990 das Drakenstein-Gefängnis bei Kapstadt. Hand in Hand mit seiner damaligen Frau Winnie schritt er vor 30 Jahren in die Freiheit. Er profilierte sich schnell als versöhnender Gründer eines demokratischen Südafrikas. Sein Name ist mit dem Ende des Apartheid-Systems verknüpft, der jahrzehntelangen Trennung von Schwarzen und Weißen zur Unterdrückung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit durch die Weißen. Angela Merkel hat Mandela 2007 in Johannesburg noch als gut gelaunten 89-Jährigen erlebt. Nun kommt die Kanzlerin erneut in den Kap-Staat - und trifft auf ein verändertes Land.

Die junge Generation löst in Südafrika zunehmend die alte Politikergarde der ersten Generation nach der Apartheid ab, von der viele aus dem Exil oder - wie der 2013 gestorbene Mandela - aus Gefängnissen kam. Damit bekommt auch das Bild von Mandela als einigender Klammer, Versöhner, Hoffnungsträger und «Übervater der Nation» erste Risse. Ähnlich wie die deutsche Teilung für die nach dem Mauerfall geborenen Deutschen zunehmend Teil der Geschichte wird, ist für die «Born-frees» - die nach der demokratischen Wende geborenen Südafrikaner - die bittere Apartheidzeit oft nur noch aus Erzählungen der Eltern präsent.

Vor allem unter desillusionierten Jugendlichen wächst die Ungeduld. Sie melden sich außerhalb der eingetretenen politischen Pfade lautstark zu Wort und fordern ihre Rechte in einem sozial wie wirtschaftlich problembeladenen Land. Südafrika ist die am meisten entwickelte Wirtschaft Afrikas, doch rund 30 Millionen Menschen - meist schwarze Südafrikaner - leben der Regierung zufolge weiter in Armut. Der Staat, den Merkel besucht, ist nur noch ein Schatten des stolzen Ausrichters der Fußball-WM 2010, bei der die Kanzlerin einst der deutschen Nationalelf zujubelte.

Das versprochene bessere Leben für alle ist in weiter Ferne, die Ungleichheit geblieben. Die Wirtschaft lahmt, das Land befindet sich in einer schweren Energiekrise und die Kriminalitätsraten sind hoch. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist so hoch wie in kaum einem anderen Land. Präsident Cyril Ramaphosa kämpft mit schweren innenpolitischen Problemen. Merkel will ihm mit ihrem Besuch Unterstützung signalisieren.

Ihre Reise gilt aber auch einem Land, das dieses Jahr ebenso wie Deutschland einer wichtigen Staatengemeinschaft vorstehen wird: Südafrika führt von Februar an die Afrikanische Union (AU), Deutschland hat ab Jahresmitte die EU-Ratspräsidentschaft. Südafrika war zudem Gründungsnation der AU, die als Nachfolgerin der politisch überholten Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) vor zehn Jahren in Durban gegründet wurde. Die AU wird aus deutscher Sicht als strategischer Partner zunehmend wichtiger - etwa bei der Umsetzung der Beschlüsse der Berliner Libyen-Konferenz vom 19. Januar.

Südafrika hat eine Lösung der Konflikte in Libyen und dem Südsudan bereits zu Schwerpunkten seiner AU-Präsidentschaft erklärt. Dass die verfahrene Lage in Libyen ein Thema des Gesprächs der Kanzlerin mit Ramaphosa an diesem Donnerstag sein wird, gilt als sicher. Zumal sich UN-Generalsekretär António Guterres erst am Dienstag wütend über die geringen Fortschritte nach der Berliner Konferenz gezeigt hatte.

Ob Merkel und Ramaphosa auch das Thema Migration ansprechen, war offen. Südafrika jedenfalls kämpft mit Ausländerfeindlichkeit. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) mahnte den Kap-Staat zu Jahresbeginn, sich stärker dagegen zu engagieren - gerade nach der Übernahme des AU-Vorsitzes. «Die Frage der Fremdenfeindlichkeit muss auf AU-Ebene angegangen werden», forderte die HRW-Anwältin Carine Kaneza Nantulya. Das werde gerade auch mit Blick auf den geplanten afrikanischen Binnenmarkt notwendig.

Afrika wird aus deutscher Sicht als Markt zunehmend attraktiv. Zwar sind die Hürden auf dem Weg in diesen noch weitgehend unerschlossenen Binnenmarkt hoch, doch dessen Potenzial ist attraktiv. Großunternehmen wie Volkswagen positionieren sich bereits, um dabei nicht nur China den Platz in der ersten Reihe zu überlassen.

Welche Bedeutung die afrikanische Wirtschaft für Deutschland hat, zeigen sowohl Merkels Termine als auch die Wirtschaftsdelegation, die die Kanzlerin begleitet. In Pretoria wollen Merkel und Ramaphosa gemeinsam eine Wirtschaftskonferenz eröffnen und den Standort des Automobilherstellers BMW besichtigen. Und in Angola will Merkel an diesem Freitag gemeinsam mit Präsident João Manuel Gonçalves Lourenço ein Wirtschaftsforum mit mehr als 200 Teilnehmern eröffnen.

Ob sich anschließend tatsächlich mehr deutsche Unternehmen ins Land trauen, ist angesichts von Korruption und fehlender Rechtssicherheit ungewiss. So sind in Südafrika bisher etwa 600 deutsche Unternehmen engagiert. In Angola sind es nach Angaben aus Regierungskreisen in Berlin nur 25.

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