Merkel: Sicherheitsinteressen klarer definieren

Merkel erhält Ehrendoktorwürde in Jerusalem. Foto: epa/Heidi Levine / Pool
Merkel erhält Ehrendoktorwürde in Jerusalem. Foto: epa/Heidi Levine / Pool

JERUSALEM: Europa muss nach Einschätzung der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem US-Abzug aus Afghanistan die eigenen Sicherheitsinteressen klarer definieren. Man habe gesehen, «dass Amerika nicht mehr bedingungslos bereit ist, überall auf der Welt eine Führungsrolle zu übernehmen», sagte Merkel am Montag bei einer Diskussion mit Vertretern des Israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Jerusalem.

Merkel war am Samstagabend zu einem Abschiedsbesuch in Israel eingetroffen. Am Sonntag kam sie in Jerusalem unter anderem mit dem israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett zusammen. Merkel betonte dabei die Verantwortung auch künftiger deutscher Regierungen für Israels Sicherheit und einen entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus.

Bei dem Gespräch mit Sicherheitsexperten vor ihrer Abreise am Montag sagte Merkel: «Israel ist nah an den Außengrenzen Europas, daher haben wir auch gemeinsame Sicherheitsinteressen.»

Zu den Bemühungen um eine Eindämmung des iranischen Atomprogramms sagte Merkel, man sei gegenwärtig «in einem kritischen Prozess». Deutschland und Israel hätten eine gemeinsame Haltung, nämlich dass eine nukleare Aufrüstung Teherans unbedingt verhindert werden müsse. Meinungsunterschiede gebe es nur über den richtigen Weg. Sie habe das internationale Atomabkommen von 2015 mit dem Iran immer «für ein Abkommen gehalten, das alles andere als perfekt ist, aber einen Handlungsrahmen bildet», sagte die Kanzlerin.

Mit Blick auf den Nahost-Konflikt sagte Merkel, die Frage der Palästinenser sei zuletzt zunehmend «von der aktuellen Tagesordnung verschwunden». Dies sei nicht gut. So wie Israel ein Recht auf einen Staat habe, «so ist auch das Recht der Palästinenser nicht aus den Augen zu verlieren». Das Thema werde langfristig nicht verschwinden, auch wenn Israel bessere Beziehungen zu arabischen Ländern aufbaue. Sie begrüßte gleichwohl «pragmatische Schritte der (israelischen) Regierung zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Palästinenser».

Der INSS-Leiter Professor Manuel Trajtenberg sagte, Israel sei «voller Respekt und sogar Bewunderung» für Merkel wegen ihrer klarer Unterstützung für den jüdischen Staat. Er bat sie, auch nach Ende ihrer Amtszeit einen Teil ihrer Zeit Israel und seinen Problemen zu widmen, «um uns dabei zu helfen, uns selbst zu helfen».

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Ingo Kerp 12.10.21 12:00
Besser späte Einsicht als nie? Sollte das das Credo zu Merkels Statement zu den USA sein? Geographisch gibt es zumindest aus ihrer Sicht schon mal eine Nähe. Israel ist zweifelsohne näher als der Hindukusch aber kein Europanachbar. Das hauptsächlich mit US Mitteln gesponserte Israel sollte sich um seine eigenen Probleme kümmern, einen Ausgleich und Anerkennung mit den Palästinensern (eigener Staat) finden und endlich mal die Unzahl an ignorierten UN Sanktionen anerkennen.