Merkel: Europa kann stärker aus Corona-Krise hervorgehen

Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm an der wöchentlichen Kabinettssitzung in Berlin teil. EPA/HENNING SCHACHT
Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm an der wöchentlichen Kabinettssitzung in Berlin teil. EPA/HENNING SCHACHT

BRÜSSEL/BERLIN: Die Pandemie hat «alles auf den Kopf gestellt», findet die Bundeskanzlerin. Das gilt auch für die Pläne für den deutschen EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Folgen der Corona-Pandemie mit einer stärkeren Zusammenarbeit in Europa bewältigen. «Europa kann aus der Krise stärker hervorgehen, als es in sie hineingegangen ist», sagte die Kanzlerin am Mittwochabend bei einer Online-Diskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Folgen der Corona-Pandemie für die im Juli beginnende sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands in der Außen- und Sicherheitspolitik beleuchtete.

Die Corona-Krise habe «alles auf den Kopf gestellt», sagte Merkel. Sie zeige, dass grundlegende Veränderungen kurzfristig Entscheidungen mit langfristigen Wirkungen nötig machten. Die Verantwortung dürfe deswegen nicht an nationalstaatlichen Grenzen halt machen. Die Krise wird nach Angaben der Bundesregierung das zentrale Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.

Deutschland übernimmt am 1. Juli für sechs Monate den Vorsitz der EU-Länder. In der Zeit leitet das Land die Ministerräte und setzt politische Schwerpunkte. Wegen der Pandemie wird das Programm anders ausfallen als ursprünglich geplant. Neben der Corona-Krise sind weitere Schwerpunktthemen die Beziehungen zu Großbritannien nach dem Brexit, der Klimaschutz und das europäische Asylsystem.

Die Kanzlerin unterstrich auch die Bedeutung der Beziehungen zu den USA und übte Kritik an Russland. «Der wichtigste Partner Europas sind die Vereinigten Staaten von Amerika», sagte Merkel. «Dabei ist mir natürlich bewusst, dass die Zusammenarbeit mit Amerika derzeit schwieriger ist als wir uns dies wünschen würden» - das gelte für die Klima- und Handelspolitik, aber auch für die Frage der Bedeutung internationaler Organisationen in der Corona-Krise. US-Präsident Donald Trump kritisiert die Weltgesundheitsorganisation WHO immer wieder scharf.

Gleichwohl seien die transatlantischen Beziehungen «ein zentraler, tragender Pfeiler unserer Außen- und Sicherheitspolitik», betonte Merkel. Ihn zu erhalten sei im deutschen und europäischen Interesse. «Wir sollten nie vergessen, dass Europa nicht neutral ist. Europa ist Teil des politischen Westens.»

Russland hingegen habe etwa menschenrechtliche Konventionen und Regeln wiederholt verletzt. «Russland hat in seiner unmittelbaren Nachbarschaft einen Gürtel ungelöster Konflikte geschaffen und die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektiert», sagte Merkel. «Es unterstützt Marionettenregime in Teilen der Ost-Ukraine und greift westliche Demokratien mit hybriden Mitteln an, darunter auch Deutschland.» Zweifelsfrei «wird auch Russland uns während der EU-Ratspräsidentschaft weiter beschäftigen».

Dennoch wolle sie den deutschen EU-Vorsitz zur Fortsetzung eines kritisch-konstruktiven Dialogs mit Russland nutzen. So gebe die EU-Ratspräsidentschaft die Gelegenheit, neue Impulse in den Beziehungen zu setzen. Merkel nannte die Themenfelder Libyen, Syrien, Klimaschutz und globale Gesundheit.

Über den anstehenden EU-Vorsitz hatte sich Merkel am Mittwoch auch gemeinsam mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD), Außenminister Heiko Maas (SPD) und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) in einer Videoschalte mit Spitzenvertretern des Europaparlaments ausgetauscht. Das schriftliche Programm für diese Zeit soll nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert erst kurz vor dem 1. Juli beschlossen werden. Dabei sollten auch die Prioritäten der EU-Kommission für die kommenden Monate berücksichtigt werden.

Die großen Parteien im Europaparlament unterstützen die deutschen Schwerpunkte. «Wir brauchen ein wuchtige europäische Antwort auf die Herausforderung aus der Corona-Krise», erklärte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU).

Auch die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley betonte: «Die deutsche Ratspräsidentschaft setzt im Zeichen der Pandemie richtige Prioritäten.» Es sei wichtig, dass die Bundesregierung auch beim Weg aus der Krise das Thema Rechtsstaatlichkeit setze. Auch die wirtschaftlichen Hilfen müssten an die Einhaltung europäischer Werte geknüpft werden, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments.

Die Grünen-Fraktionschefin Ska Keller begrüßte, dass sich Merkel hinter ein kreditfinanziertes EU-Konjunkturprogramm gestellt habe. Das sei ein wichtiger Fortschritt. «Jetzt geht es darum, eine Mehrheit dafür zu gewinnen bei den Treffen des Europäischen Rats.»

Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan drängte Merkel zu einer klaren sozialpolitischen Ausrichtung. Die Ratspräsidentschaft müsse sowohl den europäischen Mindestlohn als auch eine Reform der Migrationspolitik vorantreiben.

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Leserkommentare

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werner mueller 30.05.20 23:29
Merkel merkt immer noch nicht,.....
.... dass man nicht 27 Nationen und fast ebenso viele verschiedene Sprachen in einen Mixer tun kann, gut vermischen, um dann diesen Einheitsbrei an alle EU Länder zu verteilen. Dass nun auch verschiedenen, höher privat vermögenden Südländern, mit Milliarden unter die Arme gegriffen werden soll versteht anscheinend auch nur ein kleiner Teil der Bevölkerung nicht...
Benno Schönholzer 29.05.20 23:39
Ich sehe das anders: Nicht die Pandemie hat alles auf den Kopf gestellt .... das war die Politik!! Ja das
Jürgen Franke 29.05.20 20:20
Werter Mike Dong, den Widerstand 2021
wird es nicht geben, denn bekanntlich haben bis dahin erfahrungsgemäß 40% der Wähler vergessen, was sie in der Wahlkabine anzukreuzen haben.
Jürgen Franke 29.05.20 20:20
Lieber Michael, ganz meine Meinung
die Merkel sollte noch mal kommen. Es dauert bei den Deutschen immer etwas länger, bis sie etwas begreifen. Das letzte Mal dauerte es 12 Jahre. Ich habe immer schon Menschen bewundert, die Realitäten einfach ausblenden können. Noch sind wir in der Situation benötigtes Geld, auch für die Südländer zu beschaffen.
Mike Dingo 29.05.20 14:42
Vielleicht gibt es ja dann den "Widerstand2021".
Jürgen Franke 29.05.20 09:40
Den Bürgern würde es gelingen,
die Merkel noch einmal 2021 als Kanzlerin zu wählen.