EU-Konvention verstößt teils gegen Verfassung

Der Verhandlungssaal des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Foto: epa/Patrick Seeger
Der Verhandlungssaal des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Foto: epa/Patrick Seeger

WARSCHAU: Ein Teil der Europäischen Menschenrechtskonvention ist nach einem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts nicht mit der Verfassung des Landes vereinbar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg habe daher keine Grundlage, die Rechtmäßigkeit der Ernennung polnischer Verfassungsrichter zu prüfen, urteilte das Gericht am Mittwoch.

Konkret geht es um Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die von 47 Staaten unterzeichnet wurde - darunter auch Polen. «Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten (...) oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren (...) verhandelt wird», heißt es darin.

Dieser Artikel dürfe aber vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht angewandt werden, um die Unabhängigkeit der Richter am Verfassungsgericht zu prüfen, heißt es nun in dem Urteil. Denn Grundlage der Unabhängigkeit der Verfassungsrichter seien «die polnische Verfassung und andere Gesetze». In seiner Urteilsbegründung brachte der Verfassungsrichter Wojciech Sych dies auf die Formel: «Man kann den Verfassungsgerichtshof nicht als Gericht betrachten.» Somit müsse Polen auch ein bestimmtes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht umsetzen.

Polens nationalkonservative PiS-Regierung baut seit Jahren das Justizsystem um. Die EU-Kommission hat wegen der Reformen bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet und Klagen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Unter anderem hat die Brüsseler Behörde auch Zweifel an der Unabhängigkeit des polnischen Verfassungsgerichts, das nun dieses Urteil fällte. Vorsitzende ist Julia Przylebska, enge Vertraute von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski. Kürzlich hatte dieses Gericht den Vorrang des nationalen Rechts vor EU-Recht festgestellt.

Die jetzige Entscheidung des Verfassungsgerichts bezieht sich auf ein Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs vom 7. Mai 2021. Die Firma Xero Flor hatte geklagt, nachdem das polnische Verfassungsgericht ihren Fall abgelehnt hatte. Weil es Zweifel an der rechtmäßigen Ernennung eines der Richter gab, die diese Entscheidung getroffen hatten, rief die Firma das Gericht in Straßburg an. Dieses gab dem Kläger Recht und sprach ihm eine Entschädigung zu.

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