Menschenrechtsgericht fordert sofortige Freilassung Nawalnys

Navalny-Unterstützer protestieren in St. Petersburg. Foto: epa/Anatoly Maltsev
Navalny-Unterstützer protestieren in St. Petersburg. Foto: epa/Anatoly Maltsev

MOSKAU/STRAßBURG: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland aufgefordert, Oppositionsführer Alexej Nawalny unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Wie das Gericht am Mittwoch mitteilte, gab es damit einem Antrag Nawalnys auf einstweilige Maßnahmen statt. Diese sind laut Gericht verbindlich und werden nur selten und bei unmittelbarer Gefahr auf irreparablen Schaden gewährt. Die Art und das Ausmaß der Gefahr für Nawalnys Leben sei in der Entscheidung berücksichtigt worden, hieß es.

Russland reagierte prompt: Justizminister Konstantin Tschujtschenko sprach von einer «beispiellosen Forderung». Das sei eine «klare und grobe Einmischung» in die Arbeit der Justiz eines souveränen Staates. Es gebe nach russischem Recht keine Grundlage, «diese Person» aus der Haft zu entlassen, sagte er der Agentur Interfax zufolge.

Der Vize-Vorsitzende des Duma-Rechtsausschusses, Michail Emeljanow, hält es für unwahrscheinlich, dass sein Land der Forderung nachkommen werde. Er verwies auf die neue Verfassung, die nationale Interessen Russlands über internationales Recht stellt.

Der Kremlkritiker war vor mehr als zwei Wochen zu einer Straflagerhaft verurteilt worden. Er soll gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben, während er sich in Deutschland von einem Giftanschlag erholte. Das Urteil in diesem früheren Verfahren hatte das Menschenrechtsgericht 2017 als offenkundig unangemessen bezeichnet.

Der Gerichtshof teilte mit, dass Nawalny im Januar eine weitere Beschwerde gegen Russland eingereicht hatte. Zeitgleich habe er um seine Freilassung als einstweilige Maßnahme gebeten. Ob die neue Beschwerde Nawalnys vom Gericht zugelassen wird, ist noch offen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz in Straßburg gehört zum Europarat, dem auch Russland angehört. Gemeinsam setzen sie sich für den Schutz der Menschenrechte in ihren 47 Mitgliedstaaten ein. Sie sind keine Organe der Europäischen Union.

Nawalny bedankte sich unterdessen für den Beistand seiner Anhänger. «Ich möchte sagen, dass es mir gut geht, denn ich habe das Wichtigste, was ein Mensch in meiner Situation braucht: eure Unterstützung», hieß es auf dem Instagram-Account des 44-Jährigen. «Glaubt mir, ich spüre sie.»

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

TheO Swisshai 21.02.21 11:52
@Thomas Sylten / Volltreffer
Hervorragender Kommentar, basierend auf einer bewundernswerten Analyse des Weltgeschehens. Ich stimme ihnen in jedem Wort und Punkt 100%ig zu! Gute Arbeit, danke dafür!
Thomas Sylten 18.02.21 13:37
So sehr ich die Intention des Gerichtshofes nachvollziehen kann: Solange im Fall Julian Assange auf allen Kanälen nur dröhnendes Schweigen herrscht, kann ich den Einsatz des "freien Westens" für Navalny leider nur als einseitige, einfach gegen Russland bzw. Putin gerichtete Propagandamaßnahme einschätzen.
Sprich: Selbstredend wäre ich für eine Freilassung Navalnys - aber eben mindestens genau so für eine Freilassung von Assange, der ebenfalls aus rein politischen Gründen seit Jahren ohne jeden Prozess in einem Kerker verfault. Diese doppelte Moral ist leider ein zu durchsichtiges Manöver, welches rechtstreue Bürger keinen Augenblich unterstützen dürfen.

Darüber hinaus hat Navalny sich mit voller Absicht in diese Situation gebracht - er wusste ja was ihm bei einer Heimkehr blüht: Dasselbe was einem Herrn Puigdemont bei Heimkehr nach Spanien blühen würde, der das deshalb tunlichst unterlässt und im sicheren Belgien bleibt. Navalny WOLLTE den Westen und Russland in gefährliche Konfrontation zwingen - diese Motivation ist alles andere als ehrenhaft: Er hätte auch aus dem Exil, aber in Freiheit, auf Veränderungen in seiner Heimat hinarbeiten können, wie es ungezählte andere Exilanten weltweit tun. Dafür ist es nicht nötig, einen Weltbrand zu befördern: Durchsichtiges Spiel mit dem Feuer, wofür sich niemand hergeben muss.
Beat Sigrist 18.02.21 00:57
Ich denke
Herr Putin wird (oder muss) Ihm aus taktischen politischen Gründen die Freiheit wieder schenken. Nicht heute und morgen aber in baldiger Zukunft.