Rom demonstriert seine Nähe zur Ukraine

«Mein Freund» Selenskyj

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, und Giorgia Meloni, Ministerpräsidentin von Italien, an der Pressekonferenz nach ihrem Treffen im Chigi-Palast. Foto: Roberto Monaldo/Lapresse Via Zuma Press/dpa
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, und Giorgia Meloni, Ministerpräsidentin von Italien, an der Pressekonferenz nach ihrem Treffen im Chigi-Palast. Foto: Roberto Monaldo/Lapresse Via Zuma Press/dpa

ROM: Milliardenteure Waffenlieferungen wie jene aus Berlin kann Italien der Ukraine nicht bieten. Rom will dem Land aber dennoch seine uneingeschränkte Unterstützung demonstrieren. Beim Besuch von Präsident Selenskyj unterstreicht Regierungschefin Meloni Nähe - auch ihre persönliche.

Als im Quirinalspalast hoch über den Dächern von Rom die ukrainische Hymne gespielt wird, kommt für den Ehrengast an einem sonst regnerischen Tag sogar kurz die Sonne raus. Präsident Wolodymyr Selenskyj steht an der Seite von Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella und legt die Hand auf die Brust. Über ihm weht die Fahne der Ukraine.

Italien legte dem Gast aus Kiew bei dessen ersten Besuch seit Beginn des russischen Angriffskrieges den roten Teppich aus. Rom wollte Nähe und Anteilnahme demonstrieren und auch Unterstützung zusichern. Regierungschefin Giorgia Meloni nannte Selenskyj «meinen Freund», dem sie bei der Verteidigung gegen den russischen Einmarsch zur Seite stehe, «so lange es nötig ist und darüber hinaus».

Nachdem der Präsident in den vergangenen Monaten schon in Städten wie Washington, London, Paris, Brüssel und zuletzt Helsinki war, um für weitere militärische und finanzielle Hilfen zu werben, reist er an diesem Wochenende in zwei wichtige EU-Hauptstädte. Von Rom geht es weiter nach Berlin, wie aus deutschen Regierungskreisen verlautete. Dort kann sich Selenskyj für ein weiteres Hilfspaket an Waffen und Munition im Umfang von weiteren 2,7 Milliarden Euro bedanken, das die Bundesregierung kurz vor dem Besuch verkündete.

Solche Größenordnungen kriegt Italien nicht hin - dafür will Rom größtmögliche Entschlossenheit zeigen. Zusammen mit seinen Partnern werde das Mittelmeerland so lange Hilfen - auch militärische - zur Verfügung stellen, bis ein gerechter Frieden erreicht sei, also ohne eine Kapitulation Kiews vor Moskau. Das versprach Ministerpräsidentin Meloni.

Sie hatte Selenskyj davor herzlich begrüßt. Der leichte Nieselregen, der nach der kurzen Sonnenpause zuvor wieder eingesetzt hatte, störte die Stimmung nicht. Gut gelaunt empfing die Politikerin ihren Gast im Hof ihres Amtssitzes, des Palazzo Chigi, Küsschen links, Küsschen rechts, beide hielten sich an den Armen fest, dann kurzer Smalltalk und ein Lächeln für die Fotografen. Mehr als eine Stunde sprachen die zwei im Rahmen eines Arbeitsessens im Anschluss miteinander.

Meloni präsentiert dabei zwar keine neuen milliardenschweren Pakete wie kurz zuvor die Bundesregierung. Sie hatte jüngst eine Konferenz organisiert zum Wiederaufbau der Ukraine nach dem Kriegsende. Nun warb sie energisch dafür, Kiew in die EU aufzunehmen, denn das Land kämpfe auch für die Zukunft Europas. Waffenlieferungen befürworte sie, damit die Ukraine auf dem Schlachtfeld nicht verliere. «Ein Frieden kann nicht auf eine Kapitulation folgen. Das wäre ein gefährlicher Frieden für Europa», stellte sie klar.

«Italien stand und steht auf der richtigen Seite, auf der Seite der Wahrheit in diesem Krieg», schrieb Selenskyj am Samstag bei Telegram.

Dabei hatten italienische Politiker in Kiew - und nicht nur dort - seit Beginn des Krieges immer mal wieder für Ärger, Enttäuschung und Empörung gesorgt. Meloni ließ zwar wie schon ihr Vorgänger Mario Draghi nie einen Zweifel daran, fest an Selenskyjs Seite zu stehen. Bei zwei wichtigen und prominenten Koalitionspartnern klang das jedoch anders: Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi äußerte sich mehrmals positiv über den guten Freund Wladimir Putin und verirrte sich gar in den Kommentar, Selenskyj sei für die Verwüstung der Ukraine und die vielen Toten verantwortlich. Lega-Chef Matteo Salvini trug früher T-Shirts mit dem Konterfei des Kreml-Chefs und polterte, er würde zwei Mattarellas gegen einen halben Putin tauschen.

Am Samstagnachmittag fuhr Selenskyj dann weiter in den Vatikan, wo ihn Papst Franziskus empfing. «Es ist eine große Ehre», sagte der Präsident, als er vom Pontifex an der Eingangstür abgeholt wurde. Dieser bedankte sich bei Selenskyj für seinen Besuch - sie überreichten sich anschließend gegenseitig Geschenke.

Auch von Franziskus waren die Ukrainer nicht immer begeistert. Dass das Oberhaupt der Katholiken etwa in den ersten Wochen Russland nicht direkt als Aggressor nannte, nahmen dem Pontifex viele übel. Auch hätten es Politiker wie Selenskyj oder der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko gern gesehen, wenn Franziskus deren Einladung nach Kiew angenommen hätte. Dies hätte ein Signal sein sollen.

Der Papst aber beharrte - und beharrt noch heute - darauf, dass nur derjenige als möglicher Friedensvermittler in Frage komme, der nicht Partei ergreife. Franziskus betonte mehrmals, dass er erst dann nach Kiew reisen wolle, wenn er auch in Moskau empfangen werde. Jüngst deutete er auf seiner Ungarn-Reise an, dass derzeit eine «Mission» für den Frieden laufe - Details nannte der Papst dabei nicht.

Auch bei der etwa 40 Minuten langen Privataudienz wollte Franziskus mit Selenskyj über Wege zum Frieden reden. Warum er so auf die Neutralität des Vatikans poche, hatte Franziskus am Vormittag bei einer Ansprache vor neuen ausländischen Botschaftern am Heiligen Stuhl erklärt. Diese verleihe dem Heiligen Stuhl ein «gewisses Ansehen in der internationalen Gemeinschaft, das es ihm ermöglicht, bei der Lösung von Konflikten» besser mitzuhelfen.

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