In meinem kleinen Apartment in Deutschland gibt es nur ein Bild, denn alle anderen Wände sind durch Schränke und Bücherborde zugestellt. Dieses Bild ist das Fenster, und dieses Bild verändert sich ständig: Mal sonnig, mal regnerisch oder bewölkt.
Menschen gehen vorüber. Autos fahren vorbei. Schwalben flitzen durch das Bild und – etwas gemächlicher – Tauben oder Krähen. Wolken schweben am Himmel, immer in Bewegung. Sie bilden pausenlos neue Figuren, die meine Fantasie anregen. Ich erkenne ein Schaf. Es wird immer länger. Jetzt ist es ein Krokodil, und dann erkenne ich ein Gesicht. An wen erinnert es mich? Der lange schlohweiße Bart. War es mein Großvater? Vorbei. Neue Wolken. Neue Formen. Und ich verliere mich in Erinnerungen.
Menschen, die mich geprägt haben, die nicht mehr leben, stehen plötzlich vor mir. Wir sind in Kontakt. Sie beeinflussen immer noch mein Leben und nehmen mir jegliche Angst, Angst vor der Zukunft und Angst vor dem Tod.
Am Abend wird mein Fenster zum Spiegel. Ich sehe mich und versuche, mich zu erkennen. Das ist nicht immer einfach.
Mein Fenster in die Welt ist gleichzeitig ein Fenster in mein Leben, das schon so lange währt und immer noch hoffnungsfroh weiter geht. Was interessieren mich die Pessimisten um mich herum? Sie haben ihre Zukunft doch längst hinter sich. Es gibt noch so vieles, auf das ich mich freue, jeden Tag, jede Stunde. Es geht mir gut. Ich bin gesund. Ich treffe Freunde. Wir essen zusammen, trinken Wein. Wir tauschen uns aus, lachen uns an und lachen uns aus. Ist das Leben nicht herrlich? Selbst dann, wenn nicht mehr alle Voraussetzungen für eine komfortable Lebensweise gegeben sind, es ist immer noch das Beste, was es gibt. Und wer es nicht genießt, wird ungenießbar.
Jeder von uns kennt in seinem Umfeld solche bedauernswerten Trauerklöße. Sie versuchen uns herunterzuziehen in ihre Hoffnungslosigkeit, in der Freude und Frohsinn keine Existenzberechtigung mehr haben. Neben all den schrecklichen Nachrichten aus aller Welt, die uns täglich erreichen, könnten sie uns wirklich die Lebensfreude rauben.
Wir halten dagegen, schauen auf die positiven Ereignisse und entdecken überall Beispiele dafür, dass das einzige Raubtier der Welt, das dabei ist, sich selbst auszurotten, in sich immer noch alles vereint, was Humanität ausmacht: Nächstenliebe und Kultur. Dadurch ist diese Welt entstanden. Dadurch wird sie überleben. Jeder wird dafür gebraucht. Ich bin dabei. Sie hoffentlich auch.
Natürlich verschließen wir nicht unsere Augen vor dem unübersehbaren Elend bei uns ebenso wie in anderen Ländern, Bilder, die das Fernsehen uns täglich vor Augen führt. Aber statt zu jammern, versuchen wir etwas dagegen zu tun, aufzuklären, aufzurütteln, zu helfen. Wenn wir uns nicht wehren gegen Rücksichtslosigkeit und Egoismus werden wir selbst zu Opfern. Wir werden unseren Platz nicht räumen für jene Typen, die meinen, ihnen allein gehört die Welt. Und mögen sie noch so laut schreien: „Wir sind die Zukunft!“ Nein, sie sind die Minderheit und verantwortlich dafür, dass die Erde aus den Fugen geraten ist. Die Mehrheit wird sich gegen sie stemmen und daran arbeiten, dass unsere Welt grün und friedlich bleibt oder wieder wird.
Ich schaue aus dem Fenster. Die Sonne lacht. Ich glaube an morgen.