Von Marco Krefting, dpa
Ein Personenschützer muss damit klarkommen, dass er den Tod eines Mädchens nicht verhindern konnte. Die Geschichte, die sich daraus im Film «Die Heimsuchung» entspinnt, geht viel weiter. Und die Umsetzung zeugt von einer gewissen Freude am Experimentieren.
BERLIN: Dem Jungen hatten sie erzählt, sein Freund Timmi sei bei einem Unfall gestorben. Allein schon deshalb hatte Ben den Kontakt mit der Heimat viele Jahre gemieden. Als der Personenschützer jetzt zurück an die Ostsee kommt, um das Trauma eines schiefgegangenen Einsatzes zu verarbeiten, erfährt er die Wahrheit.
Timmi liegt seit Kindertagen im Krankenhaus, an Schläuchen und Maschinen. Die Augen verdreht. Bens Frau Marion ist Ärztin und - passenderweise - auf dieses Krankheitsbild spezialisiert. Mit moderner Technik wollen sie versuchen, mit Timmi zu kommunizieren.
3sat zeigt «Die Heimsuchung» am Dienstagabend (5.12.) zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr. Es ist eine Wiederholung aus dem Jahr 2021. Damals - zu sehen im Ersten - schalteten mehr als 4,5 Millionen Menschen ein; das war ein Marktanteil von fast 18 Prozent an jenem Abend.
Kostja Ullmann und Kristin Suckow in den Hauptrollen spielen stark. Und auch andere Darsteller wie Martin Feifel und Deborah Kaufmann als Bens Eltern kommen in der Kürze der Auftritte markant zur Geltung.
Als Thriller angekündigt, ist der Film weit mehr. Zwar inszeniert Regisseur Stephan Rick die Geschichte über weite Strecken im Dunkeln: in der Nacht, im Keller, im Krankenhausflur, wo der Reihe nach die Lichter ausgehen. Zum Finale donnert und blitzt es.
Doch zum Ende hin hat der Film ein, zwei sehr überraschende Wendungen und auch mysteriöse Elemente. Das dürfte die einen ratlos zurücklassen, andere könnte die Experimentierfreude begeistern.
Rick hat im Cinemascope-Breitbild-Format drehen lassen und dann links und rechts das Bild abgeschnitten. «Der Effekt, der entsteht, ist, dass alles in der Mitte des Bildes scharf ist, zu den Rändern hin immer weicher und unschärfer wird», erläutert er im Presseheft. «Dadurch wird der Blick des Zuschauers noch stärker fokussiert, gleichzeitig bekommen die Bilder etwas Zeitloses in ihrer Ästhetik.»
Zudem springt der Film zwischen Hier und Jetzt sowie Rückblenden aus Bens Kindheit. Hier sieht man ihn mit Timmi mit Ferkeln, die sie nach Spielern aus dem Kader der Fußball-Nationalmannschaft von 1998 benennen: Berti, Andy, Icke, Jürgen - «die glorreichen Zwölf».
Nun, Jahre später, versucht Ben Timmi mit diesen Erinnerungen aus dem Wachkoma zu holen. Dabei beschäftigt ihn sein eigenes Trauma: Statt ein entführtes Mädchen zu retten, brachte er es bis vor die Pistolen der Verbrecher. Das Kind stirbt, er überlebt dank Schutzweste.
Zum Ende hin wird die Erzählung rasant komplexer. Drehbuchautor Thorsten Wettcke wollte die «Schraube des im deutschen Fernsehen Erzählbaren (...) deutlich weiter drehen», wie er im Presseheft erklärt. Er hat die Geschichte dicht geschrieben. Teils birgt das Widersprüche, etwa in der Beziehung von Marion und Ben. Die Auflösung der Gemengelage sollte man jedenfalls nicht verpassen.