Mehr als 140 Migranten verlassen «Humanity 1»

Foto: epa/Orietta Scardino
Foto: epa/Orietta Scardino

ROM: Mehr als 140 Bootsmigranten haben das deutsche Schiff «Humanity 1» im Hafen der italienischen Stadt Catania verlassen. Das bestätigte eine Sprecherin von SOS Humanity der Deutschen Presse-Agentur am Sonntagvormittag.

Die Crew erhielt in der Nacht zu Sonntag demnach die Erlaubnis, in den sizilianischen Hafen einzufahren. Zunächst seien alle Minderjährigen von Bord gegangen. Alle männlichen Erwachsenen blieben zunächst auf dem Schiff und wurden von den Behörden einzeln medizinisch untersucht. Eine Gruppe von etwas mehr als 30 Menschen durfte das Schiff nicht verlassen. Ein Mann brach laut SOS Humanity danach zusammen und musste von Bord gebracht werden. Am Sonntagvormittag erhielt die Organisation nach eigenen Angaben die Aufforderung, den Hafen zu verlassen. Der Kapitän wies diese aber zurück und erklärte laut Mitteilung, er könne den Hafen nicht verlassen, bevor nicht alle aus Bootsmigranten von Bord gegangen seien.

Am Nachmittag erhielt auch die «Geo Barents» von Ärzte ohne Grenzen Erlaubnis, für Kontrollen in Catania einzulaufen. Die Behörden wollten prüfen, ob an Bord Frauen, Kinder oder medizinische Notfälle sind, die vom Schiff herunter geholt werden müssen. Ein Organisationssprecher sagte im TV-Sender Rainews24, Ziel sei, alle an Land zu bringen. Das Schiff lief mit 572 Menschen an Bord ein. Deshalb wurde erwartet, dass die Kontrollen mehrere Stunden andauern.

Die rechte Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verschärfte die Migrationspolitik seit der Amtsübernahme Ende Oktober, sicherte aber zu, Verletzte, Frauen und Kinder an Land zu lassen. Andere müssten auf den Schiffen bleiben. Aus Roms Sicht sind die Flaggenstaaten für die Leute an Bord verantwortlich. Bei der «Humanity 1» wäre das Deutschland.

Die Opposition Italiens erklärte, das Vorgehen der Meloni-Regierung sei gegen Prinzipien der Menschlichkeit und internationale Regularien, wie der Chef der Sozialdemokraten, Enrico Letta, twitterte. Linkspolitiker Aboubakar Soumahoro kritisierte in Catania, die Regierung trage ein politisches Spiel auf dem Rücken von Babys, Frauen und traumatisierten Menschen aus. Staatschef Sergio Mattarella solle in der Sache für die Einhaltung der Gesetze einschreiten, forderte der Politiker mit ivorischen Wurzeln.

Außenminister Antonio Tajani forderte in der Zeitung «Il Messaggero» (Sonntag), dass sich Brüssel koordiniert um eine Lösung kümmere. Es sei richtig, Kranke, Frauen und Kinder aufzunehmen. «Wir können das Mittelmeer nicht in einen Friedhof verwandeln, aber wir müssen wissen, wer an Bord ist, wo sie herkommen und aufgenommen wurden.»

Stand Sonntagnachmittag warteten noch zwei Schiffe privater Hilfsorganisationen mit geretteten Bootsmigranten an Bord an der Ostküste Siziliens darauf, Menschen an Land zu bringen: Die deutsche «Rise Above» und die «Ocean Viking» mit zusammen knapp 330 Menschen an Bord. Private Hilfsorganisationen kreuzen regelmäßig im Mittelmeer, um in Seenot geratene Migranten zu retten, die von Nordafrika Richtung EU in oft seeuntauglichen Booten ablegen.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Ingo Kerp 07.11.22 17:54
Erstaunlich ist die Tatsache, das die neue ital. Regierung die Schlepperschiffe überhaupt noch anlegen läßt. Die Forderung, das die Migranten / Wirtschaftsflüchtlinge von den Ländern übernommen werden sollten, in denen die Schiffe registriert sind, stoeßt dort nur auf taube Ohren. Seit 7 Jahren hat sich bei allen Flüchtenden eingebürgert, steigt auf irgendetwas, das dich ein paar Meter ins Meer hinaustreibt, die Gutmenschen werden mich schon auffangen. Das System funktioniert, wie man sieht, dank der 7-jährigen EU Nichteinigung bei der Flüchtlingspolitik.