Massentourismus ade

Massentourismus ade

Thailand gehörte bis Ende letzten Jahres zu den Ländern, die weltweit, bemessen an ihrer Einwohnerzahl, die meisten Touristen anlockten. Seit 2010 hatte sich die Zahl der Urlauber in diesem Land verdoppelt. Klar, diese Besucher brachten Geld ins Land und wurden von der Tourismusindustrie gehätschelt und umworben. Aber sie brachten nicht nur Geld. Sie produzierten auch Müll und verbrauchten die Ressourcen des Landes: Strom und Wasser.

Das Land wurde bestens vermarktet. Aber wenn Urlauber sich im Reiseführer die schöns­ten Plätze des Landes auswählten, um hier zur Ruhe zu kommen, wurden sie garantiert enttäuscht. Sie waren umgeben von Menschenmassen. Wo immer sie hinschauten: Müll, alte Fliesen, kaputte Toilettensitze, Mauerreste, nicht vorwiegend von Touristen, sondern von Einheimischen, von Thais, die nicht begriffen hatten, was sie dem Land mit ihren ins Gelände geschütteten Abfällen antaten. Es gab Touristen, die nach dieser Erfahrung nie wieder nach Thailand kommen wollten. Andere freuten sich auf den erträumten Urlaub unter Palmen am Meer. Was sie erwartete, war ein verdreckter Strand und verdrecktes Wasser, weil immer noch schmutzige Abwässer ungefiltert ins Meer entsorgt wurden. Taucher und Schnorchler freuten sich auf das Abenteuer unter Wasser. Aber was sahen sie? Tote Korallenriffe. Hier starb die Natur Stück für Stück und Tag für Tag. Sie fuhren hinaus auf abgelegene Inseln, aber mehr als hundert Speedboote ankerten schon am Strand. Es war eine Tortur. Sie waren froh, als sie wieder in ihren Hotels waren. Ein letzter Versuch: Koh Phi Phi. Keine Chance. Hier waren jährlich mehr als 2,5 Millionen Urlauber zusammengepfercht. Jeder wollte den James-Bond-Felsen mit einem Selfie fotografieren, damit die Nachbarn zuhause eifersüchtig werden. Andere versuchten ihr Glück in Khao Lak. Was sie dort erlebten schockierte sie. Der Tsunami, dem vor 16 Jahren Hunderttausende zum Opfer gefallen waren, war längst ausgeblendet. Der Strand wieder total zugebaut. Es gab Hinweisschilder, wie man sich bei einem erneuten Tsunami retten könnte, aber schon nach hundert Metern waren die Fluchtwege versperrt. Unfassbar, aber wahr. Es gab Urlauber, die hofften, auf dem Meer zur Ruhe zu kommen. Mittagessen in einem moslemischen Inseldorf auf Stelzen. Jährlich zehn Millionen Gäste. Reinster Kommerz. Nicht auszuhalten. Nein, für viele Urlauber war Thailand nicht mehr was es einmal war. Wie sollte es weitergehen? Die Tourismusbehörde plante, dass in Kürze fünfzig Millionen Touristen jährlich nach Thailand kommen sollten. Die Infrastruktur dieses Landes war darauf nicht vorbereitet. Schon jetzt gab es in manchen Gegenden massenweise Stromausfälle und Trinkwassernotstände. Es sah so aus, als ob eine früher sehr beliebte Urlaubsdestination dabei war, sich selbst abzuschaffen.

Die Covid-19-Pandemie hat inzwischen alles verändert. Urlauber dürfen vorerst nicht mehr ins Land. Die früheren Touristen-Hotspots können nur noch Thais erleben oder Farangs, die hier langfristig leben. Die Strände sind sauberer, auch das Meer und die Korallenriffe erholen sich wieder. Auf der anderen Seite: Massenweise Insolvenzen, leere Restaurants, Hotels und Geschäfte. Viele Menschen sind arbeitslos geworden, sind angewiesen auf Nahrungsspenden oder Hilfen vom Staat. Das Virus ist hier unter Kontrolle, aber wann dürfen Touristen endlich wieder ins Land? Vielleicht im nächsten Jahr? Vielleicht erst, wenn es einen Impfstoff gegen Covid-19 gibt? Aber niemand sollte sich etwas vormachen: So wie es war wird es nie wieder sein. Das Virus hat die Welt für immer verändert.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Ling Uaan 05.10.20 20:07
Hallo Khun @Frank Kleiber,
das kann getopped werden: in Barcelona wartete man früher 6 bis 8 Stunden um die Sagrada Familia von innen sehen zu könne.
Und das die Welt eine andere sei sagte man auch nach der Finanzkrise. Und geändert hat sich so gut wie nichts, im Gegenteil es ist sogar noch schlimmer geworden. Das Casino hat längst wieder geöffnet.

Norbert K. Leupi 05.10.20 15:52
Nach wie vor...Herr Jürgen Franke
das Reiseland NR.1 bleiben wird ! Lieber Jürgen , das hast Du jetzt aber wirklich sehr diskret beschrieben ! Hervorzuben ist vorallem ,dass DU die wahren Gründe des Thailand-Besuchs nicht speziell erwähnt hast ! " Gefällt mir " !
Francis Light 05.10.20 15:07
@Jürgen Franke
Genau so sehe ich das auch, Gelddruckmaschine, in gewissen Masse nachvollziehbar, man kanns auch übertreiben. Hauptprobleme: übermässiges zupflastern (Flächenversiegelung), Lärm (inkl. oft zu laute Musik, zuviel Strassenverkehr), Müll (natürlich auch durch Touristen). Nicht überall natürlich, aber gerade in den Touristen Hotspots.

Dass die Touristen zuviele Resourcen brauchen glaube ich nicht. Angenommen es waren 40 Mio., die im Schnitte was weiss ich 2 Wochen bleiben, dann sinds soviele wie 40Mio/(52/2), wie wenn etwas übers Jahr 1,5 Mio. mehr im Land sind, also zusätzlich zu den 69,5 Mio. wären es dann 71 Mio. Dies würde das Kraut auch nicht mehr fett machen. Sicher werden die 40 Mio. Touristen im Schnitte etwas mehr Resourcen verbrauchen als der Durchschnittsthailänder.
Juergen Siegfried 05.10.20 12:52
Massentourismus....
Ein Artikel der die traurige Realität in diesem Land wiederspiegelt. Genauso sieht es aus. Die Infrastruktur des Landes war und ist auf solchen Massentourismus nicht eingerichtet. Sehenden Auges wurden Ressourcen verschwendet. Die sprudelnden Einnahmen wurden kaum genutzt um die Infrastruktur (Abfall,Wasser/Abwasser, Umwelt, Strom usw.) zu verbessern. Sicher gibt es nicht nur negatives.
@L.P.Schwendener...da haben Sie schon recht. Sie schreiben : ,es gibt auch eine ganze Reihe sehr schönes und positives hier''. Die Frage ist nur wie lange noch...! Die zunehmende ,Vermüllung" der Umwelt, Ignoranz und Geldgier werden nach der Öffnung für Touristen wieder bestimmend sein. Ein ,zukunftsorientierter' Tourismus bleibt sicher Wunschdenken solange es auch Regierung und Bevölkerung an Umweltbewusstsein und Weitsicht mangelt. Leider...!
Norbert K. Leupi 05.10.20 03:51
Massentourismus / Herr Ce-eff Krüger
Bei den Besucherzahlen in den verschiedenen Ländern mit Massentourismus muss ich Sie leider korrigieren ünd auch bemessen an der Einwohnerzahl stimmt Ihre Statistik nicht ! Im Jahr 2018 sah es folgendermassen aus : Platz EINS für Frankreich mit ca.65 Mil Einwohnern , Besucher (Rekord ) : 89,4 Millionen . 2. Spanien mit 82,7 Mil.Besuchern , 3 .USA mit 79,6 Mil.Touris , 4. China mit 62,9 Mil. 5. Italien mit 62,1 Mil . Thailand folgt an neunter Stelle mit 38,7 Millionen Besuchern ! Beim zweiten Teil Ihres mit der spitzen Feder verfassten Leserbriefes stimme ich Ihnen voll zu !
Francis Light 04.10.20 20:31
@Weil
Die letzte Aussage im Artikel ist genauso beliebig wie der letzte Satz in Ihrem Kommentar 12:52. Ansonsten: nichts neues im Artikel, d.h. nichts, was man nicht vorher schon gehört hatte. Eine Antwort in "Ein Hair Salon in Pjöngjang" wäre noch nett, da haben Sie den Autor angegriffen.
Louis P. Schwendener 04.10.20 20:30
Immer nur Negatives
Einmal mehr verstehe ich nicht, was der Verfasser dieses Artikels mit dieser negativen Litanei bezweckt. Mehr als die Hälfte dieses Berichtes ist eine maßlos übertriebene, zum Teil schlicht unwahre und generell sehr subjektive Aufzählung negativer Aspekte unseres Gastlandes. Wäre es tatsächlich so schlimm, so würden die Touristen bestimmt nicht mehr kommen. Dass sie im Moment nicht einreisen dürfen, hat ja offensichtlich gar nichts damit zu tun. Wir sind Gäste und alle freiwillig hier. Und dies warum wohl? also was mich betrifft, ganz einfach und klar, weil es mir hier besser gefällt als in Europa. Also bitte, Augen auf, nebst den Nachteilen gibt es auch eine ganze Reihe sehr positives und schönes hier.
Thomas Sylten 04.10.20 14:52
Das sind in der Tat wichtige Überlegungen -
und als virusgeschädigter Touristiker mit zurzeit Null Einkommen von angesparten Altersrückstellungen lebend, weiß ich wovon die Rede ist wenn es um die wirtschaftlichen Folgen für viele, allzuviele Menschen geht.

Dennoch müssen wir doch wohl alle zugeben, dass wir auch vor Corona ahnten, dass es so nicht ewig weitergehen kann. Und so sehr ich einem behutsamen Reisestil mit offenen Sinnen das Wort rede, um wirtschaftliche Anreize zum Erhalt der letzten Naturräume zu schaffen, so sehr muss zerstörerischem Massentourismus Einhalt geboten werden - auch wenn das Leuten wie mir wirtschaftlich weh tut: Das Überleben des Planeten hat definitiv Priorität, wenn es dort eng wird.

Daher hoffe ich wie der Autor, dass der gegenwärtige Reset/Break zu einem nachhaltigen Umdenken führt -
und fürchte wie mein Vorredner Mark, dass genau das nicht eintreten könnte. Was im Resultat noch viel schlimmer wäre als der jetzige Zustand..