«Man gewöhnt sich nie an Gräuel»

Frauen fotografieren Krieg

Foto: epa/Watan Yar
Foto: epa/Watan Yar

DÜSSELDORF (dpa) - Umgeben von Bomben, von Leid, von Tod: Kriegsfotografen haben einen gefährlichen Job. Frauen sind selten in dem Metier. Der Kunstpalast in Düsseldorf zeigt die Bilder von acht Fotografinnen - und erzählt ein wenig aus ihrem Leben.

Ein Bundeswehrsoldat zündet im Gebirge Kerzen an, er feiert seinen 34. Geburtstag im Einsatz in Afghanistan. In Kabul fährt ein Junge Karussell und zielt dabei mit einer Spielzeugpistole. Diese Bilder zeigen keine Panzer und Bomben und keine bis an die Zähne bewaffneten Menschen. Aber es sind eindringliche Motive aus blutigen Kriegen. Aufgenommen hat sie die deutsche Fotografin Anja Niedringhaus, die in vielen Krisengebieten gearbeitet hat. Im April 2014 wurde die mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Fotografin bei einem Einsatz in Afghanistan ermordet.

Der Kunstpalast in Düsseldorf hat 74 ihrer Fotografien angekauft. Jetzt kommen die eindrucksvollen Bilder ins Museum - zusammen mit den Arbeiten von sieben weiteren Kolleginnen in der Ausstellung «Fotografinnen an der Front. Von Lee Miller bis Anja Niedringhaus». Eigentlich fotografiert für schnelllebige Zeitungen und Magazine, sind diese Bilder teils zu Zeitdokumenten geworden. Darauf zu sehen sind Tote und Schlachten, aber vor allem die leidende Bevölkerung.

«Das ist keine leichte Kost, das ist uns bewusst», bekennt Felix Krämer, der Generaldirektor des Düsseldorfer Museums. Die Reporterfotografie sei eine bedeutende Disziplin, sagt der Museumschef. Auch in der Kriegsberichterstattung seien Meisterwerke entstanden. Das ist Grund genug, von 8. März bis zum 10. Juni die 140 Bilder, schwarz-weiß und farbig, vorzustellen.

Die Französin Christine Spengler hat oft den «richtigen» Moment eingefangen. Im nordirischen Londonderry fotografierte sie 1972 eine Horde ausgelassener Kinder, während im Hintergrund noch der Rauch einer Straßenschlacht aufsteigt. Ein Foto aus Kambodscha zeigt mit Granathülsen spielende Jungen im Mekong-Fluss. Auf einem späteren Bild kniet einer von ihnen verzweifelt vor einer Bahre mit der in Plastik verpackten Leiche seines Vaters. «Man gewöhnt sich nie an Gräuel und Ungerechtigkeit», berichtete die 1945 geborene Fotografin am Donnerstag in Düsseldorf.

Auch Françoise Demulder schickte 1976 vom Bürgerkrieg im Libanon ein Foto, das den Blick auf ohnmächtige Opfer lenkt: Eine Palästinenserin tritt in Beirut schutzlos mit ausgestreckten Armen vermummten, bewaffneten Kämpfern entgegen. Das Bild fand zunächst keine Beachtung, kam ins Archiv, es sei «nicht kommerziell genug». Doch die Wochenzeitung «Die Zeit» veröffentlichte es. Das Motiv wurde berühmt und Foto des Jahres 1977.

«Ein unglaubliches Durchsetzungsvermögen» hat Ausstellungsmacherin Felicity Korn bei den Fotografinnen entdeckt. So reiste Christine Spengler Ende der 1970er Jahre zunächst auf eigene Faust in den Iran, um über die islamische Revolution zu berichten. Anja Niedringhaus schrieb 1992 ihrem Chef sechs Wochen lang täglich einen Brief, ehe sie endlich nach Bosnien reisen durfte.

Als Pionierin kam die «Vogue»-Fotografin Lee Miller zum Ende des Zweiten Weltkriegs in die Männerdomäne. «Behandelt mich wie einen der Jungs» («Just treat me like one of the boys»), erklärte sie den amerikanischen Militärs. Das einstige Fotomodell dokumentierte mit der Kamera Elend und Schrecken: die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald, die befreiten Gefangenen teils noch in Häftlingskleidung.

Die vielfach ausgezeichnete amerikanische Fotografin Carolyn Cole hat eine auffallend ruhige, reduzierte Bildsprache. Ihre Fotos von Terror und Krieg, etwa von einem Kind mit blutdurchtränktem Verband oder von am Boden liegenden, gefesselten Gefangenen, haben eine eigene Sprache: Cole bebildert die Realität des Kriegs mit Absicht so, dass der Betrachter sich nicht abwendet. «Ich versuche, Abstand zu halten und meine Arbeit zu machen», beschreibt die Fotografin ihre Methode.

Als Künstlerinnen würden sich diese Bildjournalistinnen nicht sehen, meint Ausstellungsmacherin Korn. Und eines steht für sie auch fest: «Es gibt keinen weiblichen Blick.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.