Die schnelle Reise nach Jerusalem

​Mammut-Bahnprojekt in Israel

Foto: epa/Abir Sultan
Foto: epa/Abir Sultan

JERUSALEM (dpa) - Israel baut eine Bahnstrecke für eine schnelle Verbindung zwischen Jerusalem und Tel Aviv - und deutsche Unternehmen wirken mit. Doch das Prestigeprojekt bereitet auch nach der Eröffnung noch massive Probleme.

Leise fährt der Zug durch die hügelige Landschaft zwischen Jerusalem und Tel Aviv. Am Streckenrand sieht man immer wieder Baustellen. Arbeiter in orangenen Warnwesten stehen im Niemandsland zwischen Geröll und Sträuchern. Schließlich bleibt der Zug in einem Tunnel stehen. Ein technisches Problem, gleich geht es weiter - so die Durchsage des Zugführers. Mit 20-minütiger Verspätung fährt der Zug im neuen Bahnhof Izchak Navon in Jerusalem ein.

Fast 17 Jahre lang hat die israelische Bahngesellschaft an der Strecke gebaut, die Tel Aviv mit Jerusalem verbinden soll. Auch deutsche Firmen waren beteiligt. Die Strecke soll kurze Fahrten zwischen den beiden größten Städten und dem internationalen Flughafen Ben Gurion bieten - und helfen, massive Staus in den Ballungszentren aufzulösen. Doch selbst nach der Eröffnung einer Teilstrecke im September hakt es im Betrieb.

Mit zehnjähriger Verspätung fährt der Zug nun zumindest vom Flughafen nach Jerusalem. Doch wer nach Tel Aviv will, muss am Airport vorerst in die herkömmlichen Züge umsteigen. Fast täglich gibt es Probleme. Einige Züge blieben mehrere Stunden in Tunneln stecken, es gab technische Defekte, Verspätungen, Ausfälle.

Laut der israelischen Bahngesellschaft handelt es sich dabei «um kleinere mechanische Probleme». «Die ersten zwei Wochen nach der Eröffnung liefen reibungslos, gerade hatten wir ein paar harte Tage», sagt ein Sprecher.

Die Opposition bezeichnete das Projekt allerdings bereits als gescheitert. Der Abgeordnete Eitan Kabel von der Arbeitspartei sagte der Nachrichtenseite «Globes»: «Das Projekt ist einer der größten Misserfolge der letzten Jahre.»

Bereits 2005 war der Spatenstich für die sogenannte King-David-Linie erfolgt. 6,5 Milliarden Schekel (rund 1,54 Milliarden Euro) hat das Mammutprojekt gekostet: Neun Brücken und fünf Tunnel wurden gebaut - insgesamt 57 Kilometer Strecke. Ein großer Teil der Trasse wurde vom Bauunternehmen Max Bögl aus der Oberpfalz hergestellt. Für mehrere Abschnitte in Tunneln und auf den Brücken verrichtete der Konzern die Gleisbauarbeiten.

Als erste Strecke Israels fahren die Züge elektrisch und sollen so die alten Dieselzüge ablösen. Kilometerlange Oberleitungen wurden verlegt - mit Hilfe der Deutschen Bahn. Bis 2011 wirkte der deutsche Staatskonzern bei der Elektrifizierung mit und verrichtete «kleine Ingenieursarbeiten», so die Bahn.

Allerdings zog sich das Unternehmen 2011 als Beraterin aus dem Projekt zurück. Die Strecke führt nach Angaben der Arabischen Studiengesellschaft an zwei Stellen durch das von Israel besetzte Westjordanland und ist deshalb völkerrechtlich umstritten. Die Palästinenser beanspruchen das Westjordanland für einen eigenen Staat Palästina neben Israel.

Auch die Fahrzeuge für die Schnellstrecke sollen aus Deutschland kommen: Siemens soll nach eigenen Angaben bis 2020 insgesamt 60 Züge an die israelische Bahn liefern und ein Instandhaltungsdepot in der Küstenstadt Aschkelon bauen. Auftragsvolumen: 900 Millionen Euro.

Bereits 2001 gab die israelische Regierung grünes Licht für das Projekt. Kurz nach Beginn der Bauarbeiten sorgten allerdings Proteste von Umweltschützern für einen dreijährigen Baustopp. Die Bahn musste die Strecke neu planen. 2012 wurde der Bau fortgesetzt.

Sicherheitsbedenken sorgten jedoch für weitere Verzögerungen - die israelische Bahn engagierte den Tüv Süd für die Prüfung der Strecke. Erst Ende September 2018 wurde der erste Abschnitt freigegeben. Die Erweiterung nach Tel Aviv soll nach Angaben der israelischen Bahn in wenigen Monaten stehen. Dann sollen Reisende in weniger als 30 Minuten von Tel Aviv nach Jerusalem kommen. Bisher dauert eine Bahnfahrt mehr als 90 Minuten.

In Jerusalem endet die Strecke zurzeit am neuen Bahnhof Izchak Navon im Stadtzentrum. Der Bau aus Marmor und Granit liegt 80 Meter unter der Erde. Von dort aus soll ein weiterer Abschnitt bis zur Jerusalemer Klagemauer folgen. Der dortige Bahnhof soll nach Plänen des Transportministers nach US-Präsident Donald Trump benannt werden.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.