Maltas größter Skandal

Foto: epa/Domenic Aquilina
Foto: epa/Domenic Aquilina

VALLETTA (dpa) - Es sind dramatische Tage im kleinsten EU-Land: Malta erlebt zwei Jahre nach dem Mord an einer regierungskritischen Journalistin ein politisches Erdbeben. Über schmierige Geschäftsmänner, einen ums Überleben ringenden Regierungschef und ein Land im Ausnahmezustand.

«Mafia, Mafia», «Kriminelle», «Gerechtigkeit». Die Wut der Demonstranten bricht sich Bahn. Malta erlebt die schwerste politische Krise seit Jahrzehnten. Seit Tagen gehen Menschen in dem kleinsten EU-Land auf die Straße und protestieren gegen korrupte Politiker und einen «Mafia-Staat». Sie halten Bilder der ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia hoch. Sie verlangen Gerechtigkeit für einen Mord, dessen Aufklärung die Regierung in Valletta die letzten zwei Jahre offensichtlich verschleppt hat - wenn sie ihn nicht gar vertuschen wollte. Nun hat der Skandal die Regierung voll erfasst und droht Premierminister Joseph Muscat zu stürzen.

Caruana Galizia wurde im Oktober 2017 mit einer Autobombe in der Nähe ihres Hauses auf der kleinen Mittelmeerinsel in die Luft gesprengt. Sie hatte in ihrem Blog Korruption und Vetternwirtschaft in Politik und Wirtschaft des Landes angeprangert und zu den sogenannten «Panama Papers» recherchiert. Zwar wurden drei Männer angeklagt, den Mord ausgeführt zu haben. Doch wer hat ihnen den Befehl gegeben? Wer war der Drahtzieher? Seit zwei Jahren war kaum etwas passiert, das zur Aufklärung der Frage beigetragen hätte. Nun hat ein politisches Beben begonnen - zumindest ein Hintermann könnte entlarvt werden.

Vor gut zwei Wochen legte ein Taxifahrer in dem Fall eine Spur, die mittlerweile mehrere Köpfe in der Regierung rollen ließ. Im Zentrum steht der Unternehmer Yorgen Fenech, der am Samstag einer Mittäterschaft beschuldigt und angeklagt wurde. Der kahlköpfige, zigarettenrauchende Mann mit Sonnenbrille war auf einer Luxusjacht festgenommen worden, als er angeblich flüchten wollte. Er wollte Straffreiheit gegen Informationen zu dem Mord eintauschen - ein Wunsch, den ihm die Regierung allerdings verwehrte. Er beteuert seine Unschuld.

Fenech ist Direktor eines Konsortiums, das 2013 von der Regierung einen Auftrag erhalten hatte, ein Gaskraftwerk zu bauen. 2018 kam heraus, dass ihm auch eine geheime Offshore-Gesellschaft namens «17 Black» gehörte. Caruana Galizia hatte Monate vor ihrem Tod über «17 Black» geschrieben.

Fenech will offenbar wissen, dass auch der damalige Kabinettschef des Premiers, Keith Schembri, in den Mord verwickelt ist. Schembri wurde mittlerweile auch festgenommen, dann aber wieder frei gelassen. Er beteuert seine Unschuld, aber die Empörung ist riesig. «In dieser unglaublichen Woche der Gerechtigkeit für meine Mutter tauchen immer mehr Beweise auf, dass die mächtigste Figur in der maltesischen Regierung an ihrer Ermordung beteiligt war und die Position nutzte, den Mord zu vertuschen», twitterte Sohn Andrew Caruana Galizia.

Auch zwei Minister stolperten schon über die Affäre: Tourismusminister Konrad Mizzi und Wirtschaftsminister Chris Cardona. Die Enthüllungsjournalistin hatte unter anderem Schembri und Mizzi bezichtigt, Schmiergelder von Fenech angenommen zu haben. Dabei ging es um den Bau des Gaskraftwerks, an dem Fenech Anteile hält.

In dem unaufhaltsamen Strudel der Enthüllungen könnte nun auch Muscat stürzen. Erst vor wenigen Wochen hat er eine unabhängige Untersuchung des Falls angekündigt - auch nachdem der internationale Druck immer größer geworden war.

Die Stimmung im Volk ist gekippt. Immer mehr Menschen fordern seinen Rücktritt. «Die Politik ist auf dem tiefsten Punkt angekommen. Wir hatten gute und schlechte Premierminister, aber niemals eine Regierung, die in einen Auftragsmord verwickelt war», sagt Autor Manuel Delia der Deutschen Presse-Agentur, der ein Buch über den Fall geschrieben hat und bei den Protesten auftritt. «Malta hat international so einen schlechten Ruf wie nie zuvor.»

Muscat war einst der Sunnyboy, der Malta mit seinen knapp 500 000 Einwohnern einen Wirtschaftsboom verschafft hat. Seine Labour-Partei hat mit ihm an der Spitze keine Wahl verloren. Seit sechseinhalb Jahren ist er Regierungschef und wurde bei vorgezogenen Neuwahlen 2017 mit großer Mehrheit im Amt bestätigt - obwohl damals Korruptionsvorwürfe gegen ihn und seine Frau aufgekommen waren. Doch mit dem Mord an Caruana Galizia verlor Muscat an Glanz.

Die Krise werde nun auch Auswirkungen auf Tourismus und Investitionen haben, da das Vertrauen in das Land flöten gegangen sei, sagt Delia. Auch die Behörden seien alles andere als unabhängig. «Die Polizei ist komplett kontrolliert von der Regierung.»

Am Montag wollen Beobachter des Europaparlaments nach Malta reisen. «Endlich. Dieser Sumpf aus Korruption und Finanzverbrechen muss nun ein Ende haben», erklärte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold, der die mangelnde Aufarbeitung seit Jahren kritisiert.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hatte schon zum zweiten Jahrestag des Mordes der Regierung und den Behörden Maltas skandalöse Verfehlungen vorgeworfen. Es sei schockierend, dass bis heute niemand für die Tat zur Rechenschaft gezogen worden sei, erklärte Geschäftsführer Christian Mihr im Oktober. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht das Land auf Platz 77 von 180 Staaten. In den vergangenen zwei Jahren ist Malta um 32 Plätze gefallen. In der EU stehen nur Ungarn und Bulgarien schlechter da.

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Jürgen Franke 01.12.19 23:40
Die Korruption ist leider weltweit
ein Krebsgeschwür und ist offesichtlich unheilbar. Überall auf der Welt wird versucht, mit Geld Einfluß und Macht zu gewinnen.
Oliver Harms 01.12.19 17:26
Die Polizei in Deutschland genau so!
Die machen auch nur das was die Politruks anordnen.
Nur ein Beispiel von vielen ist das befohlene verschleiern von Straftaten durch
Fachkräfte aus Afrika.

Was Malta angeht,so kann jeder sich dort mit ausreichenden Finanzmitteln die Staatsbürgerschaft(Oligarchen aus der ex UDSSR und andere Verbrecher tätigen dieses in Massen) kaufen und hat da mit freien Zugang zum Narrenschiff Europa.
Das kommt halt da bei raus,wenn man aus strategischen und politischen Gründen jedes noch so ungeeignete Land in die EU holen muss.