Madrid in Bedrängnis: «Nur Ja heißt Ja»

Auf dem Dach des Gebäudes des Obersten Gerichtshofs in Madrid weht eine spanische Flagge. Foto: epa/Javier Lizón
Auf dem Dach des Gebäudes des Obersten Gerichtshofs in Madrid weht eine spanische Flagge. Foto: epa/Javier Lizón

MADRID: Nach der jüngsten Verschärfung des Sexualstrafrechts sind in Spanien auch Abmilderungen bereits verhängter Strafen generell möglich. Das teilte das Oberste Gericht am Dienstag in Madrid mit. Grund dafür ist, dass das Mindeststrafmaß im neuen Gesetz in einigen Fällen niedriger ist. Die Gerichte müssten aber jeden Fall einzeln prüfen, die Strafmilderungen könnten «nicht generell» beschlossen werden, hieß es in der Mitteilung des «Tribunal Supremo» (TS).

Die unerwarteten Folgen des «Nur Ja heißt Ja»-Gesetzes bringen die linke Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez in Bedrängnis. Das im Oktober in Kraft getretene Regelwerk, das eigentlich die Verurteilung von Sexualstraftätern erleichtern sollte, hatte in den vergangenen Wochen mehrere umstrittene Einzelurteile nach sich gezogen. Mehrere Gerichte revidierten die Strafen für bereits verurteilte und inhaftierte Sexualverbrecher und reduzierten auf Anträge der Anwälte das Strafmaß. Drei Sexualstraftäter kamen dadurch früher als erwartet frei.

Gleichstellungsministerin Irene Montero hatte den Richtern, die die Strafmilderungen beschlossen hatten, «Machismus» vorgeworfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte gemeint, eine Gesetzesänderung dürfe Verurteilte nicht begünstigen, wenn die Dauer der zuvor verhängten Strafe auch nach dem neuen Text gelte. Das TS widersprach nun beiden und urteilte, Sexualstraftäter, die vor der Gesetzesänderung zu einer Mindeststrafe verurteilt worden seien, könnten in Fällen, in denen heute ein geringeres Mindeststrafmaß gelte, eine Urteilsrevision erhalten.

Einige Minister wollen inzwischen eine Reform von «Nur Ja heißt Ja» nicht mehr ausschließen. Doch eine Reform, die einige Zeit in Anspruch nehmen würde, könnte weder vorzeitige Entlassungen verhindern noch diese später annullieren - denn Gesetzesänderungen gelten nicht rückwirkend, wenn sie den Verurteilten benachteiligen.

Das neue Gesetz stellt unter anderem «einschüchternde» Komplimente sowie die Verbreitung von Sexvideos unter Strafe. Mit ihrem Vorstoß hatte die Regierung auf mehrere Fälle von Gruppenvergewaltigungen reagiert, bei denen die Täter mit relativ milden Strafen davongekommen waren. Montero hatte gesagt, der «Vergewaltigungskultur» werde damit ein Ende bereitet.

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