Macron will europäischer Gestalter sein

zweite Amtszeit mit Hürden

Französischer Präsident Emmanuel Macron. Foto: epa/Christophe Petit Tesson
Französischer Präsident Emmanuel Macron. Foto: epa/Christophe Petit Tesson

PARIS: Zum Jahresbeginn und Start der französischen EU-Ratspräsidentschaft hatte Präsident Macron sich die Wiederwahl wohl leichter vorgestellt. Nun kämpft er nach Verlust der absoluten Parlamentsmehrheit mit Hürden - sein europäischer Gestaltungswille aber ist ungebrochen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hält es im August wie viele Landsleute und steckt an der Küste die Füße in den Sand. Entspannt im Paddelboot ließ er sich an der Côte d'Azur nahe der präsidialen Sommerresidenz fotografieren. Dabei arbeitet der im Frühjahr wiedergewählte Präsident auch im Urlaub weiter, denn 100 Tage nach dem Start der zweiten Amtszeit häufen sich für den 2017 als Jungstar und Überflieger gestarteten Staatschef Baustellen und Probleme. Ein Schwerpunkt für Macron bleibt die internationale und europäische Bühne. Konnte der Franzose dort die Führungsrolle von Angela Merkel übernehmen - und wie läuft es mit Kanzler Olaf Scholz?

Zwar half die französische EU-Ratspräsidentschaft Macron im ersten Halbjahr, sich als Macher, Ideengeber und Vermittler in der Ukraine-Krise zu profilieren. In die Präsidentschaftswahl im April und die Parlamentswahl im Juni stieg er aber im Rückblick zu spät und zögerlich ein - mit gravierenden Folgen. Die Wiederwahl gelang ihm angesichts der erstarkten Rechtsnationalistin Marine Le Pen als Rivalin knapper als erwartet, und im Parlament büßte der Liberale die absolute Mehrheit ein. Nun muss sein Lager dort Regierungsvorhaben in zähen Debatten gegen eine Opposition aus einem neuen Linksbündnis und rechten Parteien durchboxen.

Dabei geht es um die Inflation und die Energiekrise, und bewältigt werden müssen auch der Versorgungsnotstand in öffentlichen Kliniken, Mängel im Schulwesen sowie die Klimakrise mit Dürre und Waldbränden. Außerdem will Macron seine aufgeschobene, umstrittene Rentenreform angehen.

Durchwachsen fällt aus Sicht vieler eine erste Bilanz der zweiten Amtszeit aus. Zu lange habe Macron mit der Ernennung der neuen Premierministerin Élisabeth Borne und der neuen Regierung gewartet, heißt es. Zudem sei der künftige Regierungskurs noch immer nicht klar - und trotz milliardenschwerer Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft kündigen sich bereits Straßenproteste nach Ferienende an.

Macron scheint aber von seinem Anspruch als europäischer Gestalter auch in seiner zweiten Amtszeit nichts verloren zu haben. Unlängst setzte er beim EU-Gipfel seine Idee einer neuen «europäischen politischen Gemeinschaft» durch, an der ihm zufolge europäische Partner von der Ukraine bis hin zu Island beteiligt sein können.

Nach dem Abschied von Kanzlerin Angela Merkel aus der Politik wurde schnell spekuliert, Macron werde die neue Führungsrolle in der EU übernehmen. Tatsächlich aber scheint es zumindest öffentlich derzeit nicht den einen tonangebenden Kopf auf dem Brüsseler Parkett zu geben.

Kanzler Olaf Scholz hat sich da zuletzt genauso wenig hervorgetan wie sein französischer Kollege - obwohl viele Deutschland allein wegen seiner Größe und wirtschaftlichen Stärke als natürlichen Anführer sehen. Doch Scholz ist niemand, der gewagte oder kreative Ideen öffentlich vertritt, bevor er hinter den Kulissen ausreichend Unterstützung organisiert hat. Stattdessen betont er stets, wie wichtig es sei, sich etwa in der Reaktion auf den russischen Krieg in der Ukraine innerhalb Europas abzustimmen.

In einer Frage sind jedoch weder Macron noch Bundeskanzler Olaf Scholz vorangegangen, sondern eher Polen und die baltischen Staaten: dem EU-Beitrittskandidatenstatus für die Ukraine. Dann setzten sie Mitte Juni jedoch gemeinsam ein starkes Zeichen und reisten mit dem damaligen Ministerpräsidenten Italiens Mario Draghi nach Kiew. Zusammen ebneten Scholz und Macron den Weg für eine historische Entscheidung, die Aufnahme der Ukraine in den Kreis der Kandidatenländer.

Im Vergleich zu Macron ist Scholz jedoch der Zögerlichere. Macron kam dabei zupass, dass Frankreich bis Ende Juni den Vorsitz der EU-Staaten innehatte und die europäische Agenda ein Stück weit bestimmen konnte. In den letzten Tagen unter französischer Präsidentschaft wurden noch etliche Themen abgeräumt: Es gab etwas Fortschritt in der Asylpolitik, bei einem jahrelang blockierten Gesetz zum Austausch elektronischer Beweise ging es voran und die EU-Staaten einigten sich mit dem Parlament auf schärfere Sicherheitsregeln zum Schutz kritischer Infrastruktur etwa vor Cyberattacken und Naturkatastrophen.

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