Macron und die Frauen - Wut über neue Regierung

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (R) nimmt an einer Videokonferenz teil. Foto: epa/Christophus Ena
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (R) nimmt an einer Videokonferenz teil. Foto: epa/Christophus Ena

PARIS: Einen Neustart - das kann eine Regierungsumbildung mit sich bringen. Oder aber: Man macht alles noch viel schlimmer. Diesen Eindruck zumindest haben viele Frauen in Frankreich. Die neue Regierung finden sie «offen anti-feministisch». Rolle rückwärts in Frankreich?

In Frankreich hört man dieser Tage das Wort «Ohrfeige» oft. Vor allem Frauen nehmen es in den Mund, wenn sie auf die neue Regierung schauen. Die sei eine «gewaltige Ohrfeige» von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für all jene, die gegen sexuelle Gewalt kämpften, findet Frankreichs ehemalige Gleichstellungsministerin Laurence Rossignol. Mit dieser Meinung ist sie nicht allein. Das Portal Politico fragt gar: Hat Macron ein Frauen-Problem?

Das neue Kabinett war vergangene Woche vorgestellt worden - das neue Team soll eigentlich ein Neustart für Macron sein. Im Fokus der Kritikerinnen stehen nun aber besonders zwei Männer: Innenminister Gérald Darmanin und Justizminister Éric Dupond-Moretti. Gegen ersteren wird wegen Vergewaltigungsvorwürfen ermittelt, letzterer ist in der Vergangenheit nicht unbedingt als Feminist aufgefallen. Im Gegenteil - er gilt in Frankreich als Vertreter der Anti-#MeToo-Fraktion.

Ende Juni sah es auf den ersten Blick noch so schön aus - bei den Kommunalwahlen schienen Frauen die großen Gewinnerinnen zu sein. Ob Paris, Straßburg, Lille, Marseille oder Nantes - in vielen großen Städten des Landes sind Frauen als Bürgermeisterinnen gewählt oder wiedergewählt worden. Recht sicher schien schon damals, dass Macron seinen Premier schassen würde - und viele hofften nun auf eine Frau. Doch dann kamen der neue Premier und die neue Regierung. Und jeder, der auf einen lang ersehnten Kulturwandel hoffte, wurde bitter enttäuscht.

Da sind zum einen die Personalien Darmanin und Dupond-Moretti. Den Fall Darmanin hatte die Justiz zunächst zu den Akten gelegt. Ein Gericht kippte die Entscheidung, der Vergewaltigungsvorwurf muss jetzt erneut geprüft werden. Er geht auf das Jahr 2009 zurück. Eine Frau wirft dem heute 37-jährigen Darmanin vor, damals von ihm zum Sex als Gegenleistung für rechtliche Unterstützung gezwungen worden zu sein. Ihre Klage reichte sie 2017 ein, Darmanin bestreitet die Vorwürfe.

Seit seiner Amtseinführung kommt es immer wieder zu Protesten - Tausende gehen auf die Straße. Seitdem werden der neue Premier, der Regierungssprecher und Darmanin selbst nicht müde, zu betonen, dass auch für den Innenminister die Unschuldsvermutung gelte. «Er wird die hierarchische Autorität der Polizeibeamten sein, die seinen Fall untersuchen werden. Das ist es, was beunruhigend ist», monierte die frühere französische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal.

Die ehemalige Gleichstellungsministerin Marlène Schiappa verteidigte Darmanin unterdessen und verwies darauf, dass der Fall von der Justiz bereits zu den Akten gelegt worden war. «Ich hätte nie zugestimmt, mit einem Mann zu arbeiten, der der Vergewaltigung für schuldig befunden wurde», sagte sie. Schiappa ist in der neuen Regierung Ministerin unter Darmanin.

Die Ernennung des Staranwalts Dupond-Moretti zum Justizminister sehen Frauenrechtsorganisationen ebenso kritisch. Der 59-Jährige erklärte 2019 in einem Interview etwa über Frauen, die Rollen nur gegen Sex bekämen: Das sei keine Vergewaltigung, sondern eine «promotion canapé», eben die Besetzungscouch. Die MeToo-Debatte sei zwar wichtig gewesen, aber es gebe auch «Verrückte», die Mist über Männer erzählten.

Doch die Kritik am neuen Kabinett endet nicht bei Darmanin und Dupond-Moretti. Zwar gibt es zahlenmäßig mehr Frauen im Kabinett. Die wichtigen Ressorts gingen aber mehrheitlich an Männer. Von den großen Ministerien sind lediglich die Resorts Umwelt, Verteidigung und Arbeit in Frauenhand. «Es ist schon lange her, dass eine Regierung so offen anti-feministisch war», kritisiert die Feministin Caroline De Haas.

Der 55 Jahre alte Regierungschef Jean Castex hat, wie es sich für einen Pariser Politiker gehört, die Kaderschmiede Ena besucht. Er ist die Art von Politiker-Typ, die das System seit Jahrzehnten reproduziert - und verkörpert alles andere als einen Aufbruch.

Und bei den viel gefeierten Kommunalwahlen gab es zwar medial wirksame Erfolge für die Frauen, ein Blick auf die Zahlen zeigt aber: Nur etwa 20 Prozent der gewählten Bürgermeister sind Frauen. Das ist zwar etwas besser als nach der letzten Kommunalwahl - doch von Parität noch sehr weit entfernt. Und vor allem Linke und Grüne haben Frauen an vorderster Front ins Rennen geschickt.

Trotzdem könnte es das Schicksal so wollen, dass es Macron bei den Präsidentschaftswahlen mit mächtigen Frauen zu tun bekommt. Da ist natürlich seine Dauerfeindin, die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Auch ihrer Nichte Marion Maréchal werden immer wieder Ambitionen nachgesagt - die diese aber dementiert.

Und dann ist da noch die Sozialistin Anne Hildago, die gerade erst mit Unterstützung der Grünen wieder zur Pariser Bürgermeisterin gewählt worden ist. Sie könnte vor allem dann richtig erfolgreich sein, wenn sich Grüne und Linke zu einem Lager zusammenschließen - und sich auf Hidalgo als Kandidatin einigen. Dafür müssten aber einige gewichtige Männer zurückstecken - was viele für wenig wahrscheinlich halten.

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Leserkommentare

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Norbert Kurt Leupi 12.07.20 23:22
Macron und die Frauen
Das Portal Politico fragte Macron ob er Frauen-Probleme habe ? Nein , betonte er , aber seit seine Frau , la Première Dame , Rentnerin sei , schaue sie lieber ins Fotoalbum als in den Spiegel ! 555