Morrison löst Turnbull als Premier ab

Australiens neuer Premier Scott Morrison. Foto: epa/Efe/LUKAS COCH
Australiens neuer Premier Scott Morrison. Foto: epa/Efe/LUKAS COCH

CANBERRA (dpa) - Mit dem Sturz ihrer Premierminister haben Australiens Parteien Routine. Doch dieses Mal verkalkuliert sich die konservative Rechte böse. Nachfolger von Malcolm Turnbull wird überraschend Scott Morrison. Manche reden nun von «Dschungelcamp».

Australien hat schon wieder einen neuen Premierminister - den fünften innerhalb von zehn Jahren. Bei einer Kampfabstimmung um die Nachfolge von Malcolm Turnbull setzte sich am Freitag in der Liberalen Partei der bisherige Schatzkanzler Scott Morrison durch. Zuvor hatte das konservative Lager den als gemäßigt geltenden Regierungschef Turnbull gestürzt. Der eigentliche Plan, den bisherigen Innenminister Peter Dutton - einen konservativen Hardliner - zum neuen Premier zu machen, scheiterte jedoch.

Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte Morrison zur Amtsübernahme und wünschte ihm «eine sichere Hand». In ihrem Schreiben am Freitagabend hob Merkel die Partnerschaft Deutschlands und Australiens hervor. «Ich wünsche mir, dass wir diese für beide Seiten wertvolle Zusammenarbeit weiter pflegen und ausbauen», schrieb die Kanzlerin. «Ich freue mich darauf, mit Ihnen die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern fortzusetzen.»

In Australien steht 2019 die nächste Parlamentswahl an. Die Labor-Opposition liegt in allen Umfragen vorn.

Mit Turnbulls Sturz nach nicht einmal drei Jahren ging in der Hauptstadt Canberra eine bitter-böse Woche zu Ende. Noch vor der Vereidigung rief Morrison seine Partei auf, jetzt wieder zusammenzustehen. Der 50-Jährige versprach: «Wir werden die Stabilität und Einigkeit liefern, die das australische Volk von seinen Anführern verlangt.»

Morrison gilt als deutlich konservativer als sein Vorgänger Turnbull (63), aber gemäßigter als Dutton. In seiner Zeit als Einwanderungsminister hatte er sich durch eine harte Linie gegen Flüchtlinge einen Namen gemacht. Im Unterschied zu Turnbull stimmte der gläubige Christ auch gegen die «Ehe für alle».

Wenige Monate vor der Parlamentswahl rückt Australiens große konservative Regierungspartei damit weiter nach rechts. In den letzten Monaten hatten immer wieder Abgeordnete gegen Turnbulls verhältnismäßig moderaten Kurs aufbegehrt - auch, weil sie um ihre Mandate fürchten. Zuletzt ging es dabei um Klimaschutzziele, die der Premier Anfang der Woche zurücknehmen musste.

Das konservative Lager zettelte dann eine Revolte an - mit dem Ziel, Dutton (47) ins höchste Regierungsamt zu bringen. Dabei verrechneten sich Turnbulls Gegner jedoch böse.

Zwar gelang im zweiten Anlauf der Sturz des Premiers. Turnbull, der am Dienstag eine Kampfabstimmung gegen Dutton noch gewonnen hatte, musste erkennen, dass er im eigenen Lager keine Mehrheit mehr hat. Daraufhin erklärte er seinen Rücktritt.

In der entscheidenden Abstimmung der Fraktion verlor der Ex-Polizist Dutton dann aber mit 40 zu 45 Stimmen gegen Morrison, der als «Sozial-Konservativer» gilt. Außenministerin Julie Bishop (62) war schon in der ersten Runde ausgeschieden.

In den Monaten bis zur Wahl muss Morrison nun versuchen, die Partei wieder zu einen. Der Machtkampf hat viele Gräben aufgerissen. Dutton versicherte dem neuen Premier bereits «absolute Loyalität». Mit Interesse wird nun erwartet, ob sich der Erzkonservative auch ins Kabinett einbinden lässt. Vermutet wird eher, dass er draußen bleibt.

Mit 47 Jahren ist Dutton jung genug, um zu warten. Seine Stunde könnte schlagen, wenn die Liberalen die nächste Parlamentswahl verlieren und Morrison abtreten muss. Möglicherweise wird die Wahl auch früher stattfinden als im Mai.

In allen Umfragen liegt derzeit Labor unter Oppositionsführer Bill Shorten vorn. Zudem regieren die Liberalen gemeinsam mit der Nationalen Partei mit einer einzigen Stimme Mehrheit. Diese könnte auch schon früher kippen: Turnbull will als Ex-Premier nicht mehr im Parlament sitzen. Damit gäbe es in seinem Wahlkreis eine Nachwahl. Gewinnt Labor, ist die Mehrheit dahin.

Trotz seines bitteren Abschieds hatte Turnbull zumindest in einer Sache Erfolg: den Aufstieg seines ärgsten Gegners Dutton zu verhindern. Aus seiner Zufriedenheit machte er auch keinen Hehl. «Die Aufständischen wurden nicht belohnt», sagte er.

Der Sturz des eigenen Premiers ist in Australien aber keine Besonderheit der Konservativen. Seit 2007 hat kein einziger Premier mehr eine volle Amtszeit durchgehalten. Auch Labor hat seither zwei Mal die eigene Spitze abserviert.

Canberra hat inzwischen den Ruf als «Putsch-Hauptstadt». Manche vergleichen die dortigen Zustände auch gern mit einem Dschungelcamp. Das eigentliche «Dschungelcamp», wo RTL und andere TV-Sender ihre Promi-Shows drehen, liegt zwar ebenfalls in Australien - aber tausend Kilometer weiter.

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