Machtvakuum in Lima: Peru steht ohne Staatschef da

Die peruanische Präsidentschaft, die den Interimspräsidenten Manuel Merino zeigt, während er während einer Botschaft an die Nation in Lima seinen Rücktritt von seinem Amt ankündigt. Archivfoto: epa/Presidentschaft von Peru HANDOUT
Die peruanische Präsidentschaft, die den Interimspräsidenten Manuel Merino zeigt, während er während einer Botschaft an die Nation in Lima seinen Rücktritt von seinem Amt ankündigt. Archivfoto: epa/Presidentschaft von Peru HANDOUT

LIMA: Keine Woche hat die Präsidentschaft von Manuel Merino in Peru gehalten. Die brutale Reaktion der Polizei auf Proteste gegen ihn führt zum Rücktritt der gesamten Übergangsregierung. Einen Nachfolger Merinos gibt es wegen Uneinigkeit des Parlaments nicht.

Inmitten der Corona-Krise steht Peru ohne Staats- und Regierungschef da. Nach dem Rücktritt von Übergangspräsident Manuel Merino konnte sich die Abgeordneten im Kongress von Lima in der Nacht auf Montag nicht auf einen Parlamentsvorstand einigen. Das Gremium wäre dafür zuständig, einen neuen Übergangspräsidenten für das südamerikanische Land zu bestimmen. Noch am Montag (Ortszeit) wollte das Parlament zu weitere Beratungen zusammenkommen, um einen Ausweg aus der Krise zu finden.

Das Machtvakuum trifft Peru zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Der Andenstaat hat in der Corona-Krise eine der höchsten Sterblichkeitsraten weltweit. Zudem leidet das Land extrem unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für das laufende Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftskraft um 13,9 Prozent.

Merino war am Sonntag nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt am Sonntag zurückgetreten. Seit der Absetzung seines Vorgängers Martín Vizcarra durch das Parlament am vergangenen Montag hatte es jeden Tag größer werdende Proteste gegen das aus Sicht der Demonstranten undemokratische Vorgehen des Kongresses gegeben. Die Polizei ging hart dagegen vor - am Samstag kamen dabei mindestens zwei Männer ums Leben. Viele weitere Demonstranten wurden verletzt.

Der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa sagte in einem Internet-Video: «Zwei junge Menschen sind absurderweise, dumm und ungerechtfertigt von der Polizei geopfert worden. Es ist unbedingt nötig, dass diese Repression aufhört - sie richtet sich gegen ganz Peru, denn ganz Peru demonstriert.» Menschenrechtler und die örtliche Vertretung der Vereinten Nationen warfen den Einsatzkräften übermäßige Gewalt gegen Demonstranten und Journalisten vor.

Die Zeitung «El Comercio» berichtete, Polizisten hätten unerlaubt auch mit Glaskugeln geschossen. Nach Angaben der Nationalen Koordinierungsstelle für Menschenrechte wurden sechs Demonstranten noch immer vermisst. Die Generalstaatsanwaltschaft leitete wegen des Todes der beiden Demonstranten Ermittlungen gegen Merino, Ex-Ministerpräsident Ántero Flores-Aráoz und Ex-Innenminister Gastón Rodríguez ein. Geprüft werde, ob die Politiker für Tötungsdelikte, Amtsmissbrauch und Entführung verantwortlich seien.

Vizcarra war wegen «dauerhafter moralischer Unfähigkeit» vom Parlament am Montag vergangener Woche des Amtes enthoben worden. Ihm wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Gouverneur der Region Moquegua von einer Baufirma umgerechnet etwa 533.000 Euro Bestechungsgeld angenommen zu haben. Der parteilose 57-Jährige weist dies zurück. Am Dienstag hatte dann Parlamentspräsident Merino das Amt des Übergangspräsidenten übernommen und ein neues Kabinett gebildet.

Vizcarra war in seiner Amtszeit immer wieder mit dem Kongress aneinander geraten. Er warf den Parlamentariern vor, seine Bemühungen im Kampf gegen die Korruption auszubremsen. Viele Abgeordnete stemmten sich gegen ein hartes Vorgehen gegen Korruption, um die eigenen Pfründe zu schützen, sagte er. Gegen etwa die Hälfte der Parlamentarier wird wegen verschiedener Vergehen ermittelt. Im April stehen in dem Andenstaat Präsidenten- und Parlamentswahlen an.

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