Neue Regierung im Krisenland Libanon gebildet

Machtkampf beendet 

Der libanesische Premierminister Najib Mikati (R) trifft sich mit Präsident Michel Aoun im Präsidentenpalast in Beirut. Foto: epa/Dalati Und Nohra Handout
Der libanesische Premierminister Najib Mikati (R) trifft sich mit Präsident Michel Aoun im Präsidentenpalast in Beirut. Foto: epa/Dalati Und Nohra Handout

BEIRUT: Kein Benzin, kein Strom, keine Medikamente: Der Libanon leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise. Auf das Kabinett wartet eine gewaltige Aufgabe. Das Ausland will nur unter Bedingungen helfen.

Nach einem monatelangen Machtkampf steht im krisengeschüttelten Libanon die neue Regierung. Ministerpräsident Nadschib Mikati und Staatschef Michel Aoun einigten sich am Freitag auf ein neues Kabinett. Der neue Regierungschef sagte zu, mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um den Libanon aus der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise zu führen. Die Lage des Landes sei «sehr schwer», erklärte Mikati in einer emotionalen ersten Ansprache. «Ich hoffe, dass wir den Zusammenbruch stoppen. Wir arbeiten zusammen, um den Libanon in Wohlstand zurückzuführen.»

Auf den 1955 geborenen Mikati sowie die anderen Mitglieder des Kabinetts wartet eine schwierige Aufgabe. Das Land am Mittelmeer erlebt seit fast zwei Jahren die schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Rund drei Viertel der Bevölkerung lebt mittlerweile in Armut. Die libanesische Lira hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Zudem leidet das Land unter einer schweren Versorgungskrise. So fehlen lebenswichtige Medikamente und Treibstoff zur Stromerzeugung, so dass es nur wenige Stunden am Tag Strom gibt. Vor Tankstellen bilden sich regelmäßig lange Schlangen.

Hinzu kommt eine schwere politische Krise. Viele Libanesen haben ihr Vertrauen in die politische Elite völlig verloren. Sie werfen ihr Korruption und Selbstbereicherung vor. Vor rund zwei Jahren waren Massenproteste gegen die politische Führung ausgebrochen.

Die Explosionskatastrophe im Hafen der Hauptstadt Beirut vor mehr als einem Jahr verschärfte die Lage weiter. Damals kamen nach offiziellen Angaben mehr als 190 Menschen ums Leben, rund 6000 wurden verletzt. Die Hinterbliebenen sprechen sogar von 218 Todesopfern. Große Teile des Hafens und der anliegenden Wohngebiete wurden zerstört. Die Detonation soll durch große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein, die über Jahre ungesichert im Hafen gelagert wurden. Die genauen Umstände sind noch immer unklar.

Die bisherige Regierung erklärte kurz nach der Explosion ihren Rücktritt. Seitdem verhinderten Rivalitäten zwischen den führenden politischen Kräften die Bildung eines neuen Kabinetts. Trotz der schweren Wirtschaftskrise war das Land über 13 Monate politisch gelähmt. Zwei Politiker scheiterten mit der Regierungsbildung.

Um das Land retten zu können, ist die Regierung auf internationale Hilfe angewiesen. Deutschland, andere Länder im Westen, aber auch internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) wollen sie aber nur unterstützen, wenn sie weitreichende Reformen vor allem gegen die grassierende Korruption verabschiedet.

Das Auswärtige Amt in Berlin begrüßte die Regierungsbildung, wies aber nachdrücklich auf den Reformbedarf hin. «Jetzt ist es ganz wesentlich, dass es rasch weitere und spürbare Fortschritte gibt», teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitagabend mit. «Die Regierung steht in der Pflicht, diese Herausforderungen nun anzugehen.»

Viele Libanesen erwarten von Mikati jedoch keine tiefgreifenden Maßnahmen, weil sie ihn als Teil der alten Elite sehen, die ihre Macht mit allen Mitteln verteidigen will. Mikati ist Unternehmer und Milliardär. Er gilt als einer der reichsten Männer des Landes. Sein Geld hat er unter anderem in der Telekommunikationsbranche gemacht. Bereits 2005 und 2011 hatte Mikati eine Regierung gebildet.

Im multireligiösen Libanon ist die Macht in einem fragilen Gleichgewicht unter den Konfessionen aufgeteilt. So muss der Präsident immer ein Christ sein, der Premier ein Sunnit und der Parlamentschef ein Schiit. Besonders einflussreich ist die schiitische Hisbollah, die vom Iran unterstützt wird. Mit ihrer Miliz kontrolliert die Organisation mehrere Gebiete im Libanon.

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