Maas empfindet «tiefe Scham» für Nazi-Grausamkeit gegen Polen

Foto: epa/Andre Pain
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BERLIN (dpa) - Erstmals seit 15 Jahren nimmt wieder ein deutsches Regierungsmitglied an den Gedenkfeiern zum Warschauer Aufstand teil. Der für Polen so wichtige Jahrestag ist in Deutschland nur wenig bekannt und wird oft verwechselt.

75 Jahre nach dem Warschauer Aufstand gegen die deutschen Besatzer hat Bundesaußenminister Heiko Maas «unglaubliche Widerstandskraft der Polen» gegen die Grausamkeit der Nazis gewürdigt. «Für das, was Polen von Deutschen und in deutschem Namen angetan wurde, kann man nur tiefe Scham empfinden», sagte Maas nach einem Gespräch mit dem polnischen Außenminister Jacek Czaputowicz in der polnischen Hauptstadt. Es erfülle ihn «mit Demut und mit Dankbarkeit», in Warschau bei den Gedenkfeiern zum Jahrestag des Aufstands dabei zu sein. Vor dem Denkmal des Warschauer Aufstands nahm er am Abend an einem Gedenkgottesdienst teil.

Am 1. August 1944 hatte sich die Armia Krajowa - die Polnische Heimatarmee - gegen die Besatzungsmacht der Nazis erhoben. Nach 63 Tagen war der Warschauer Aufstand blutig niedergeschlagen. Etwa 200.000 polnische Soldaten und Zivilisten wurden während der Kämpfe getötet, etwa eine halbe Million anschließend deportiert. Als Rache wurde die polnische Hauptstadt von den Nazis fast komplett dem Erdboden gleichgemacht.

Maas ist der ranghöchste deutsche Gast beim Gedenken an den Aufstand seit Bundeskanzler Gerhard Schröder, der 2004 zum 60. Jahrestag in Warschau war. Am Donnerstag wird er gemeinsam mit seinem polnischen Kollegen Jacek Czaputowicz einen Kranz am Denkmal für die Opfer des Massakers von Wola während des Aufstands niederlegen. Es gilt als eines der größten Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs mit etwa 50.000 Toten. Im Museum des Warschauer Aufstands wird Maas zudem eine Rede halten.

Der Warschauer Aufstand wird in Deutschland oft mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto im April und Mai 1943 verwechselt, der von den Nazis ebenfalls blutig niedergeschlagen wurde. Am 7. Dezember 1970 kniete der damalige Bundeskanzler Willy Brandt in einer historischen Versöhnungsgeste vor dem Denkmal für die Helden des Warschauer Ghettos nieder.

Der Aufstand von 40.000 Kämpfern der Polnischen Heimatarmee 1944 begann, als die sowjetischen Truppen bereits in den östlichen Stadtteilen am Weichselufer angekommen waren. Sie griffen nicht ein und hinderten sogar Flugzeuge der anderen Kriegsalliierten mit Hilfsgütern daran, auf sowjetischen Flughäfen zu landen.

Der Aufstand wurde von den deutschen Besatzern mit beispielloser Brutalität vergolten. Beim Abzug der deutschen Truppen waren 90 Prozent der Gebäude der Stadt, die einst als «Paris des Ostens» galt, zerstört. Von den 1,2 Millionen Menschen, die vor dem Krieg in der polnischen Hauptstadt lebten, verschanzten sich zwischenzeitlich nur noch einige hundert in den Ruinen. Schätzungen gehen von etwa 1000 aus. Insgesamt kamen im Zweiten Weltkrieg zwischen fünf und sechs Millionen Polen durch Krieg, Terror und systematischen Völkermord ums Leben - 15 bis 17 Prozent der gesamten Bevölkerung.

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