Lula gewinnt Präsidentenwahl

Luiz Inacio Lula da Silva (M.), Brasiliens ehemaliger Präsident, der erneut für das Präsidentenamt kandidiert, nach der Stimmabgabe bei der Präsidentschaftsstichwahl. Foto: Andre Penner/Ap/dpa
Luiz Inacio Lula da Silva (M.), Brasiliens ehemaliger Präsident, der erneut für das Präsidentenamt kandidiert, nach der Stimmabgabe bei der Präsidentschaftsstichwahl. Foto: Andre Penner/Ap/dpa

BRASÍLIA: Dem linken Ex-Präsidenten gelingt ein erstaunliches Comeback. Vor vier Jahren saß er noch wegen Korruption im Gefängnis, jetzt erkämpft er sich eine dritte Amtszeit. Doch es liegt Spannung in der Luft: Wahlverlierer Bolsonaro gesteht seine Niederlage zunächst nicht ein.

Nach dem hauchdünnen Sieg des ehemaligen Staatschefs Luiz Inácio Lula da Silva bei der Präsidentenwahl stehen Brasilien ungewisse Zeiten bevor. Auch am Morgen nach der Wahl hüllte sich der unterlegene rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro am Montag in Schweigen, ob er seine Niederlage akzeptiert. «Ich würde mich gerne nur freuen, aber ich bin teilweise besorgt», sagte Lula vor seinen Anhängern in der Millionenmetropole São Paulo. «Ich muss wissen, ob der Präsident, den wir besiegt haben, einen friedlichen Übergang erlaubt.»

Bei der Stichwahl am Sonntag hatte Lula 50,9 Prozent der Stimmen erhalten, Bolsonaro kam nach Angaben des Wahlamtes auf 49,1 Prozent. Verbündete hätten versucht, in der Wahlnacht mit ihm zu sprechen, aber er sei schlafen gegangen, berichtete das brasilianische Nachrichtenportal G1. Überprüfen ließen sich die Angaben zunächst nicht.

Bolsonaro hatte zuvor schon mehrfach Zweifel am Wahlsystem gestreut und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht zu akzeptieren. Seit der Lockerung der Waffengesetze in seiner Amtszeit haben viele seiner Unterstützer aufgerüstet. Erst am Samstag verfolgte eine Abgeordnete von Bolsonaros Liberalen Partei (PL) einen Mann nach einem Streit mit vorgehaltener Waffe. Bereits vor der Entscheidung war befürchtet worden, dass es bei einem knappen Ausgang zu Gewalt kommen könnte.

Auch wenn Bolsonaro zunächst abtauchte und sich nicht zu dem Wahlergebnis äußerte, erkannten zumindest mehrere seiner Verbündeten, darunter der mächtige Parlamentspräsident Artur Lira, die Niederlage des amtierenden Präsidenten an. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der französische Präsident Emmanuel Macron oder US-Präsident Joe Biden gratulierten Lula bereits zu dessen Sieg.

Während Anhänger der linken Arbeiterpartei (PT) den Sieg feierten, gab es auch Proteste von Bolsonaro-Unterstützern. Lastwagenfahrer steckten Reifen in Brand und blockierten Fernstraßen. In der Stadt Belo Horizonte wurde ein Lula-Anhänger bei einer Feier in einem Lokal erschossen. Dort hatten sowohl Anhänger Lulas als auch Bolsonaros die Stimmauszählung verfolgt. Offen blieb zunächst, ob die Tat einen politischen Hintergrund hatte.

Lula kündigte an, das extrem gespaltene Land versöhnen zu wollen. «Ich werde für 215 Millionen Brasilianer regieren», sagte der 77-Jährige. «Es gibt keine zwei Brasilien, nur ein Volk.» Nun sei der Moment gekommen, den Frieden wieder herzustellen. Der frühere Gewerkschafter hatte Brasilien bereits von Anfang 2003 bis Ende 2010 regiert. Er ist der erste demokratisch gewählte Präsident Brasiliens, der in eine dritte Amtszeit geht. «Das ist nicht nur mein Sieg, sondern der Sieg aller, die die Demokratie lieben», sagte Lula.

Auch wenn Bolsonaro abgewählt wurde, seine Gefolgsleute haben sich in der brasilianischen Politik festgesetzt. Dem Ex-Militär war es gelungen, die zersplitterte Rechte zu einen und sich als Verteidiger traditioneller Familienwerte und als Bollwerk gegen den angeblich drohenden Kommunismus zu präsentieren. Die Abgeordneten seiner Liberalen Partei (PL) stellen nun im Kongress die stärkste Fraktion.

Lulas Rückkehr an die Macht ist dennoch eine erstaunliche Wendung. «Sie haben versucht, mich lebendig zu begraben, aber ich bin hier», sagte er. Wegen Korruption und Geldwäsche war Lula 2018 zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Er verbrachte 580 Tage im Gefängnis. Im vergangenen Jahr hob ein Richter am Obersten Gerichtshof das Urteil aus formalen Gründen wieder auf. Lula erhielt seine politischen Rechte zurück und kehrte auch wieder auf die politische Bühne zurück.

Die Wahl in der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas hat auch international enorme Bedeutung. Als riesiger Kohlenstoffspeicher spielt das Amazonasgebiet im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel eine wichtige Rolle. Zudem ist Brasilien mit seinen natürlichen Ressourcen, dem hohen Anteil an grüner Energie und der großen Agrarwirtschaft ein potenziell wichtiger Handelspartner. Durch seine Blockade beim Klimaschutz und seine eigenwillige Corona-Politik hatte Bolsonaro Brasilien auf der Weltbühne zuletzt isoliert. «Brasilien ist zurück. Es ist zu groß, um ein internationaler Paria zu sein», sagte Lula nun.

Viele Anhänger verbinden mit dem früheren Gewerkschaftsführer die goldenen Zeiten Brasiliens, als die Wirtschaft aufgrund hoher Rohstoffpreise boomte und die Regierung mit Hilfe von Sozialprogrammen Millionen Menschen aus der bittersten Armut holte. Allerdings ist die Ausgangslage heute eine andere. Sowohl auf dem internationalen Parkett als auch daheim wird es Lula nach seinem Amtsantritt Anfang kommenden Jahres mit neuen Rahmenbedingungen zu tun haben. «Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Weg finden werden, damit dieses Land wieder harmonisch leben kann», sagte Lula.

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Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Norbert K. Leupi 31.10.22 14:30
Knapp , aber ...
the Winner für die Demokratie gegen die Diktatur Bolsonaros heisst : Lula da Silva ! Muito obrigado aos eleitores brasileiros !
Ingo Kerp 31.10.22 13:50
Da Bolsonaro in trumpscher Manier bereits vor dem Wahlergebnis festgestellt hat, das er es anzweifeln wird, dürfte das groeßte Land Südamerikas vorerst nicht zur Ruhe kommen. Sehr beunruhigend ist die Tatsache, das sich viele Bolsonaro-Anhänger vor der Wahl Waffen zugelegt haben und die Armee stramm hinter ihm stand. Das scheint für die Zukunft nichts Gutes zu verheißen.