Väterlicher Magier ohne Spaß am «Jogo bonito»

Luiz Felipe Scolari. Foto: epa/Fernando Bizerra
Luiz Felipe Scolari. Foto: epa/Fernando Bizerra

SÃO PAULO (dpa) - Der brasilianische Trainer holte mit der Seleção den fünften Weltmeistertitel, steht aber auch für die blamabelste Niederlage der Nationalmannschaft. Doch der Coach will sich aus dem Schatten der 1:7-Klatsche gegen Deutschland lösen: «Das Leben geht weiter.»

Seine schwerste Niederlage musste Luiz Felipe Scolari ausgerechnet bei der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land einstecken. Das 1:7 der brasilianischen Seleção im WM-Halbfinale 2014 gegen Deutschland hat das Selbstverständnis der stolzen Fußballnation bis in die Grundfesten erschüttert. Doch Felipão - der große Felipe - will sich nicht vom dunkelsten Moment seiner Trainerkarriere definieren lassen. «Das 1:7 war eine Katastrophe, aber es hat nicht meine Karriere zerstört. Das Leben geht weiter», sagte er kürzlich in einem Interview.

Nach der Demütigung im Mineirão-Stadion von Belo Horizonte heuerte Scolari zunächst bei Grêmio Porto Alegre an. Dort hatte er allerdings kein Glück und zog bereits nach zehn Monaten weiter. Raus aus dem Fokus in Brasilien, weit weg nach China: Während seiner zwei Jahre im Reich der Mitte holte Scolari mit dem Club Guangzhou Evergrande den chinesischen Titel und die Asienmeisterschaft.

Seit diesem Jahr steht er wieder bei Palmeiras São Paulo unter Vertrag. Er brachte den Verein bis ins Halbfinale der Copa de Libertadores und musste sich schließlich dem Finalisten Boca Juniors aus Buenos Aires geschlagen geben. Seinen Geburtstag kann er jetzt ganz entspannt feiern: Am Freitag wird er 70 Jahre alt.

Mit Grêmio hatte er bereits 1995 die Copa de Libertadores gewonnen. 1999 holte er mit Palmeiras den Titel im südamerikanischen Gegenstück zur Champions League.

Der Coach gilt als Magier auf dem Platz, der wie kaum ein Zweiter eine Gruppe aus starken Persönlichkeiten zu einem echten Team formen kann - der «Familie Scolari». Er pflegt ein väterliches Verhältnis zu den Spielern, stellt sich vor sie und verteidigt sie gegen Kritik. Im Gegenzug verlangt er harte Disziplin und bedingungslose Loyalität.

Bei der Weltmeisterschaft 2002 holte Scolari den fünften Titel für Brasilien, bei der Europameisterschaft 2004 führte er die portugiesische Auswahl bis ins Finale. Die WM 2014 in Brasilien endete dann mit dem traumatischen Halbfinale gegen das DFB-Team. Dennoch ist er einer der besten und erfahrensten WM-Trainer der Welt: Dreimal führte er seine Teams mindestens bin ins Halbfinale und saß bei 21 WM-Partien auf der Bank.

Mit seinem Stil eckt Scolari auch immer mal wieder an. Er ist kein Anhänger des «Jogo bonito» (schönes Spiel), viele Brasilianer sehen in seinem defensiven Ansatz einen Verrat an der Fußballtradition des Landes. «Das Jogo bonito ist etwas für Freundschaftsspiele und Benefiz-Turniere», sagte er einmal. «Wichtig ist zu gewinnen.»

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