Luftwaffen-Übung «Air Defender» kann nicht ohne Auswirkungen bleiben

Drei Kampfjets vom Typ F16 aus den USA fliegen in Formation kurz vor deren Landung auf dem Fliegerhorst im schleswig-holsteinischen Jagel. Foto: Georg Wendt/dpa
Drei Kampfjets vom Typ F16 aus den USA fliegen in Formation kurz vor deren Landung auf dem Fliegerhorst im schleswig-holsteinischen Jagel. Foto: Georg Wendt/dpa

FRANKFURT/MAIN: Ab der kommenden Woche üben vor allem Nato-Luftwaffen über Deutschland den Ernstfall. Passagiere ziviler Flüge müssen sich mindestens auf Verspätungen einrichten. Doch es gibt Tipps für pünktliche Flieger.

Es ist ein Manöver der Superlative, das unter Führung der deutschen Luftwaffe ab dem 12. Juni im deutschen Luftraum starten soll. Zwei Wochen lang üben 25 Staaten bei der «Air Defender 23» die Verlegung großer Luftstreitkräfte, die größte Übung dieser Art seit Bestehen der Nato. Der Einsatz von mehr als 250 Militärmaschinen vom Transporter bis zum Kampfjet wird dabei nicht ohne Folgen für den zivilen Luftverkehr in Deutschland bleiben.

Ob es nur zu einzelnen Flugverspätungen kommen wird, wie es die Bundeswehr angekündigt hat, ist umstritten. Denn in Bereichen, in denen Militärpiloten auf Sicht fliegen, haben zivile Maschinen aus Sicherheitsgründen nichts verloren. «Die Militärübung «Air Defender» wird natürlich massive Auswirkungen auf den Ablauf der zivilen Luftfahrt haben», sagt daher der Chef der Lotsengewerkschaft GdF, Matthias Maas.

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erkenne die Branche die Notwendigkeit des Manövers an, versichert ein Sprecher des Bundesverbandes der deutschen Luftverkehrswirtschaft. Gleichwohl wollen die Fluggesellschaften wissen, worauf sie und die Passagiere sich in den reiseintensiven Frühsommerwochen einstellen müssen. So prüft die Lufthansa die konkreten Auswirkungen auf den Flugbetrieb, der so stabil und zuverlässig wie möglich gehalten werden soll.

Kritiker Maas verweist auf ein von der europäischen Flugsicherungsorganisation Eurocontrol errechnetes Szenario, das bis zu 50.000 Verspätungsminuten je Manövertag ausweist. Das entspricht bei rund 10.000 Flugbewegungen einem Tag mit schweren Gewittern und würde deutlich im roten Bereich liegen. Bis zu 100 Flugzeuge könnten unter diesen Bedingungen ihr Umlaufziel zur Nachtschließung diverser Flughäfen nicht erreichen - mit unangenehmen Folgen für Passagiere und Unternehmen, deren Maschinen dann morgens nicht mehr am richtigen Ort starten könnten. Die bundeseigene Flugsicherung bestreitet das mit ihren Daten gefütterte Szenario nicht, verweist aber auf weitere Eurocontrol-Modelle mit deutlich geringeren Auswirkungen.

Die Bundesminister für Verteidigung und für Verkehr haben die Länder dennoch sehr kurzfristig gebeten, die Nachtflugbeschränkungen an den Flughäfen zu lockern, um verspätete Passagierjets spätabends noch aufnehmen zu können. Bislang hat Baden-Württemberg Ausnahmen für Stuttgart bis 02.00 Uhr zugelassen. Auch für Hamburg und Düsseldorf zeichnen sich längere Betriebszeiten ab. Am Frankfurter Flughafen im schwarz-grün regierten Hessen werden Spätstarts bis 24.00 Uhr genehmigt, wenn der Verspätungsgrund durch das Manöver bedingt ist. Größere Flughäfen ohne Nachtflugverbot gibt es nur in Köln, Leipzig und Nürnberg.

Die Übungsflüge sollen in drei eng definierten Lufträumen stattfinden, die wochentags jeweils im Wechsel genutzt werden. Dabei soll ein Übungsraum Ost über Mecklenburg-Vorpommern und der Ostsee jeweils von 10.00 bis 14.00 Uhr als einziger auch für Tiefflüge reserviert sein. Der Raum Süd erstreckt sich von Lechfeld in Bayern nach Rheinland-Pfalz und soll von 13.00 bis 17.00 Uhr genutzt werden, bevor an den Raum Nord über der Nordsee von 16.00 bis 20.00 Uhr abgegeben wird. Passagiere ziviler Flüge können also vor allem in den frühen Morgenstunden sowie am Wochenende auf pünktliche Starts und Landungen hoffen.

Das Tübinger Analysehaus A3M erwartet für die Flughäfen in Frankfurt und Berlin größere Probleme, weil sie in oder an den Übungsgebieten gelegen sind. Im Laufe des Tages könnten sich Verspätungen bei einzelnen Flugzeugen addieren und so auch an anderen Einsatzorten für Verspätungen sorgen. Auch Ausfälle und Flugverlegungen hält man für möglich.

Die Deutsche Flugsicherung will während der Übung ihr Personal aufstocken, verpasste aber Insidern zufolge im Herbst, eine allgemeine Urlaubssperre für die Lotsen zu verhängen. Zum eigentlichen Übungsbetrieb kommen noch Transferflüge von und zu außerhalb gelegenen Stützpunkten hinzu. Letztendlich könne das Manöver daher Auswirkungen auf sämtliche zivile Flughäfen in Deutschland haben, sagen die Kritiker. Wo Militärs üben, müssen die zivilen Maschinen umgeleitet werden - in ohnehin eng besetzte Luftsektoren, die nach und nach ebenfalls volllaufen. «Wo reguliert wird, sind Verspätungen unvermeidlich», sagt ein erfahrener Lotse.

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