Löw zurück: Von Notliga-Niveau überrascht

​Hoffnung auf Werte-Wandel

BERLIN: Seit über einem halben Jahr kein Länderspiel. Die EM verschoben. Ein Zeitpunkt für den Neustart ist ungewiss. Die Corona-Krise hat auch Joachim Löw und das Nationalteam heftig getroffen. Jetzt sieht der Bundestrainer positive Signale und hofft auf einen Werte-Wandel.

Nach langer persönlicher Corona-Pause ist auch Joachim Löw zurück - und verteilt zuerst Komplimente an die Bundesliga. «Am Anfang war es sicherlich so, dass jeder für sich mit der Situation auseinandersetzen musste, welche die ganze Welt lahmgelegt hat», sagte der Bundestrainer am Samstag: «Danach haben wir die Arbeit aufgenommen, so gut es die Situation eben jetzt zulässt.»

Von Arbeitsalltag ist Löw aber wie der gesamte Fußball trotz der laufenden Not-Bundesliga noch weit entfernt. Grundsätzlich sei es positiv, «dass Deutschland diese Vorreiterrolle übernommen hat. Dass wir uns sehr gut aufgestellt haben, was das Konzept betrifft», sagte Löw zur Liga-Fortsetzung unter den sehr speziellen Bedingungen der Corona-Krise. Natürlich müsse man sich auch «ein bisschen daran gewöhnen, Fußball ohne Emotionen auf den Rängen von den Fans», erklärte Löw in einem Interview auf der DFB-Homepage.

Der 60-Jährige ist jedoch überrascht von der hohen Qualität der Partien trotz der schwierigen Situation und von der positiven Einstellung der Profis. «Man spürt, die Spieler haben wieder Lust auf Wettkämpfe, auf Zweikämpfe, auf Toreerzielen, Toreverhindern», sagte Löw: «Das hat einen positiven Effekt auch auf mich gehabt, dass die Spieler topmotiviert aus dieser langen Pause kamen und das Gleiche an den Tag legen, als ob 80.000 in den Stadien wären.»

Das Meister-Rennen 2020 sieht Löw bereits als entschieden. Bayern München werde sich den Vorsprung «nicht mehr nehmen lassen», sagte der Bundestrainer. «Dafür sind sie einfach auch zu konzentriert aus der längeren Pause herausgekommen und individuell zu stark.» Und jetzt unter Hansi Flick «sind sie zu einem Team geworden, das Stärke und Selbstbewusstsein ausstrahlt», lobte der Bundestrainer seinen einstigen Assistenten bei der Nationalmannschaft, der jetzt Chefcoach der Münchner ist. «Daher glaube ich, dass die Meisterschaft entschieden ist», betonte Löw.

Der DFB-Chefcoach hofft, dass seine Nationalmannschaft im September endlich wieder Spiele bestreiten kann. Der letzte Auftritt des Löw-Teams ist inzwischen mehr als ein halbes Jahr her. «Jetzt sind wir gedanklich dabei, uns auf den September - wenn es denn möglich ist - vorzubereiten», erklärte der Bundestrainer im Wartestand. Mit den Nationalspielern habe die Sportliche Leitung «in unterschiedlicher Art und Weise» Kontakt gehalten.

Normalerweise wären Kapitän Manuel Neuer und Co. gerade im Trainingslager im österreichischen Seefeld, um den EM-Feinschliff vorzunehmen. Corona hat das wie viele andere Dinge verhindert. «Wir haben trotzdem die Vorbereitung mal durchgespielt», berichtete Löw. Das Trainerteam habe «das Konzept überarbeitet» für die wegen der Corona-Pandemie auf den Sommer 2021 verschobene Europameisterschaft, sagte Löw: «Unsere Philosophie, was wollen wir von der Mannschaft im nächsten Jahr, wie wollen wir uns vorbereiten.»

Mit seinen nachdenklichen Worten über einen möglichen Wertewandel im Fußball und in der gesamten Gesellschaft hatte Löw schon zu Beginn der Corona-Krise viel Resonanz erfahren. Ob sich nun wirklich etwas ändere, wisse er «nicht mit Bestimmtheit», sagte der 60-Jährige nun: Aber er habe die Hoffnung», dass Werte wie Rücksichtnahme, Respekt untereinander, sich Kümmern um den Nächsten, um Freunde und Familie bleiben. «Dass es eben nicht immer nur höher, schneller, immer noch besser sein muss. Sondern, dass es bestimmte Werte gibt untereinander, die man beachten muss. Da hoffe ich, dass das in Zukunft auch bleiben wird und kann», betonte Löw.

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