Libanons bisheriger Premier Mikati soll erneut Regierung bilden

Der libanesische Innenminister Bassam Mawlawi (R) spricht während einer Pressekonferenz im Innenministerium in Beirut. Foto: epa/Wael Hamzeh
Der libanesische Innenminister Bassam Mawlawi (R) spricht während einer Pressekonferenz im Innenministerium in Beirut. Foto: epa/Wael Hamzeh

BEIRUT: Rund sechs Wochen nach der Parlamentswahl im Libanon ist der bisherige Ministerpräsident Nadschib Mikati erneut mit der Bildung einer Regierung beauftragt worden. Beim Nominierungsverfahren sprachen sich am Donnerstag die meisten Abgeordneten für den 66 Jahre alten Milliardär aus. Staatschef Michel Aoun erteilte ihm anschließend offiziell das entsprechende Mandat, wie das Präsidialamt mitteilte. Wegen der Wirtschaftskrise steht Mikati unter Zeitdruck. In der Vergangenheit hatte sich die Regierungsbildung wegen Machtkämpfen häufiger über Monate hingezogen.

Das Land am Mittelmeer leidet unter der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Zudem spürt es noch immer die Folgen der verheerenden Explosion im Hafen der Hauptstadt Beirut vor fast zwei Jahren. Mittlerweile leben rund drei Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die einheimische Währung hat mehr als 95 Prozent ihres Wertes verloren. Mögliche internationale Geldgeber verlangen von der Regierung bislang ausgebliebene Reformen, bevor sie das Land in größerem Maßstab beim Kampf gegen die Krise unterstützen.

Im multikonfessionellen Libanon ist die Macht traditionell nach einem Proporzsystem unter den religiösen Gruppen aufgeteilt. Der Präsident ist immer ein Christ, der Regierungschef ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Besonders einflussreich ist die eng mit dem Iran verbündete schiitische Hisbollah, die über eine eigene Miliz verfügt. Bei der Parlamentswahl im Mai hatte der Block um die «Partei Gottes» jedoch Verluste erlitten. Stattdessen zogen unerwartet viele Vertreter der Protestbewegung ins Parlament ein.

Der Unternehmer Mikati gilt als einer der reichsten Männer des Landes. Sein Geld hat er unter anderem in der Telekommunikationsbranche gemacht. Mikati hatte bereits dreimal zuvor eine Regierung gebildet, zuletzt im September des vergangenen Jahres.

Generell ist das Vertrauen der Libanesen in ihre politische Führung erschüttert, weshalb die Erwartungen an die neue Regierung gering sind. Kritiker werfen der Elite vor, das Land auszubeuten. Sie sprechen von einer «korrupten Regierungsmafia», zu der sie auch Mikati zählen. Im Herbst 2019 war es zu Massenprotesten gegen die Führung gekommen, aus denen Kandidaten bei der Wahl hervorgingen.

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