Letzte Neujahrsgrüße von Kaiser Akihito

Foto: epa/Franck Robichon
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TOKIO (dpa) - Japaner empfinden eine große Zuneigung zu ihrem greisen Kaiser Akihito. Das zeigt sich auch an diesem Neujahr: Bejubelt von einer beispiellos riesigen Menschenmenge grüßt der Monarch bei kaiserlichem Winterwetter sein Volk zum neuen Jahr. Ein letztes Mal.

Japans Kaiser Akihito hat vor rund 155 000 Menschen zum letzten Mal in seiner Rolle als Monarch Neujahrsgrüße an sein Volk gerichtet. «Ich hoffe, dieses Jahr wird ein gutes Jahr für so viele Menschen wie möglich», sprach der 85 Jahre alte Monarch vom Balkon seines Palastes im Herzen Tokios herab. Noch nie in seiner 30-jährigen Amtszeit waren zu seinem traditionellen Neujahrsauftritt so viele Menschen zum Palast geströmt. Am 30. April wird er abdanken. Akihito ist der erste Kaiser der ältesten Erbmonarchie der Welt seit rund 200 Jahren, der zu Lebzeiten den Thron für seinen Nachfolger freimacht. Am 1. Mai wird sein ältester Sohn, Kronprinz Naruhito (58), den Chrysanthementhron besteigen.

Zusammen mit seiner Frau Michiko, ihrem Sohn Naruhito und anderen Mitgliedern seiner Familie zeigte sich Akihito am Neujahrstag sechs Mal auf dem verglasten Balkon seines Chowa-Den-Palastes. Er bete zu Beginn des Jahres für Frieden und Glück für sein Land und für die Menschen in aller Welt, sagte Akihito vor einem Meer aus kleinen Nationalfähnchen. Viele Japaner in der Menge ließen ihren Kaiser mit «Banzai»-Rufen hoch leben. Der japanische Hochruf soll Glück für zehntausend Jahre bringen. Andere riefen laut «Danke, Ihre Majestät».

Der Andrang war so groß, dass das Haushofamt entschied, den Monarchen und seine Familie nicht wie in den vergangenen Jahren üblich fünf Mal über den Tag verteilt auf dem Balkon auftreten zu lassen, sondern sechs Mal. Nach Schätzungen des Haushofamtes strömten 154 800 Menschen bei strahlendem Sonnenschein seit den frühen Morgenstunden in kalter Winterluft zum Palast.

Dem normalen Volk bieten sich lediglich zwei Gelegenheiten im Jahr, dem Palast so nahe zu kommen, um den Kaiser zu sehen: zu Neujahr am 2. Januar und zu Akihitos Geburtstag am 23. Dezember.

Ein 76 Jahre alter Japaner erzählte Reportern, er komme seit Jahrzehnten schon zu Neujahr, um den Monarchen zu grüßen - doch noch nie sei es so bewegend gewesen wie in diesem Jahr. Dass Japan heute in Frieden existiere, sei den Bemühungen des Monarchen zu verdanken.

Kaiser Akihito, dessen Regentschaft den Namen Heisei («Frieden schaffen») trägt, ist der erste Monarch, der sein Amt nicht mehr als Gott antrat. Sein 1989 gestorbener Vater Kaiser Hirohito, der posthum Showa-Tenno genannt wird, hatte am 1. Januar 1946 in seiner sogenannten Menschlichkeitserklärung der Göttlichkeit des Kaisers entsagt. In seinem Namen war Japan in den Zweiten Weltkrieg gezogen.

Laut der Nachkriegsverfassung muss sich Akihito zwar auf die Rolle als Symbol der Einheit der Nation beschränken. Regierungsbefugnisse sind dem Kaiser genommen. Dennoch verstand er es, sich als überzeugter Verfechter der pazifistischen Nachkriegsverfassung zu beweisen - indem er indirekt Kritik an denen übte, die versuchen, Japans Kriegsvergangenheit zu rechtfertigen. Dazu zählen Kritiker der Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Shinzo Abe.

«Es ist wichtig, dass wir die zahllosen Menschenleben nicht vergessen, die im Zweiten Weltkrieg verloren gingen, und dass Frieden und Wohlstand des Nachkriegsjapans auf den vielfachen Entbehrungen und unermüdlichen Anstrengungen des japanischen Volkes aufbauten», sagte Kaiser Akihito kürzlich anlässlich seines 85. Geburtstages.

Seit er am 7. Januar 1989 den Thron bestieg, setzte sich der Monarch zusammen mit seiner Gemahlin, Kaiserin Michiko, unermüdlich für die Menschen seines Landes ein. Mit ihr an der Seite machte er den Opfern von Naturkatastrophen Mut, besuchte Altenheime und andere Einrichtungen und war auf internationalen Reisen ein würdevoller Vertreter seines Landes.

Doch Akihitos Gesundheit ist angeschlagen. Im Sommer vergangenen Jahres hatte der Monarch in einer seltenen Video-Botschaft zu erkennen gegeben, angesichts seiner nachlassenden Kräfte abdanken zu wollen. Das Parlament erlaubte ihm dies später per Sondergesetz. Am 1. April will die Regierung die neue Ära-Devise (gengo) bekanntgeben, bevor einen Monat später Akihitos Sohn Naruhito auf den Thron steigt.

Ein Wechsel der Ära-Devise ist in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt ein verwaltungstechnischer Großaufwand. Offiziell gilt in Japan der Gregorianische Kalender, daneben aber auch ein weiterer, amtlich verwendeter Kalender, der sich an die jeweilige Ära der Kaiser hält.

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