Bestürzung nach Flugzeugtragödie

​Black Box gefunden

Foto: epa/Bagus Indahono
Foto: epa/Bagus Indahono

JAKARTA: Viele Stunden lang ist das Schicksal einer Boeing der indonesischen Sriwijaya Air ungewiss. Dann wird klar: Die Passagiermaschine ist ins Meer gestürzt. Taucher finden Trümmer, menschliche Überreste - und dann auch die Black Box.

Schreckliche Gewissheit nach stundenlangem Bangen: Vor der Insel Java hat eine Flugzeugtragödie vermutlich 62 Menschenleben gefordert. Nach dem Absturz einer indonesischen Passagiermaschine entdeckten Suchtrupps am Sonntag den Flugschreiber der Boeing 737-500 im Meer.

An Bord der Maschine der Billiggesellschaft Sriwijaya Air waren offiziellen Angaben zufolge auch sieben Kinder und drei Babys. Das Flugzeug war unterwegs von der Hauptstadt Jakarta nach Pontianak auf der Insel Borneo, als es am Samstag kurz nach dem Start vom Radar verschwand. Danach war sein Schicksal zunächst lange ungewiss - am Sonntag wurde dann klar: Die Maschine ist in der Javasee zerschellt.

«Wir können zwei Signale von der Black Box hören und konnten ihre Position lokalisieren», sagte Luftmarschall Hadi Tjahjanto. «Wir hoffen, sie bald bergen zu können.» Zuvor waren bereits Trümmerteile in 23 Metern Tiefe entdeckt worden, wie das Transportministerium mitteilte. «Wir sind sicher, dass dies der Punkt ist, an dem das Flugzeug abgestürzt ist», so Tjahjanto.

Die indonesische Such- und Rettungsagentur schrieb in einem Statement, es seien auch fünf Behältnisse mit menschlichen Überresten an Land gebracht worden. Die Polizei habe begonnen, DNA-Proben von Familienmitgliedern der Passagiere zu nehmen und Informationen zu sammeln, um Opfer indentifizieren zu können, sagte der Polizeisprecher von Jakarta, Yusri Yunus.

Das quälende Warten der Angehörigen auf Informationen über das Schicksal der Flugzeuginsassen - 50 Passagiere und zwölf Crew-Mitglieder - dauerte auch am Sonntag an. Viele harrten in verzweifelter Hoffnung auf dem Soepadio International Airport in Pontianak aus. Am Soekarno-Hatta International Airport in Jakarta, wo die Maschine gestartet war, wurde ein Krisenzentrum eingerichtet.

In indonesischen Medien veröffentlichte Fotos zeigten Fundstücke der Einsatzkräfte aus dem Ozean, darunter Kleidungsstücke, Personalausweise und Flugzeugteile. Außerdem seien Rettungswesten und Teile mit der Registriernummer der 27 Jahre alten Maschine geborgen worden, so Tjahjanto. «Wir haben einen Bericht vom Tauchteam erhalten, dass die Sicht unter Wasser gut war, was die Entdeckung einer Reihe von Flugzeugteilen ermöglichte.»

Vivi, deren Ehemann auf dem Flug der Sriwijaya Air war, hoffte noch auf ein Wunder. Dem lokalen Nachrichtenportal «Suara.com» sagte sie, ihr Mann habe ursprünglich mit einer anderen Fluggesellschaft fliegen sollen, sei aber dann umgebucht worden. «Ich hoffe, mein Mann lebt und es geht ihm gut. Bitte betet für ihn.» Nanik, deren Tochter und die sechs und zwei Jahre alten Enkel an Bord waren, hielt weinend ein Foto ihrer Lieben in die Kameras.

Die Tierschutzorganisation «GP Orangutan Conservation Program» sorgte sich um einen Mitarbeiter des Nationalparks Gunung Palung auf Borneo. Der 25-Jährige sei zusammen mit seiner Frau, seiner Tochter, seiner Mutter und seiner Nichte in dem Flugzeug gewesen, schrieb die Organisation auf Twitter.

In sozialen Netzwerken drückten zahlreiche Indonesier unter dem Hashtag #PrayForSJ182 (Betet für Flug SJ182) ihre Bestürzung aus. Präsident Joko Widodo drückte den Angehörigen sein Mitgefühl aus. «Lasst uns beten, dass alle Opfer gefunden werden», sagte er.

Die Unglücksursache und der genaue Hergang der Tragödie waren noch unklar. Airline-Chef Jefferson Irwin Jauwena hatte am Samstag betont, das Flugzeug sei wegen starken Regens mit 30 Minuten Verspätung gestartet. Die Flugzeit nach Pontianak beträgt normalerweise knapp 90 Minuten.

Daten des schwedischen Internetdienstes Flightradar24 zeigten, dass die Maschine aber schon vier Minuten nach dem Abheben innerhalb von einer Minute mehr als 3300 Meter Höhe verlor. Danach war sie nördlich von Java verschwunden. Fischer berichteten, eine Explosion gehört zu haben.

Rettungsteams machten sich in das Gebiet der Inseln Laki Island und Lancang Island auf, wo erste Trümmerteile gefunden wurden. Die beiden Inseln sind Teil der Gruppe Thousand Islands vor der Küste von Java. Das Militär war mit Schiffen und Hubschraubern im Einsatz.

2018 war eine Boeing 737 Max der indonesischen Gesellschaft Lion Air nach dem Start in Jakarta auf dem Weg zur Insel Bangka abgestürzt. Alle 189 Insassen kamen ums Leben. 2014 stürzte ein Airbus A320 der Billig-Airline Indonesia AirAsia auf dem Weg von Surabaya auf Java nach Singapur ins Meer. Auch hier starben alle 162 Menschen an Bord.

Die EU-Kommission hatte 2007 alle Fluggesellschaften aus Indonesien auf ihre «Schwarze Liste» unsicherer Airlines gesetzt und somit ein EU-Einflugverbot erteilt. 2018 hob die EU sämtliche Restriktionen nach einer Verbesserung der Sicherheitslage wieder auf.


Flugzeugabstürze mit vielen Todesopfern seit Anfang 2018

JAKARTA: Der Fund von Leichenteilen und Flugzeugüberresten einer Boeing 737-500 im Meer vor der indonesischen Insel Java lässt Schlimmstes vermuten - ein Absturz der Passagiermaschine galt am Sonntag als sehr wahrscheinlich. Hier eine Auswahl von schweren Luftverkehrsunglücken seit 2018:

PAKISTAN, Mai 2020: Kurz vor der Landung in Karatschi stürzt ein Airbus A320 der Fluggesellschaft Pakistan International Airlines in ein Wohngebiet. 97 Menschen sterben, zwei überleben. Als Grund werden Fehlentscheidungen von Piloten und Fluglotsen genannt.

IRAN, Januar 2020: Kurz nach dem Start in Teheran wird eine Boeing 737-800 der Gesellschaft Ukraine International Airlines von einer Rakete abgeschossen. Keiner der 176 Insassen überlebt. Zunächst bestreitet Iran den Abschuss, spricht dann von einem Versehen.

RUSSLAND, Mai 2019: Ein Flugzeug vom Typ Suchoi Superjet-100 der Gesellschaft Aeroflot prallt beim Landeanflug in Moskau mehrfach auf den Boden und fängt Feuer. 41 Menschen sterben, 37 können sich retten. Russische Ermittler geben dem Piloten die Hauptschuld.

ÄTHIOPIEN, März 2019: Beim Absturz einer Boeing 737 Max 8 der Ethiopian Airlines kommen alle 157 Insassen ums Leben. Ermittler sehen die eigens für die 737 Max entwickelte Steuerungssoftware MCAS als Unglücksursache. Auch der US-Flugzeugbauer räumt das ein.

INDONESIEN, Oktober 2018: Alle 189 Menschen in einer Boeing 737 Max 8 kommen ums Leben. Die Lion-Air-Maschine war kurz nach dem Start in Jakarta aus großer Höhe ins Meer gestürzt. Grund für das Unglück war eine ganze Serie von Fehlern. Im Zentrum der Kritik auch hier: MCAS.

KUBA, Mai 2018: Nach dem Start in Havanna stürzt eine Boeing 737-201 mit 113 Menschen an Bord ab. Eine Frau überlebt. Die Airline Cubana hatte die fast 39 Jahre alte Maschine von einer mexikanischen Gesellschaft geleast. Behörden gehen von einer Überladung aus.

NEPAL, März 2018: Bei der Bruchlandung einer Propeller-Maschine vom Typ Bombardier Dash 8 in Kathmandu sterben rund 50 der 71 Insassen. Das US-Bangla-Flugzeug war durch Pilotenfehler von der Landebahn abgekommen und in Flammen aufgegangen.

IRAN, Februar 2018: 50 Minuten nach dem Start in Teheran zerschellt ein Flugzeug des Typs ATR-72 an einem Berg. Alle 66 Menschen an Bord der Aseman-Air-Maschine sterben. Grundlegende Ursache sollen Pilotenfehler bei schlechter Witterung gewesen sein.

RUSSLAND, Februar 2018: Kurz nach dem Start in Moskau stürzt wegen Schnees und Vereisung eine Maschine vom Typ Antonow An-148 der Gesellschaft Saratow Airlines ab. Alle 71 Insassen kommen ums Leben.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Norbert Kurt Leupi 11.01.21 17:07
Wartungsrichtlinien / Herr J.Franke
Auf den Punkt gebracht ! Leider können viele Billig - und " Hinterhofgesellschaften " die vorgeschriebenen Wartungs - Checks A,B,C und D aus finanziellen Gründen nicht einhalten ! Beim D-Check muss ein Flugzeug nach fünf bis 6 Jahren ( je nach Flugstunden ) fast komplett zerlegt werden , das dauert bis 50000 Arbeitsstunden und geht in die Millionen ! Darum haben viele Gesellschaften , besonders aus Afrika , Asien und Südamerika in Europa kein Landerecht !
Jürgen Franke 11.01.21 10:52
Die Flugzeughersteller geben
Wartungsrichtlinien heraus, die unbedingt einzuhalten sind. Das Alter eines Flugzeuges spielt eigentlich eine untergeordnete Rolle
Dieter Kowalski 10.01.21 18:07
Tragisch das Ganze, aber auch nicht verwunderlich. Das ist jetzt der vierte Totalverlust für diese Fluglinie innerhalb von 12 Jahren. Fliegen teilweise mit uralten Flugzeugen - Durchschnittsalter der Flotte 17,5 Jahre. Um nichts in der Welt würde ich bei denen einsteigen. Besonders schlimm, das so viele Kinder und Kleinkinder an Bord waren.