LEBENSZIEL UND LEBENSSINN

LEBENSZIEL UND LEBENSSINN

Alle Menschen haben Träume und Wünsche, und alle Menschen haben ein Ziel für die Zukunft. Diese Lebensziele verändern sich mit dem Alter. In meiner Kindheit wollten die meis­ten Jungs Feuerwehrmann werden oder Automechaniker. Heute wird häufiger Profi-Fußballer genannt oder IT-Programmierer.

Mit dem Ende der Schulzeit oder dem Beginn des Studiums steht die berufliche Karriere im Mittelpunkt aller Überlegungen. Will ich in einen Beruf einsteigen, in dem ich viel Geld verdienen kann oder soll ich mich für einen entscheiden, der meinen Neigungen und Talenten entspricht und der mich glücklich macht?

Nach der Beendigung des Berufslebens gilt das Ziel dem Erhalt der Gesundheit, dem Wunsch nach einem langen und gesunden Lebensabend. Ich habe mein Lebensziel mit der Veröffentlichung meiner Memoiren (erhältlich im Medienhaus DER FARANG, Anfahrt siehe Seite 12) erreicht. Aber damit habe ich keinesfalls mit meinem Leben abgeschlossen. Meinen 86. Geburtstag habe ich nicht gefeiert, sondern die Feier auf den 90. verschoben, und solange werde ich auch weiter meine Kolumnen für den FARANG schreiben.

Die meisten meiner Freunde sind in meinem Alter, etwas jünger oder (wenige) etwas älter. Einige haben sich leider schon für immer verabschiedet. Ich bin gerne mit jüngeren Menschen zusammen. Sie haben noch so viele Träume und Illusionen. Sie sind voller ansteckender Lebensfreude und schauen hoffnungsvoll nach vorne. Im Gegensatz zu vielen alten Leuten, die oft nur in der Vergangenheit leben.

In den Gesprächen mit meinen Freunden ist die Vergänglichkeit oft ein Thema, aber immer abstrakt. Der eigene Tod bleibt dabei ausgeblendet. Man schaut sich um in der Familie, im Freundeskreis und bei Bekannten, deren Gesundheitszustand sich verschlechtert hat und stellt Spekulationen an, die man besser nicht machen sollte, weil das eigene Schicksal längst ein Datum hat.

Natürlich fragt man sich: Was passiert nach meinem Tod? Wohin reist meine Seele? Und was wird aus all dem Wissen, das ich mir im Laufe der Jahre mühsam angeeignet habe? Einfach weg? Wahrscheinlich ist es so, denn nichts ist für immer. Und von einem Wissensarchiv der Verstorbenen irgendwo im All hat noch kein Astronaut berichtet.

Trotzdem bleibe ich neugierig solange ich lebe, frage, lese und höre gut zu.

Dabei spielen Gedanken an das Ende keine Rolle, obwohl ich die dazu gehörenden Zeremonien schon vor langer Zeit vorbereitet und festgelegt habe.

Warum ist der Mensch sterblich? Was ist der Sinn des Lebens? Dieser Frage widmen sich die Gelehrten seit Jahrtausenden. Den ausgelobten Gewinn auf die Beantwortung dieser Fragen hat bisher noch keiner eingefordert. Vielleicht gibt es gar kein Ziel. Vielleicht ist allein der Weg das natürliche Ziel.

Auf meinem gedankenverlorenen Spaziergang liegt plötzlich eine verendete Taube vor mir auf der Straße. Wohin ist ihr Leben entschwunden? Ihr Kadaver landet im Müll so wie meine Asche irgendwann in der Erde versenkt wird. Und einige Zeit später wird sich niemand mehr an mich erinnern.

Aber noch lebe ich, nehme am Weltgeschehen sorgenvoll teil und genieße zugleich die Freuden, die jeder Tag mir bereitet. Dankbar und freudig blicke ich in die Zukunft und wache jeden Morgen mit den Gedanken auf:

Das wird wieder ein guter Tag.

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