Leben und Sterben in Thailand

Leben und Sterben in Thailand

Wussten Sie, dass die Thais seit vielen Jahrhunderten eine asiatische Naturheilkunde gepflegt haben, die der europäischen zu jener Zeit haushoch überlegen war? Erst mit dem Einzug moderner westlicher Wissenschaften und Technik hat Europa seine späte Überlegenheit erweisen können, die dazu beigetragen hat, dass die Lebenserwartung der Thais sich immer mehr dem westlichen Standard angenähert hat.

Von der alten Thai-Heilkunst ist nur noch ein Rest übrig geblieben, der in privaten Zirkeln und abgeschiedenen Gegenden angewandt wird und für Farangs zumeist unzugänglich ist.

Die Brahmanen, die bis auf den heutigen Tag das spirituelle Leben am Königshof bestimmen, gelten immer noch als göttliche Boten und Diener, die in der Lage sind, Wunder zu wirken, wo kein Arzt mehr helfen kann.

Die Kräfte der Selbstheilung

"Believe it or not", würde Carlos dazu sagen, aber die westliche Wissenschaft weiß um die Bedeutung der animis-tischen Bräuche, um ihren psychologischen Einfluss und ist weit davon entfernt, diese Praxis zu verdammen. Im Gegenteil: Mehr und mehr setzt sich die Meinung durch, wonach hier Kräfte der Selbstheilung am Werk sind, die es zu erforschen gilt, ebenso wie die Wirkung der altbewährten Heilkräuter, um die Pharmakonzerne in Europa und in den USA sich ein Wettrennen liefern.

Auch gegen AIDS glaubte man hier bereits ein Wundermittel gefunden zu haben, aber bei näherem Hinsehen erwies sich diese Tinktur als Flop.

Zum Glück hat sich in Regierungskreisen die Erkenntnis durchgesetzt, dass man diese Seuche, wenn schon nicht aufhalten, dann zumindest eindämmen kann, indem man, wo immer es möglich ist, darüber aufklärt. Hierzulande sind 600.000 Thais HIV- infiziert.

Da dieses Thema auf Touristen abschreckend wirken könnte, wird es von den tourismusabhängigen Unternehmen und Behörden möglichst unter dem Deckel gehalten. Carlos meint: Wenn die Urlauber wüssten, dass in den Touristen-Hochburgen fast jeder dritte Sexleister infiziert ist, würden sie wohl etwas vorsichtiger sein.

Vielleicht würden sie sich auch seinem Rat anschließen und lange Hosen anziehen, nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern um sich gleichzeitig vor Mücken zu schützen, denn zu den häufigsten Urlaubserkrankungen in den Tropen gehören Dengue-Fieber und Malaria. Trotz aller Vorsicht kann jeder hier erkranken oder einen Unfall erleiden. Was dann?

Carlos hörte von einem Touristen, der Anfang des Jahres überfahren wurde. Bewusstlos und ohne Papiere wurde er ins Hospital eingeliefert. Nach der ersten Notbehandlung lag er 12 Stunden auf einer Bahre im Flur, bis seine Angehörigen endlich herausgefunden hatten, wo er sich befand. Zu allem Überfluss - es war ein Sonntag - war die Versicherungsgesellschaft nicht erreichbar. Erst am Montag, nachdem die Versicherung grünes Licht gegeben hatte, wurde dieser Patient korrekt behandelt. Immer nach dem Motto: No money – no honey.

Carlos möchte nicht wissen, wie viele Menschen dieses unwürdige Prozedere bisher nicht überlebt haben und rät deshalb dringend, niemals ohne Versicherungsschutz hier zu sein und die wichtigsten Unterlagen dazu stets bei sich zu tragen.

Wenn die fünfte Pille fällig ist

Dass Drogen im Nachtleben hier eine große Rolle spielen, ist inzwischen weithin bekannt. Bis zu vier Pillen schiebt Noy, eine Liebesdienerin an der Walking-Street, sich jeden Abend ein, um gut drauf zu sein. Und wenn sie einen Freier findet, dann ist oft die fünfte Pille fällig. Nach einem kürzlich erfolgten Schnelltest in einer Disco in Pattaya, dem sich alle Anwesenden - also auch die Farangs - unterziehen mussten, hatten 44 Prozent aller Gäste Drogen zu sich genommen. Ein trauriges Ergebnis!

Der frühere, höchst umstrittene Premierminister Thaksin hatte eine billige Variante der Krankenversicherung eingeführt. Seitdem konnte sich jeder Thai an seinem gemeldeten Wohnsitz für 30 Baht behandeln lassen. Das war ein populistischer Clou, in der Praxis sah die Behandlung oft so aus: AIDS-Kranke bekamen Paracetamol, Nierenkranke wurden mit Voltaren ruhig gestellt, und um die persönliche Betreuung mussten die Angehörigen sich selbst kümmern. Aber schon nach kurzer Zeit waren viele der ländlichen Hospitäler pleite und etliche der schwerkranken Patienten tot.

Für Ausländer und wohlhabende Thais gibt es in Thailand erstklassige und preiswerte Krankenhäuser, und der Medizin-Tourismus aus aller Welt nimmt rasant zu. Auch die hier lebenden Expats profitieren von dem hohen medizinischen Standard und fühlen sich hier sicher.

Überall kann man sich hier jedes Potenzmittel kaufen, ob original oder kopiert, ob wirkungsvoll oder nicht, niemand weiß es, aber auf alle Fälle sehr billig. Häufig werden Farangs in ihren Hotelzimmern in Thailand tot aufgefunden, an Händen und Füßen gefesselt und mit einer zugebundenen Plastiktüte überm Kopf. Für die Polizei ist das eindeutig Selbstmord. Carlos fragt sich, wieso? Für ihn ist diese Erklärung nicht nachvollziehbar. Er meint: Mord sollte man Mord nennen, auch wenn Touristen dadurch vielleicht von einem Thailand-Besuch abgehalten werden. Aber dann erinnert er sich an einen Satz der Nobelpreisträgerin Herta Müller aus ihrem Roman "Atemschaukel":

"Meinen kann man allerhand, wissen kann man es nicht."

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