Lasterhaft

„Mensch, pflege deine Laster, du gönnst dir ja sonst nichts!“ Wo habe ich dieses Zitat wohl gelesen? In der Bibel, da sind wir auf sicherem Grund, in der Bibel wohl kaum. Es wäre dort auch anders formuliert, etwa so, ein bisschen neutes­tamentarisch: „Liebe deine Laster wie dich selbst und beichte sie gewissenhaft!“ Na ja, hoffentlich liest das kein Theologe, sonst gibts einen Streit um die Auslegung und eine Sintflut von Leserbriefschreibern, die mich auf den Scheiterhaufen wünschen. Besser, ich gestehe es gleich: Der Spruch ist auf meinem Mist gewachsen, mea culpa.

Unter Verdacht

Der Weg zurück zum Thema führt über Geständnisse, die ich hier ohne Zähneknirschen öffentlich mache:

Ich rauche.

Zwar bloß zwei bis drei Zigaretten am Tag, aber der Tatbestand ist erfüllt, ich bin ein Raucher. Der Genuss erschließt sich nicht nur beim Inhalieren, sondern auch wegen der Rituale, die damit verbunden sind. Es darf nämlich niemand wissen, vor allem meine pubertierende Tochter nicht, sonst heißt es plötzlich:

„Ein Raucher braucht mir nicht zu sagen, wann ich nach Hause kommen soll.“ So viel zum Image. Aber ich habe den Verdacht, dass sie meine Geheimsprache entschlüsselt hat. Ich sage zum Beispiel: „Ich gehe jetzt den Garten gießen.“ Und sie versteht: Er geht jetzt eine rauchen. Oder ich sage: „Ich habe meine Badehose beim Pool vergessen.“ Und sie weiß: Das ist jetzt die Dritte heute.

Ein souveränes Unschuldslamm

Aber ich habe bei diesem Versteckspiel einen Komplizen: Mein Schwiegervater aus dem Isaan. Er ist mein Mitverschwörer beim „Heimlichrauchen“. Er geht dabei aber viel raffinierter vor als ich und entfernt sich erst gar nicht, er braucht gar keinen Vorwand. Er steht inmitten seiner Sippe auf der Veranda und hält eine dünne, selbstgedrehte Zigarette in der hohlen Hand. Er tut das so unverschämt offensichtlich und gleichzeitig gelassen diskret, dass einfach keiner zu glauben wagt, dass er wirklich raucht. Das nennt man Autorität.

Auch ich habe einige Zeit gebraucht, bis ich ihm auf die Schliche kam. Ich trat am frühen Morgen vor das Haus und sagte fröhlich: „Sawasdee krap, Ta!“

Er sah mich kurz an, räusperte sich, begann erst zu hüsteln, rang plötzlich nach Luft, prus­tete los und bekam einen Hustenanfall, dass mir angst und bange wurde. Dann habe ich den Glimmstängel gesehen, der in seiner hohlen Hand glühte. Ich kann aber bis heute nicht sagen, ob er wegen des Rauches oder wegen meiner Aussprache diesen Anfall bekam. Ich habe mich für das Letztere entschieden und benutze dies gerne als Ausrede, um meine überschaubaren Thai-Kenntnisse zu entschuldigen…

„Deinen Vater trifft der Schlag, wenn er mich reden hört“, sage ich zu meiner Frau. Klar glaubt sie das, denn er raucht ja nicht.

Laster zwei: Ich trinke.

Bevor ich nach Thailand kam, trank ich gerne eine halbe Flasche Roten zum Dinner. Tempi passati. Ich meine damit Wein, der wirklich je eine Traube gesehen hat und nicht den Karton-Boxen-Essig auf dem fälschlicherweise das Wort „Wein“ steht, welcher hier in jedem Restaurant kredenzt wird. Oder ist das die Abkürzung von „Wein-en“, wo es doch eher zum Heulen ist?

Wein, der diesen Namen verdient, ist in Thailand teurer als Schnaps. Da bietet sich Bier noch eher als Alternative an, also Bier her. Im Alltag wenigstens. Wenn Besuch angesagt ist, wird ihm „durch die Blume“ bedeutet, dass ich den Schlüssel zum Weinkeller verlegt hätte und nur noch Bier anbieten könne. Das wirkt immer. Es ist noch nie jemand mit Mineralwasser aufgetaucht und wenn, dann hätte ich noch einen eingeladen, der Wasser in Wein verwandeln kann, womit wir wieder bei der Bibel wären.

Du sollst deine Feinde lieben!

Dazu meint der Dichter: Mensch, bedenke wohl, dein größter Feind ist der Alkohol, doch in der Bibel steht geschrieben, du sollst auch deine Feinde lieben!

Und da sind noch die beiden monatlichen Weinfeiertage, nämlich immer dann, wenn das Honorar für die Kolumne eintrifft. Ich kaufe damit ein bescheidenes Edelgewächs aus Old Europe, aber natürlich nur, um den gebeutelten Weinbauern dort aus der Krise zu helfen! Der Nebeneffekt: Der Flasche wird umgehend mit Hilfe des Nachbarn der Garaus gemacht. Wenn sie leer ist, fragt er jedes Mal: „Wieso schreibst du nicht mehr?“

P.S.: Ich hätte hier gerne noch ein paar Zeilen über Sex geschrieben, aber die Redaktion hätte dies entrüs­tet zurückgewiesen mit den Worten: Wir sind ein seriöses Magazin und kein „Seggs-Heftli“! So übe ich mich halt in Selbstzensur, sorry people. Harte Zeiten, wenn nicht einmal mehr „sex sells“…


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Francis Light 09.07.20 23:07
Her Müller: Sorry, sorry
Höre schon auf. Ich dachte, es hätte etwas Unterhaltungswert. Wie auch der "Lasterhaft" Bericht eher den Humor anspricht. Mit Ihnen, Herr Müller, das weiss ich jetzt, würd ich auf kein Bier gehen wollen.
Francis Light 09.07.20 22:36
Habe etwas gegoogelt. Beide, also Chang und Leo werden nicht übermässig gut bewertet. Dass Leo von Bayern kommt, die Rezeptur, wusste ich nicht. Na ja, im tropischen Klima werden die meisten kühlen Biere bei entsprechendem Durst gut schmecken.
Francis Light 09.07.20 20:27
@JOHANN MUELLER
>von der niederländischen Brauerei
:( (neiiin, sad), meinten Sie genau das Bier, das ich absichtlich nie trinke, diese holländische Konzern-Einheits-Schledern? Mein Motto: Wenn schon, das Bier, das was auch dort (oder zumindest in der Nähe) produziert wird. Oder andere Konzentrate wie Sang Som oder Hong Thong (ist das richtig geschrieben?) mit Cola. Ich finde, ein kaltes Leo ist nie verkehrt. :)
Thomas Knauer 09.07.20 19:22
Oh jeh da bleibt mir nur das Laster über das hier nicht berichtet wurde.
Bin von Haus aus Nichtraucher, wenn Alkohol dann am liebsten Wein. Gelegenheiten sind da aber eher selten, in unserer Familie ist der Konsum von Alkohol auch auf Partys usw. gleich null.
Da der Wein relativ teuer in Thailand ist und alleine das Trinken keinen Spass macht hab ich mir angewöhnt hin und wieder etwas Bananenwein selbst zu produzieren. Ist relativ einfach und geht schnell, ein paar Fans konnte ich dafür auch gewinnen.
Francis Light 09.07.20 18:22
Dieter
Also ich finde die Thai-Biere hervorragend.
Eigentlich war früher Chang mein Lieblingsbier, vor ein paar Jahren hatte es noch 6,4%, also ziemlich intensiv. Bei den letzten Aufenthalten bin ich auch mehr und mehr auf Leo umgestiegen, es ist etwas neutraler und etwas D A CH (wie das hier so schön abgekürzt wird) bier-ähnlicher. Singha ist auch in Ordnung, die anderen, Tiger... finde ich nicht so besonders, sind oder schmecken m.E. nach Wasserbieren, aber da habe ich auch zuwenig probiert. Nicht zu vergessen, das Beer Lao, ist auch ein feines Getränk.
Dieter Kowalski 09.07.20 17:36
Lieber Herr Schettler,
Die einzigen genießbaren Biere in Thailand waren vor vielen Jahren Amarit vom Faß, sowie das originale Singha Bier in der bauchigen Flasche. Heutzutage kann man maximal noch Leo als Bier bezeichnen - auch wenn für mich zu süß, immer noch besser als das nach Lysol schmeckende Chang.
Aber wissen Sie was, aus Kambodscha kommt ein sehr gutes Bier - nennt sich Phuket Lager Beer. Wenn es auf Grund von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer nur nicht so teuer wäre...
Marco Egloff 05.07.20 21:26
Ok
Da haben Sie Recht Herr Petter, hab ich auch mitbekommen. Wsr sogar ein schwarzer, ein Panther also. Schon himmeltraurig so ein wunderschönes Tier aus "Spass" zu töten. Karma?
Marcel Edouard Petter 05.07.20 16:06
@Marco Egloff
Es gibt sehr wohl Leoparden in Thailand. Haben Sie die Geschichte dieses Bau-Tycoon nicht mitbekommen, der hat sogar einen gewildert.
Die Bestände des indochinesischen Leoparden sind leider sehr klein geworden, aber es gibt noch einige in freier Wildbahn.
Meinen Sie mit dem Drachen den Löwen von Singha? Von dieser Brauerei gibt es seit einiger Zeit das U-Beer, sehr empfehlenswert, leider nicht überall erhältlich.
Ich selber trinke seit Jahren das Cheers von der Thai Asia Pacific Brewery, die neben dem Heineken auch das Tiger für den thailändischen Markt produziert.
Marco Egloff 05.07.20 14:07
Oh, wie wahr
Ich habe Gottseidank keine pubertierend Tochter, nur eine meckernde Ehefrau, also lassen wir das Thema rauchen aussen vor.
Ich bin nun 3 Jahre quasi nonstop hier in TH, komme ursprünglich aus einem Weinbauerndorf in der Schweiz. Noch nie habe ich mich getraut hier Wein zu trinken, einfach ungeniesbar und erst noch unverschämt teuer. Gerade recht für den Kochtopf. Beim Laster Bier sieht es leider auch sehr düster aus. Bei den 3 Hauptmarken sind 2 (für mich) ebenfalls ungeniessbar. Nur das mit den abgebildeten einheimischen Tieren kommt für mich auf den Tisch (Drachen und Leoparden sind nicht heimisch hier). Ebenfalls unverständlich für mich ist der Konsum von importiertem " gefärbtem holländischem Hahnenwasser" das ev. noch aus dem Rhein gefiltert wird. Wenn man noch berücksichtigt, dass die Toiletten in der Schweiz ganz weit oben in den Kreislauf Wasser angesiedelt sind!!
Ich wünsche dem Schreiber dieser Kolummne eine schöne Zeit und freue mich auf den nächsten Wurf.
Und ein Prost auf die Satire!!