Kurti wird Ministerpräsident im Kosovo

Hoffnung auf «neue Ära»

Foto: epa/Valdrin Xhemaj
Foto: epa/Valdrin Xhemaj

PRISTINA (dpa) - Früher warf er Farbbeutel und war politischer Häftling. Er orientiert sich am antikolonialen Befreiungskampf. Jetzt will er als Regierungschef des Kosovos gegen Korruption und Machtmissbrauch vorgehen. Dabei wird sich zeigen, was er gegen bestens verankerte Seilschaften ausrichten kann.

Getragen von großen Erwartungen vor allem junger Wähler ist der ehemalige Rebell und Linksaktivist Albin Kurti als neuer Ministerpräsident des Kosovos bestätigt worden. 66 von 120 Abgeordneten sprachen ihm und seinem Koalitionskabinett am Montagabend bei der Abstimmung im Parlament von Pristina das Vertrauen aus. Zehn enthielten sich der Stimme, die anderen blieben der Sitzung fern. In seiner Regierungserklärung versprach Kurti eine «neue Ära» ohne Korruption und Vetternwirtschaft.

Kurtis Vetevendosje regiert zusammen mit der konservativen Demokratischen Liga des Kosovos (LDK) und einigen Parteien der ethnischen Minderheiten. Kurtis Partei und die LDK waren bislang in der Opposition. Sie waren als Sieger aus den Wahlen im letzten Oktober hervorgegangen. «Wir werden dem Wandel, den der Wille des Volkes in Gang gesetzt hat, einen institutionalisierten Rahmen geben», sagte der neue Regierungschef.

Zu seinem Kabinett gehören je sechs Minister aus Vetevendosje und LDK sowie zwei Vertreter der Serbischen Liste und eine Ministerin aus den Reihen einer bosniakischen Partei. Darüber hinaus stellen Vetevendosje und LDK je einen stellvertretenden Ministerpräsidenten. Fünf der 15 Minister sind Frauen.

Die Regierung Kurti löst eine Koalition ab, deren Parteien aus der Bürgerkriegsmiliz UCK der 1990er Jahre heraus entstanden waren. Die Vorgängerregierung unter dem ehemaligen Milizkommandeur Ramush Haradinaj galt zuletzt als korrupt und ineffizient.

Die Bildung der neuen Regierung war bis zuletzt von Drama und Nervosität überschattet. Kurti und der LDK-Chef Isa Mustafa konnten sich monatelang nicht auf die Besetzung hoher Staatsämter einigen. Der Durchbruch erfolgte erst in der Nacht zum Sonntag. Kurti überließ den Posten des Parlamentspräsidenten dem Koalitionspartner. Er hatte unter immensem Zeitdruck gestanden, weil am Montag die verfassungsmäßige Frist für die Bildung seiner Regierung ablief.

Kurti (44) wurde als Rebell bekannt. Er führte Studentenproteste an, war politischer Häftling in Serbien, schmiss Farbbeutel auf UN-Fahrzeuge und zündete Tränengaskartuschen im Parlament. Anzug und Krawatte trägt er erst seit drei Jahren. Kurti orientiert sich am Neo-Marxismus und an Theoretikern des antikolonialen Befreiungskampfes. Aus seiner Sicht ist das Kosovo «kolonisiert»: vor 1999 durch Serbien, dann bis 2008 durch die UN-Verwaltung und die internationalen Mächte und seit der Unabhängigkeit 2008 durch eine korrupte und für Einflüsterungen des Auslands anfällige Elite.

2004 gründete Kurti die Bewegung Vetevendosje (Selbstbestimmung). Ihre Agitation gegen Fremdbestimmung und schlechtes Regieren fand zunehmend Gehör. Auf der neuen Koalitionsregierung lasten entsprechend große Erwartungen.

Das Kosovo ist heute fast ausschließlich von Albanern bewohnt. Bis 1999 wurde es von Serbien verwaltet, zum Teil auf äußerst repressive Weise. Ein bewaffneter Aufstand der kosovo-albanischen Miliz UCK führte zu einer Nato-Intervention mit Luftangriffen auf Serbien. Von 1999 bis 2008 hatte die UN-Verwaltung Unmik das Sagen. 2008 erklärte sich das Kosovo mit Zustimmung des Westens für unabhängig.

Serbien hat diesen Schritt nie anerkannt und fordert seine ehemalige Provinz zurück. Bisher haben rund 100 Staaten die Republik Kosovo anerkannt, darunter Deutschland, nicht aber Russland, China und die fünf EU-Länder Spanien, Griechenland, Zypern, Slowakei und Rumänien.

Als Voraussetzung für einen späteren EU-Beitritt müssen Serbien und das Kosovo ihre Beziehungen in Ordnung bringen. Diesbezügliche Gespräche begannen 2011 und brachen Ende 2018 ab, als Pristina 100-prozentige Strafzölle auf Waren aus Serbien einführte. In kosovarischer Lesart war dies eine Antwort auf die Politik Serbiens, kleinere Dritte-Welt-Länder dazu zu bringen, ihre Anerkennung des Kosovos zu widerrufen.

In seiner Regierungserklärung am Montag stellte Kurti eine harte Linie gegen Serbien in Aussicht. «Ich bin zu Gesprächen mit Belgrad bereit», sagte er. «Aber wir bestehen auf voller Gegenseitigkeit in Handel, Politik und Wirtschaft.»

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