Kritik auch intern: Corona-Regelverstöße Ultraorthodoxer

Ultra-orthodoxe Juden tragen einen Gebetsschal und beten ein Morgengebet vor einem Wohnhaus nach einer nächtlichen Ausgangssperre in der Stadt Bnei Brak. Foto: epa/Abir Sultan
Ultra-orthodoxe Juden tragen einen Gebetsschal und beten ein Morgengebet vor einem Wohnhaus nach einer nächtlichen Ausgangssperre in der Stadt Bnei Brak. Foto: epa/Abir Sultan

TEL AVIV: In Israel wächst angesichts zahlreicher Verstöße strengreligiöser Juden gegen die Corona-Regeln der Zorn auch innerhalb der ultraorthodoxen Gemeinschaft. Ein bekannter Vertreter der Strengreligiösen, Jehuda Meschi Zahav vom Rettungsdienst Zaka, warf führende Rabbiner im Gespräch mit der Nachrichtenseite ynet vor, für viele Corona-Todesfälle verantwortlich zu sein. Meschi Zahavs 80-jährige Mutter war zuvor nach einer Corona-Infektion gestorben.

Die Nachrichtenseite berichtete am Mittwoch, erneut seien Tausende strengreligiöse Schüler in Bnei Brak bei Tel Aviv trotz einer Schließungsanweisung zur Schule gegangen.

Nach Medienberichten gehören inzwischen 40 Prozent der Corona-Neuinfizierten dem tiefreligiösen Sektor an. Gleichzeitig lassen sich im Vergleich zum Rest der Gesellschaft weniger Ultraorthodoxe gegen das Coronavirus impfen. Meschi Zahav beklagte am Dienstag viele Todesfälle innerhalb der Gemeinschaft. «Es gibt kein einziges Wohnviertel, Gebäude oder Heim ohne mindestens ein Opfer.»

Viele Ultraorthodoxe fühlen sich nicht vom Staat Israel vertreten. Sie leben teilweise in einer Art Parallelwelt und folgen eher Vorgaben ihrer Rabbiner als denen des Staates. In ultraorthodoxen jüdischen Wohnvierteln leben häufig größere Familien auf engem Raum zusammen.

Zuletzt gab es mehrere Berichte über strengreligiöse Juden, die verzweifelt über die Verstöße in ihrer eigenen Gemeinschaft seien. Medien hatten auch von Gewalt und Steinwürfen auf Polizisten berichtet, die versuchten, strengreligiöse Schulen zu schließen oder Versammlungen von Ultraorthodoxen aufzulösen.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Dienstag unter Bezug auf eine ultraorthodoxe Hochzeit in der Stadt Bnei Brak das Einhalten der Corona-Regeln eingefordert. Die Polizei rief er auf, gegen alle Gesetzesbrecher mit «eiserner Faust» vorzugehen. Die Regierungen Netanjahus hatten sich in den vergangenen Jahren auch auf ultraorthodoxe Parteien gestützt.

Viele Kritiker warfen dem 71-Jährigen in der Corona-Krise wiederholt vor, zu viel Rücksicht auf die Interessen der Strengreligiösen zu nehmen. In anderen Gesellschaftsgruppen wurde dies mit Argwohn registriert. Am 23. März wird in Israel zum vierten Mal binnen rund zwei Jahren gewählt. Netanjahu will erneut Ministerpräsident werden.

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