Zulieferer hoffen auf Hilfe der Automobilhersteller

STUTTGART: Die deutschen Automobilzulieferer müssen die Transformation vom Verbrenner hin zur E-Mobilität stemmen. Hohe Kosten belasten die Geschäfte zusätzlich. Helfen sollen jetzt die Autohersteller - doch das würden auch die Kunden zu spüren bekommen.

In der deutschen Automobilbranche tut sich eine Kluft zwischen Herstellern und Zulieferern auf. Beide kämpfen mit den Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs, mit Problemen in der Lieferkette, einem Mangel an Halbleitern und rapide steigenden Kosten, etwa bei der Energie. Doch während die Hersteller trotzdem prächtig verdienen, stöhnen die Zulieferer unter dem Preisdruck. In der Branche mehren sich deshalb die Hilferufe: Die Zulieferer wollen die Preissteigerungen an die Hersteller weitergeben.

Hersteller wie etwa Mercedes-Benz könnten die Kostenexplosionen nämlich auffangen, indem sie die Preise für ihre Luxusautos erhöhen - die Kunden bezahlen das. Mercedes verkaufte im ersten Quartal sogar weniger Autos als im Vorjahr, trotzdem legten Umsatz und Ergebnis kräftig zu. Auch der Sportwagenbauer Porsche verdiente im ersten Quartal trotz sinkender Verkäufe mehr. Volkswagen verdoppelte seinen Gewinn im ersten Quartal nahezu.

Bei den an Verträgen gebundenen Zulieferern ist das nicht so einfach. Deutschlands größter Zulieferer Bosch ist von roten Zahlen zwar weit entfernt, wird wegen der steigenden Kosten in diesem Jahr aber wohl Abstriche bei der Profitabilität machen müssen. «Nicht nur die Automobilhersteller, auch die Zulieferer sind darauf angewiesen, Preissteigerungen weiterzugeben», sagte Finanzchef Markus Forschner Anfang Mai. Nur dann könne Bosch sein Zulieferer-Geschäft weiterhin profitabel betreiben, ergänzte Sparten-Chef Markus Heyn.

Auch beim zweitgrößten Zulieferer Deutschlands, Continental, machen sich die Negativeinflüsse im Kerngeschäft bemerkbar. An Mehrausgaben erwartet Continental in diesem Jahr eine Gesamtsumme von mindestens 3,5 Milliarden Euro. Finanzchefin Katja Dürrfeld sagte: «Man sieht, dass wir mit erhöhten Kosten zu kämpfen haben.» Mit den Kunden gebe es aber einen «partnerschaftlichen Austausch» über die Aufteilung.

Die Zuliefererbranche befindet sich zudem mitten in der Transformation, weg vom dreckigen Verbrenner und hin zur sauberen E-Mobilität. Jahrzehntelang erfolgreiche Geschäftsmodelle werden auf die Probe gestellt. Das bekommt etwa der Stuttgarter Zulieferer Mahle zu spüren. Das Unternehmen, das lange sein Geld mit Teilen für den Verbrennungsmotor verdient hat, schreibt tiefrote Zahlen. Der Konzern machte im vergangenen Jahr ein Minus von 108 Millionen Euro, nach einem Verlust von 434 Millionen Euro im Jahr zuvor.

Mahle-Finanzchef Michael Frick klagte Ende April: «Die gravierenden Lieferkettenprobleme eskalieren über das bekannte Halbleiterthema hinaus.» Der Krieg in der Ukraine belaste die ohnehin angespannte Branche zusätzlich. «Wir haben es aktuell mit Kostensteigerungen zu tun, deren Ausmaß alles Vorherige übertrifft und dessen Entwicklung überwiegend außerhalb unserer Kontrolle liegt», sagte Frick. Während Mahle die Belastungen in den vergangenen zwei Jahren zu einem großen Teil übernommen habe, sei er überzeugt, «dass in der jetzigen Situation Automobilhersteller und Zulieferer gemeinsam gefordert seien, als Partner über eine faire Lastenverteilung aus dieser schwierigen Situation herauszufinden».

Bei den Herstellern dürfte er mit dieser Forderung keine offenen Türen einrennen. Als etwa der Finanzvorstand von Mercedes-Benz, Harald Wilhelm, kürzlich in einer Runde mit Journalisten auf Mahles Hilferuf angesprochen wurde, sagte dieser, natürlich sei Mercedes-Benz an gesunden und stabilen Lieferketten gelegen. Das Unternehmen gestatte in seinen Kalkulationen durchaus Gewinnaufschläge. Allerdings sei dann jeder für sich selbst verantwortlich, was die Profitabilität in der Lieferkette angehe.

«Kleinere Zulieferunternehmen, die noch ausschließlich Komponenten für Verbrennungsmotoren produzieren, kommen jetzt relativ schnell in die Bredouille, weil die Elektromobilität schneller gekommen ist als gedacht», sagte Branchenexperte Stefan Reindl, Leiter des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft, der Deutschen Presse-Agentur. «Für die könnte es ruinös werden, wenn sich die Effekte aus Corona oder dem Ukraine-Krieg auflösen, weil es dann einen Nachholbedarf geben wird.» Was dann an Stückzahlen bei der Elektromobilität hinzukomme, falle beim Verbrenner weg.

«Zuliefererverträge haben einen langfristigen Charakter und bestimmte Bindungen, dazu zählen auch die Preise», erklärte Branchenexperte Reindl. Trotzdem seien die Hersteller daran interessiert, weiter mit den tragenden Säulen der Zulieferer zusammenzuarbeiten. Wenn beispielsweise bei Mercedes der Zulieferer Bosch wegfiele, dann hätte der Automobilhersteller ein riesiges Problem.

Welche Folgen es haben kann, wenn Zulieferer wegfallen, konnte man jüngst bei Kabelbäumen aus ukrainischer Produktion sehen: Mehrere deutsche Autohersteller hatten ihre Produktion unterbrechen müssen, als diese plötzlich nicht mehr geliefert wurden. Auch für die Endverbraucher dürften die Herausforderungen der Branche Folgen haben, sei es durch noch höhere Preise oder noch längere Wartezeiten bis zur Lieferung eines Neuwagens.

«Die Forderungen der Zulieferer sind nicht abstrus, denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass deren Kosten drastisch gestiegen sind», sagte Reindl. Die Beziehungen zwischen Herstellern und Zulieferern seien Schicksalsgemeinschaften. In der Krise fehle vielen Zulieferern die finanzielle Kraft, die jetzt für den Wandel notwendig wäre. Der Experte geht davon aus, dass Hersteller die höheren Preise, die sie am Markt durchsetzen können, «anteilig an die Zulieferer weitergeben, um die betriebswirtschaftliche Tragfähigkeit bei relevanten Zulieferern sicherzustellen».

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