Kriege, Krisen, Hoffnungsschimmer

2019 zwischen Aufatmen und Bangen

Foto: epa/Mohammed Saber
Foto: epa/Mohammed Saber

TEHERAN/WASHINGTON (dpa) - Zwischen dem Iran und den USA wurden alte Wunden wieder aufgerissen, am Horn von Afrika begannen langjährige Wunden endlich zu heilen. Die Krisen und Kriege haben in diesem Jahr Grund zur Verzweiflung - aber auch etwas Grund zur Hoffnung gegeben. Was steht 2019 bevor?

Ein Ort außerhalb von Damaskus, ein Hotel in Singapur, ein Flüchtlingslager in Bangladesch, das Weiße Haus. Die Krisen in diesem Jahr hatten etliche Schauplätze. Einige von ihnen haben Jahre des Fortschritts zunichte gemacht, andere brachten langjährige Rivalen wieder an einen Tisch. Alle werden wohl auch 2019 weiter die Schlagzeilen dominieren. Ein Überblick:

NORDKOREA: In Ostasien gibt es Grund zu verhaltenem Optimismus. Süd- und Nordkorea treiben seit Beginn des Jahres 2018 ihre Annäherung voran und bereiten auch eine stärkere wirtschaftliche Kooperation vor. Die internationalen Sanktionen gegen Pjöngjang wegen Nordkoreas Atomwaffenprogramm stehen aber einer engeren Verflechtung im Weg. Die USA bestehen auf Beibehaltung der Sanktionen, solange sie ihre Forderung nach konkreten Abrüstungsschritten durch Nordkorea nicht erfüllt sehen. Pjöngjang erwartet seinerseits ein Entgegenkommen der USA - die Lockerung der Sanktionen und glaubwürdige Sicherheiten. Die Aussichten im Atomstreit, der als einer der weltweit gefährlichsten Konflikte gilt, sind daher 2019 unklar.

Trotzdem werten US-Präsident Donald Trump und Südkoreas Präsident Moon Jae In die Fortschritte als großen Erfolg. Im vergangenen Jahr haben die Menschen die koreanische Halbinsel noch am Rande eines Krieges gesehen, bei seinem Gipfeltreffen mit Trump und Moon in Singapur hatte Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un seinen Willen zur «Denuklearisierung» bekräftigt. Alle Parteien sind daran interessiert, den Schwung der Annäherung ins neue Jahr mitzunehmen.

IRAN: Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran könnten 2019 weiter eskalieren. Donald Trump hat den Iran zum Lieblingsfeind erklärt - und das Land mit heftigen Wirtschaftssanktionen belegt. Im Mai kündigte der US-Präsident den Austritt seines Landes aus dem Atomabkommen mit dem Iran an, das die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie die EU mit der islamischen Republik 2015 geschlossen hatten. Trump will maximalen Druck auf Irans Regierung machen und erreichen, dass Teheran sein Raketenprogramm aufgibt und Organisationen wie die Hisbollah im Libanon oder die Hamas im Gazastreifen nicht länger unterstützt.

Der Iran hat mehrmals vor einem Scheitern des Atomabkommens gewarnt, besonders für den Fall, dass die verbliebenen Vertragspartner die US-Sanktionen nicht kompensieren sollten. «Wenn es (das Atomabkommen) zusammenbricht, Gott bewahre, wird sich die Lage ändern und alles wird in Aufruhr sein», sagte Ali-Akbar Salehi, Chef der iranischen Atombehörde. Dann würde der Iran sein Urananreicherungsprogramm wieder unbegrenzt aufnehmen. Auch außenpolitisch würde Teheran seine Politik in den Krisengebieten Syrien und Jemen mit weitaus weniger Kompromissbereitschaft fortsetzen. Wegen der Sanktionen steckt der Staat in einer akuten Finanzkrise. Für die Hardliner ist die Trump-Politik ein willkommener Anlass, den iranischen Präsidenten Hassan Ruhani und die Reformer zu schwächen, womöglich gar zu stürzen, um nach fast sechs Jahren wieder an die Macht zu kommen.

SYRIEN: Seit mehr als sieben Jahren tobt in Syrien ein Bürgerkrieg. Kann er 2019 beendet werden? Immerhin hat sich der Konflikt deutlich beruhigt. Seit Wochen kommt es nur noch vereinzelt zu Gewalt. Im Laufe des Jahre gelang es den Regierungstruppen, mit Hilfe ihrer Verbündeten Russland und Iran die größten Teile des Landes wieder unter Kontrolle zu bringen. Auch die lange Zeit heftig umkämpfte Rebellenhochburg Al-Ghuta nahe der Hauptstadt Damaskus war von der Opposition aufgegeben worden. Den Rebellen bleibt als letzte große Hochburg nur noch die Region um Idlib im Nordwesten. Bis zum Jahresende soll das im Januar vereinbarte Verfassungskomitee die Arbeit aufnehmen. Das wäre ein großer Schritt. Trotzdem sind die Aussichten auf Frieden gering. Die Regierung hat bisher wenig Interesse an echten Friedensgesprächen mit der Opposition gezeigt. Ein neuer UN-Vermittler tritt demnächst sein Amt an. Wird es ihm gelingen, die Fronten etwas aufzuweichen?

JEMEN: In der nach UN-Angaben schlimmsten humanitären Katastrophe der Gegenwart gibt es einen Hoffnungsschimmer: Denn die Konfliktparteien im Jemen-Krieg sandten vor neuen Friedensgesprächen in Schweden Entspannungssignale. Ob eine stabile Waffenruhe und ein politischer Prozess tatsächlich gelingen, bleibt im vom Bürgerkrieg zerrissenen Jemen fraglich. In dem bitterarmen Land auf der arabischen Halbinsel kämpft die international anerkannte Regierung des Landes gegen die Huthi-Rebellen, die dem Iran nahestehen. Seit 2015 bombardiert ein von Saudi-Arabien geführtes Bündnis Stellungen der Huthis, die vor allem den Norden des Landes und die Hauptstadt Sanaa kontrollieren. Die Folgen des Krieges sind verheerend: Mehr als 28 000 Menschen wurden nach UN-Angaben getötet oder verletzt, unter den Toten sind etwa 10.000 Zivilisten. Von den 28 Millionen Einwohnern sind 22 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen.

AFGHANISTAN: In Afghanistan ist im Jahr 2019 alles und nichts möglich. Aktuell stehen, trotz andauernder Gewalt, die Zeichen auf eine politische Lösung. Offenbar gibt es großen Druck aus dem Weißen Haus, den Konflikt beizulegen. Der US-Sondergesandte für die Aussöhnung in Afghanistan, Zalmay Khalilzad, soll von der Trump-Administration bis zum Frühjahr Zeit bekommen haben, Resultate vorzulegen. Seit seiner Ernennung im September spult er ein intensives Reiseprogramm in der gesamten Region ab, um alle Interessengruppen zusammenzuführen. Bisher haben nach Angaben der Taliban seit Juli drei Runden an Vorgesprächen zu Friedensverhandlungen zwischen hochrangigen US-Delegationen und Vertretern des politischen Büros der Taliban im Golfemirat Katar stattgefunden. Die letzten Mitte November hätten sogar drei Tage gedauert. Khalilzad zeigte sich danach «trotz Herausforderungen und Schwierigkeiten vorsichtig optimistisch oder hoffnungsvoll».

LIBYEN: Obwohl die Zahl der Flüchtlinge, die von Libyen über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen, deutlich zurückgegangen ist, ist der Konflikt in dem nordafrikanischen Staat weit davon entfernt, zu Ende zu gehen. Immer wieder kam es 2018 zu Kämpfen zwischen verfeindeten Milizen - um die Macht in der Hauptstadt Tripolis und um Einfluss um die Ölhäfen des Landes. Frankreich und Italien versuchten sich gegenseitig bei der Vermittlung zwischen den Konfliktparteien auszustechen. Politisch konnten weder die beiden EU-Länder noch die UN-Vermittlungsmission große Erfolge erzielen. Die für Ende dieses Jahres vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron angekündigte Wahl wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Eine von Italien einberaumte Konferenz endete kürzlich mit Streit und der wütenden Abreise von Teilnehmern. Große Hoffnungen liegen auf einer Nationalkonferenz, die Anfang 2019 Menschen und Milizen aus allen Teilen des Landes zusammenbringen soll.

MYANMAR/BANGLADESCH: Eine der größten Flüchtlingskrisen der Welt wird wohl auch 2019 andauern. Aus Furcht vor brutaler Verfolgung sind etwa eine Million Rohingya, eine muslimische Minderheit im mehrheitlich buddhistischen Myanmar (ehemals Birma), ins Nachbarland Bangladesch geflohen. Dort leben sie unter schlimmen Zuständen in Lagern. Alle Versuche, die Rohingya zur Rückkehr zu bewegen, sind gescheitert. Kein Wunder: Die UN sprechen von einem «anhaltenden Völkermord» in ihrer Heimat. Dort spielt das Militär nach dem Ende der Diktatur weiter eine wichtige Rolle, auch wenn die Regierung inzwischen von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi geführt wird. Kaum jemand glaubt, dass sich die Lage schnell grundlegend bessern wird.

VENEZUELA: Die politische und wirtschaftliche Krise im erdölreichsten Land der Welt hat sich 2018 verschärft. Wegen Devisenmangels kann der Staat kaum noch Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. In den Krankenhäusern sterben Kinder, weil es an Ärzten, Medikamenten und Material fehlt. Rund drei Millionen Menschen haben ihre Heimat verlassen. Länder wie Kolumbien geraten bei der Aufnahme der Flüchtlinge zunehmend in Schwierigkeiten.

Zudem geht die autoritäre Regierung von Präsident Nicolás Maduro hart gegen Oppositionelle vor. Trotz des Elends sitzt der Staatschef recht fest im Sattel, denn die Regierungsgegner sind untereinander zerstritten. Experten gehen davon aus, dass sich der Präsident hält, so lange er vom Militär gestützt wird. Doch die Krise dürfte sich weiter verschärfen: Durch die Migration verliert Venezuela jeden Tag qualifiziertes Personal, Mangelernährung und fehlende medizinische Versorgung verstärken die gesundheitlichen Problemen in der Bevölkerung und international isoliert sich die Regierung immer mehr.

ÄTHIOPIEN/ERITREA: Das Horn von Afrika hat 2018 einen großen Durchbruch erlebt - und im nächsten Jahr zeichnet sich weitere Entspannung ab. 20 Jahre lang befanden sich Äthiopien und Eritrea in einem eingefrorenen Konflikt, der die ganze Region beeinträchtigte. Im Juli beschlossen Äthiopiens reformorientierter Regierungschef Abiy Ahmed und Eritreas repressiver Präsident Isaias Afwerki, das Kriegsbeil zu begraben. Für Eritrea bedeutet das eine Rückkehr aus der Isolation: Auf den Frieden mit Äthiopien folgten Annäherungen mit Somalia - und Dschibuti, mit dem es noch einen Grenzkonflikt gibt. Der UN-Sicherheitsrat hob die Sanktionen gegen Eritrea auf. Der Moment der Wahrheit für Eritrea steht 2019 noch bevor: Wird sich der repressive Staat reformieren? Werden die in alle Welt geflüchteten Eritreer zurückkehren? Dafür müsste vor allem der verhasste, zeitlich unbegrenzte nationale Arbeits- und Wehrdienst abgeschafft werden - mit womöglich katastrophalen Folgen für die Wirtschaft des Staates.

UKRAINE: Der fast vergessene Krieg am Rande Europas hat sich Ende 2018 mit Vehemenz zurückgemeldet - mit ungewissen Aussichten für 2019. Der Konflikt hat nun auch das Schwarze Meer und sein kleines Nebenmeer, das Asowsche Meer, erfasst. Russland beherrscht die Verbindung zwischen ihnen, die Meerenge von Kertsch. Es riegelt wichtige ukrainische Häfen praktisch ab.

Unverändert wird in der Ostukraine gekämpft. Auf der einen Seite stehen die von Russland mit Waffen, Munition und Kämpfern versorgten Separatisten, auf der anderen Seite ukrainische Regierungstruppen. Die Gewalt im Kohlerevier Donbass hat zwar insgesamt abgenommen, aber mehr als 10.000 Menschen sind dort seit 2014 getötet worden. Eine politische Lösung erscheint unwahrscheinlich, denn in der Ukraine beginnt ein Wahljahr. Erst wird im März der Präsident bestimmt, die Wiederwahl von Staatschef Petro Poroschenko ist unsicher. Im Herbst ist das Parlament dran. Solange wird sich auf Kiewer Seite nichts bewegen. Und Moskau ist nicht geneigt, seinen Druck auf das Nachbarland zu verringern.

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