Kreml will Prigoschins lukrative Deals in Afrika erben

Ein Bild des PMC-Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin ist an einer informellen Gedenkstätte neben dem ehemaligen
Ein Bild des PMC-Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin ist an einer informellen Gedenkstätte neben dem ehemaligen "PMC-Wagner-Zentrum" in St. Petersburg zu sehen. Foto: epa/Anton Matrosov

MOSKAU: Die Söldnertruppe Wagner steht nach dem mutmaßlichen Tod ihres Chefs Jewgeni Prigoschin vor dem Aus. Doch der Kreml strebt die Übernahme der lukrativen Auslandsgeschäfte an. Gerade in Afrika will Moskau Einfluss wahren und Prigoschins Netzwerk unter Kontrolle bringen.

Die Trauer um den mutmaßlichen Tod von Söldnerführer Jewgeni Prigoschin dürfte im Kreml zwei Monate nach dessen versuchter Meuterei gegen die Moskauer Militärführung nicht allzu groß sein. Nach innen ist Russlands Präsident Wladimir Putin damit einen gefährlichen Konkurrenten losgeworden. Und Prigoschins Netzwerk im Ausland versucht der Kreml schon seit einiger Zeit zu übernehmen. Mit seinen Söldnern verdiente Prigoschin speziell in Afrika gutes Geld. Schutz gegen Beteiligung an Bodenschätzen - das war oft die Formel.

Der 62-jährige Prigoschin hatte ein mächtiges Imperium aufgebaut. Mit seinen Cateringfirmen war er unter anderem Proviantmeister der russischen Armee. Zu seinem Konglomerat gehörten nicht nur die bekannte Privatarmee Wagner, sondern auch Bau- und Förderunternehmen, Finanzdienstleister, Logistikfirmen und Medien wie die berüchtigte St. Petersburger Troll-Fabrik. Da er durch seine Geschäfte mit Autokraten und Militärjuntas in Afrika zugleich Russlands Einfluss stärkte, ohne dass Moskau sich selbst die Hände schmutzig machen musste, wurde er vom Kreml jahrelang gefördert.

Erst Anfang der Woche prahlte er in einem angeblich in Afrika aufgenommenen Video, seine Wagner-Truppe trage dazu bei, «Russland noch größer auf allen Kontinenten zu machen und Afrika noch freier.» Der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations zufolge sollen rund 5000 russische Kämpfer in verschiedenen Ländern Afrikas tätig sein - allein im westafrikanischen Mali laut Schätzungen bis zu 2000. Dort will sich Wagner als Alternative zu westlichen Militäreinsätzen gegen den sich ausbreitenden Dschihadismus inszenieren.

Im Sudan, der seit Monaten von schweren Gefechten zwischen den zwei stärksten Militärblöcken des Landes erschüttert wird, soll Prigoschin Lizenzen für Goldminen erhalten haben. Im Gegenzug soll er Waffen geliefert haben. 2018 kam Prigoschins Truppe dem Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik, Faustin-Archange Touadéra, zu Hilfe, als dieser von Rebellen gestürzt zu werden drohte. Auch hier erhielt Prigoschin als Gegenleistung die Erlaubnis, Gold abbauen zu dürfen. Medienberichten zufolge beteuerte ein Berater Touadéras nun, dass Wagner trotz Prigoschins möglichem Tod weiterhin im Land bleibe.

Eigenständig wird die Wagner-Truppe das aber wohl nicht mehr regeln können. Auf der Passagierliste des am Mittwoch in Nordrussland abgestürzten Fliegers stand nicht nur Prigoschin, sondern auch der militärische Anführer, der für seine Vorliebe zu Nazisymbolik bekannte Ex-Geheimdienstoffizier Dmitri Utkin. Der für Logistik und Sicherheit zuständige Waleri Tschekalow war auch Führungskraft. Ihr Tod wäre gleichbedeutend mit der Enthauptung der Söldnertruppe.

In diese Lücke könnte der Kreml stoßen, indem er Schlüsselpositionen mit eigenen Leuten besetzt. Ein Kandidat für einen Führungsposten ist Wagner-Mitbegründer Andrej Troschew. Putin schlug ihn schon bei einem Treffen im Kreml nach dem Prigoschin-Aufstand als neuen Chef der Söldnerorganisation vor. Auch General Andrej Awerjanow vom Militärgeheimdienst GRU gilt als Kandidat. Putin ließ ihn jüngst bei seinem Afrika-Gipfel in St. Petersburg mit den angereisten Staatschefs plaudern.

Auch in Westafrika dürfte Russland versuchen, Militärkooperationen fortzusetzen, sagt der Sahel-Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung, Ulf Laessing: «Die Verträge mit der Zentralafrikanischen Republik und Mali sind finanziell in Zeiten westlicher Sanktionen sehr lukrativ.» Zudem gehe es Moskau darum, geopolitisch zu expandieren. «Russland ist gerade mit Malis Hilfe dabei, Kontakte zu den Putschisten im Niger zu knüpfen. Da wird Russland alles daran setzen, die Verträge mit Mali zu erfüllen», so Laessing weiter. Im Niger, einem der letzten westlichen Verbündeten in der Region, übernahmen vor knapp einem Monat Militärs die Macht. «Russland wird neue Strukturen für das Söldnergeschäft finden, falls Wagner als Firma nicht überlebt und Prigoschin tatsächlich tot sein sollte», ist Laessing überzeugt.

Wie das funktionieren könnte, zeigt das Beispiel Syrien: Dort sind Wagner-Söldner seit 2015 aktiv. Die derzeit rund 2000 Söldner kämpfen mit dem russischen Militär an der Seite von Syriens Machthaber Baschar al-Assad und schützen auch Ölfelder für das Regime.

Die Stärke der Wagner-Truppe in Syrien bestehe vor allem in der «mutmaßlichen Nähe zum (russischen) Staat», sagte der politische Analyst Mohamed Hage Ali der Deutschen Presse-Agentur. Sie seien in vielerlei Hinsicht eine Erweiterung der russischen Politik. Um einer möglichen Rebellion zuvorzukommen, wurden nach Prigoschins Aufstand bereits erste Maßnahmen ergriffen. Die Wagner-Offiziere seien zu einem der russischen Militärstandorte einbestellt worden. Nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte folgen die Söldner seitdem den Befehlen der russischen Offiziere.

Die Einsätze Wagners in Syrien wurden damit schon vor Prigoschins mutmaßlichem Tod begrenzt. Einschätzungen des unabhängigen Analysten und Syrienexperten Sobhi Franjieh zufolge, habe sein Tod aber auch Misstrauen unter anderen Wagner-Kommandeuren - etwa in Libyen - hervorgerufen. «Erstmals ist ihnen bewusst geworden, dass sie sich auf ihre Stütze - die russische Regierung - nicht verlassen können und ihr vertrauen können», sagte er. «Das wird mit Sicherheit für Unbehagen unter den Wagner-Mitgliedern sorgen.»

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