Prigoschin-Absturz: Kreml dementiert Beteiligung

Bilder des PMC-Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin und des PMC-Wagner-Kommandeurs Dmitri Utkin sind auf einem informellen Denkmal im Stadtzentrum von Rostow am Don zu sehen. Foto: epa/Stringer
Bilder des PMC-Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin und des PMC-Wagner-Kommandeurs Dmitri Utkin sind auf einem informellen Denkmal im Stadtzentrum von Rostow am Don zu sehen. Foto: epa/Stringer

MOSKAU/KIEW: Als «absolute Lüge» bezeichnet Moskau Anschuldigungen über eine Verwicklung des Kremls in den mutmaßlichen Tod von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin. Die Zukunft der einst bedeutenden Söldnertruppe ist ungewiss. Kiew erhöht unterdessen den Druck auf die Krim.

Zwei Tage nach dem mutmaßlichen Tod von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz hat der Kreml Anschuldigungen über eine Verwicklung zurückgewiesen. Was die einst im russischen Angriffskrieg in der Ukraine unentbehrliche Söldnertruppe Wagner nun erwartet, ist ungewiss. Russland meldete unterdessen ukrainische Drohnenangriffe auf die bereits 2014 völkerrechtswidrig annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

«Das ist eine absolute Lüge», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau über die Anschuldigungen gegen den Kreml, in den Tod Prigoschins verwickelt zu sein. Rund um den Absturz gebe es viele Spekulationen, die «im Westen aus einer bestimmten Ecke befeuert» würden, wurde Peskow von russischen Nachrichtenagenturen zitiert. Auch der Kreml habe noch keine Bestätigung für den Tod Prigoschins. Peskow riet dazu, die Ergebnisse der Untersuchungen abzuwarten. «Wenn die offiziellen Ergebnisse zur Veröffentlichung bereit sind, werden sie auch veröffentlicht», sagte er.

Auf halbem Weg von Moskau nach St. Petersburg war am Mittwoch ein Flugzeug abgestürzt. Alle Menschen an Bord kamen ums Leben. Laut Passagierliste saß auch Prigoschin, Chef der Privatarmee Wagner, im Flugzeug. Er hatte mit seinen Kämpfern zwei Monate zuvor gegen Putin und die Militärführung gemeutert. Im Internet in Russland werden Vorwürfe erhoben, der Flug sei aus Rache sabotiert worden. Westliche Regierungen gehen ebenfalls nicht von einer technisch bedingten Ursache aus und zeigen mit dem Finger auf den Kreml.

Zukunft von Wagner-Privatarmee ungewiss

Peskow sagte, er könne zur Zukunft der Wagner-Kämpfer nichts sagen. Nach russischem Recht gebe es gar keine private Militärfirma Wagner. Trotzdem habe die Gruppe natürlich existiert. Die Schattenarmee war in Syrien und vielen afrikanischen Ländern im Einsatz, sie kämpfte offen auch in der Ukraine.

US-Institut: Prigoschins Tod beendet Wagners Unabhängigkeit

Nach Einschätzung von US-Militärexperten bedeutet der mutmaßliche Tod Prigoschins wohl das Ende der Wagner-Gruppe als quasi-unabhängige Privatarmee. Der Verlust der zentralen Führungsfigur schwäche ihre Fähigkeit, der Kampagne des Kremls und des russischen Verteidigungsministeriums entgegenzutreten, die die Gruppe nach ihrer Rebellion am 24. Juni destabilisieren und zerstören wollten, schrieb das US-Institut für Kriegsstudien ISW in einer Analyse.

Berichten zufolge habe das Ministerium bereits selbst private Militärgruppen eingerichtet, welche derzeitiges und früheres Wagner-Personal rekrutierten, hieß es weiter. Dabei gehe es um die Kontrolle von Wagner-Operationen im Ausland. Unklar sei, ob der Kreml Wagner komplett auflösen oder als kleinere, dem Verteidigungsministerium unterstehende Organisation neu aufstellen wolle. Dass Wagner als quasi-unabhängige Gruppe mit neuer, kremltreuer Führung erhalten bleibe, sei als dritte Option zwar möglich, aber nach ISW-Einschätzung unwahrscheinlich.

Tschetschenen-Führer Kadyrow trauert öffentlich um Prigoschin

Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow bedauerte den mutmaßlichen Tod Prigoschins unterdessen öffentlich. «Sein Tod ist ein großer Verlust für den ganzen Staat», schrieb er in der Nacht zum Freitag auf seinem Telegram-Kanal, kurz nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin von einer Tragödie gesprochen hatte. Den Angehörigen sprach er sein Beileid aus. Kadyrow und Prigoschin waren beide mit ihnen unterstellten Truppen am Ukraine-Krieg beteiligt. Dabei waren sie eine Zeit lang in ihrer Kritik gegen die russische Militärführung vereint, zerstritten sich am Ende aber schwer.

Kreml: Putin fährt nicht zu G20 nach Indien

Russlands Präsident Putin wird nicht zum Gipfeltreffen der Zwanzigergruppe wichtiger Industrie- und Schwellenländer (G20) Anfang September in Indien fahren. Reisen stünden derzeit nicht im Terminkalender, sagte Kremlsprecher Peskow. Putin konzentriere sich auf die militärische Spezialoperation, wie Moskau den Angriffskrieg gegen die Ukraine nennt. Das Treffen findet am 9./10. September in Neu-Delhi statt. Putin war auch nicht zum Gipfel der Gruppe im vergangenen Jahr nach Indonesien geflogen.

Russland meldet Abwehr nächtlicher Drohnen- und Raketenangriffe

Russland wehrte nach eigenen Angaben in der Nacht eine Welle ukrainischer Raketen- und Drohnenangriffe ab. «Durch Feuereinwirkung wurden über dem Gebiet der Republik Krim neun Drohnen vernichtet, 33 wurden durch elektronische Kampfführung abgelenkt und sind abgestürzt, ohne ihr Ziel zu erreichen», teilte das russische Verteidigungsministerium am Freitagmorgen auf seinem Telegram-Kanal mit. Zuvor hatte das Militär bereits den Abschuss einer Rakete über dem Gebiet Kaluga südlich von Moskau vermeldet. Unabhängig lassen sich diese Angaben nicht überprüfen. In der Nacht hatte Michail Raswoschajew, der von Russland eingesetzte Gouverneur der Hafenstadt Sewastopol auf der Krim, von Angriffen berichtet. Die Drohnen seien über dem Meer abgeschossen worden. Schäden an der Infrastruktur gebe es nicht, schrieb er auf Telegram. Zuletzt gab es verstärkt Meldungen über ukrainische Angriffe auf militärische Objekte der Krim.

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Strauss 26.08.23 20:30
Wenn man Russland kennt,
ist davon auszugehen , dass in dem Flugzeug noch weitere Verräter von Putin man aus der Welt schaffen musste.Dass die sich selber beseitigen, kommt dem Rest der Welt entgegen. Solche Dezimierung in Russland,mit dem Eisenbesen von ganz oben herab durchzukehren, wird aber das russische Volk ohne Mithilfe von aussen, nicht alleine bewerkstelligen können. Unter Hinblick auf die Menschenrechte muss jetzt auch der Weltsicherheitsrat aufwachen.... Nur mit Drohnenangriffen auf Moskau und Abfangen von russischen Raketen, kann dieser Krieg nicht beendet werden. Ganz gezielt gilt es jetzt den Machtapparat mit den russischen Waffenlagern und deren Produtionsstätten anzugehen. Nur so kann der Nachschub unterbunden werden.
Hansruedi Bütler 26.08.23 19:30
Na ja, warum sollte denn der Kremel sich ins
eigene Bein schiessen?
Offiziell ist der Tod von Prigoschin noch nicht bestätigt. WARUM?
So oder so wird der Anlass benutzt Prigoschins Armee neu zu positionieren.
Wer hätte denn ein grosses Interesse, dass Prigoschin im Niger nicht aktiv würde?
Ist nicht eher dort, wenn überhaupt, die Ursache des eventuell "gewalttätigen" Absturzes zu suchen?


Hartmut Wirth 26.08.23 14:40
@Urs Widmer
Nicht Verhaftung!

Der Kreml ha es doch gerade vorexerziert, was beim Fliegen ungeliebte "Gegner" passieren kann.
Urs Widmer 26.08.23 13:40
Es ist einigermassen einleuchtend, dass Reisen nicht auf der Prioritätenliste von Putin stehen. Seine Priorität ist es, eine Verhaftung zu vermeiden.