Kramp-Karrenbauer wird vereidigt

Kritik an Bundestags-Sondersitzung

Eine Reinigungskraft staubt im Paul-Löbe Haus vor einer Sondersitzung des Bundestags zur Vereidigung der neue Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer die Stühle ab. Foto: Michael Kappeler/Dpa
Eine Reinigungskraft staubt im Paul-Löbe Haus vor einer Sondersitzung des Bundestags zur Vereidigung der neue Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer die Stühle ab. Foto: Michael Kappeler/Dpa

BERLIN (dpa) - Sommer, Sonne, Strand - darauf hatten sich viele Abgeordnete in der letzten Sitzung vor den Ferien Ende Juni wohl gefreut. Viel früher als gedacht müssen sie nun nach Berlin zurück - für 90 Minuten. Schwacher Trost: Sonnig und sommerlich heiß soll es hier auch werden.

Eine Woche nach ihrer Ernennung zur Bundesministerin der Verteidigung wird die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer am Mittwoch im Bundestag den Amtseid leisten. Die 709 Abgeordneten wurden aus der Sommerpause zu einer Sondersitzung (Beginn: 12.00 Uhr) nach Berlin zurückgerufen. FDP und Grüne zweifeln die Notwendigkeit der Sondersitzung an. Kramp-Karrenbauer hätte aus ihrer Sicht den Amtseid auch in der nächsten regulären Sitzungswoche Anfang September leisten können. Da der Plenarsaal im Reichstagsgebäude derzeit modernisiert wird und eine Baustelle ist, müssen die Abgeordneten für die Sitzung auf ein anderes Bundestagsgebäude ausweichen, das Paul-Löbe-Haus.

FDP-Fraktionschef Christian Lindner schrieb auf Twitter, für die Sondersitzung würden 709 Abgeordnete eingeflogen. «Wir sind immer im Dienst - aber notwendig war das nicht. Kosten (und CO2) hätte man gespart, wenn die Vereidigung von @akk als Verteidigungsministerin im September erfolgt wäre.»

Auch die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, erklärte die Sondersitzung für «nicht zwingend notwendig». Zwar solle die Vereidigung bei der Amtsübernahme erfolgen. «Ich sehe aber keinen Grund, warum die offizielle Amtsübernahme nicht auch erst im September hätte stattfinden können. Für die Zwischenzeit hätte die Bundeskanzlerin kommissarisch die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte übernehmen können.»

Kramp-Karrenbauer hatte am Mittwoch vergangener Woche ihre Ernennungsurkunde erhalten. Sie folgt Ursula von der Leyen (CDU) nach, die das Europaparlament zur neuen EU-Kommissionspräsidentin gewählt hatte. Im Anschluss an ihre Vereidigung wird sie eine Regierungserklärung zum Thema «In Verantwortung für die Zukunft Deutschlands. Für eine starke Bundeswehr in einer Welt im Wandel» abgeben. Daran soll sich eine einstündige Debatte anschließen.

Am späteren Nachmittag will Kramp-Karrenbauer dann im niedersächsischen Celle ihren ersten Truppenbesuch absolvieren. Sie will sich am Standort des Feldwebel- und Unteroffiziersanwärterbataillons 2 von Soldatinnen und Soldaten unter anderem über die Ausbildung am Gewehr informieren lassen (ab 16.30 Uhr).

Mit Spannung wird erwartet, ob sich Kramp-Karrenbauer im Bundestag zum britischen Vorstoß für einen Marineeinsatz zum Schutz von Handelsschiffen in der Straße von Hormus äußern wird. Die Erwartungen an Deutschland wachsen, sich an der Sicherung der strategisch wichtigen Meerenge im Persischen Golf zu beteiligen - vielleicht sogar militärisch.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte der «Rheinischen Post» und dem «General-Anzeiger» (Mittwoch): «Für uns ist wichtig, dass neben den Maßnahmen, mit denen man den Gefahren in der Straße von Hormus begegnet, vor allem die diplomatischen Aspekte Berücksichtigung finden.» Die deutschen Reeder begrüßten den britischen Vorstoß. «Die Überlegung der Briten zu einer Schutzmission ist nachvollziehbar», sagte Ralf Nagel, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Reeder, der Deutschen Presse-Agentur. Die Festsetzung eines britischen Tankers durch den Iran in der strategisch wichtigen Meerenge rühre «am Nerv der gesamten zivilen Handelsschifffahrt, nämlich der völkerrechtlich garantierten freien und sicheren Nutzung der Seewege».

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt stellte sich derweil hinter Kramp-Karrenbauers Forderung, die Militärausgaben zu erhöhen. Mit Blick auf die ablehnende Haltung des Koalitionspartners SPD sagte Dobrindt der Deutschen Presse-Agentur: «Ausrüstung als Aufrüstung zu diffamieren sichert keinen Frieden, sondern schwächt die Einsatzbereitschaft unserer Truppe.» Er betonte: «Wir stehen zum Zwei-Prozent-Ziel und zu unseren internationalen Verpflichtungen.»

Kramp-Karrenbauer hatte die SPD mit ihrer Forderung nach mehr Geld für die Bundeswehr gegen sich aufgebracht. Der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» sagte die CDU-Vorsitzende, die Bundesrepublik habe dem Nato-Ziel, die Militärausgaben bis 2024 in Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen, eine «klare Zusage gegeben». Es sei klar, dass man den Weg dorthin auch wirklich gehen müsse. US-Präsident Donald Trump drängt Deutschland, den Verteidigungsetat aufzustocken.

Da der Plenarsaal im Reichstagsgebäude während der parlamentarischen Sommerpause einen neuen Teppich sowie modernere Technik erhält und gerade eine Baustelle ist, müssen die Abgeordneten am Mittwoch für die Vereidigung ausweichen. Das Foyer des Paul-Löbe-Hauses, das in Sichtweite zum Reichstagsgebäude liegt, wurde eigens in einen improvisierten Plenarsaal umgewandelt.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer wies Kritik an der Entscheidung zurück, den Posten der Verteidigungsministerin mit Kramp-Karrenbauer zu besetzen. «Ich bin mehr als erstaunt, dass viele Annegret Kramp-Karrenbauer vorwerfen, sie wäre als neue Verteidigungsministerin gar nicht vom Fach», sagte Kramer den Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (Mittwoch). «Ich kann mich nicht erinnern, dass wir je einen General zum Verteidigungsminister gemacht hätten. Oder dass alle sagen würden: Der Gesundheitsminister muss aber ein Arzt und der Außenminister ein Botschafter sein.»

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther nahm Kramp-Karrenbauer in Schutz. Kein Mann wäre als neuer Verteidigungsminister ähnlich scharf kritisiert worden, wie es ihr widerfahren sei, sagte der CDU-Politiker der «Rheinischen Post» (Mittwoch). «Als Frau muss sie sich noch stärker beweisen, als es Männer müssten. Es ist absurd, dass das heute immer noch so ist.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.