Kostbare Körner

Firmen wollen Wüstensand nutzbar machen

Foto: epa/Aleksandar Plavevski
Foto: epa/Aleksandar Plavevski

FRANKFURT/MAIN (dpa) - Da weltweit die Städte wachsen, wird Sand für Beton am Bau knapp. Diebe tragen schon Strände ab oder buddeln in Flüssen. Firmen wollen nun Wüstensand aufbereiten - eine gigantische, bisher unerschlossene Reserve.

Er ist nur 0,063 bis 2 Millimetern groß, aber eines der begehrtesten Güter auf dem Weltmarkt. Nach Wasser ist Sand der global am meisten gehandelte Rohstoff, teilten jüngst die UN mit. Ihr Umweltprogramm Unep bezifferte das Volumen auf 40 bis 50 Milliarden Tonnen im Jahr. Sand steckt in Glas, Kosmetik, Autoscheinwerfern, Smartphone-Displays und Zahnpasta. Mit den Körnern kann man Wasser filtern, Fassaden abstrahlen und Züge besser bremsen.

Vor allem aber braucht die Baubranche Sand und das gröbere Kies für Beton. Ohne die graue Masse wären Häuser und Brücken instabil und Straßen holprig. Doch obwohl es ihn sprichwörtlich wie Sand am Meer gibt, werden die Körner knapp: Im globalen Bauboom hat sich die Nachfrage nach Sand und Kies binnen 20 Jahren verdreifacht, so die Unep. Denn die Weltbevölkerung wächst und strömt in die Städte.

Das reiche Singapur, der größte Sandimporteur der Welt, habe seine Landfläche binnen 40 Jahren um 130 Quadratkilometer erweitert. Allein dazu seien in den vergangenen 20 Jahren geschätzt gut 500 Millionen Tonnen Sand importiert worden. Doch global werde Sand schneller verbraucht, als er etwa durch Gesteinsabrieb entstehe, so das Unep.

Auch in Deutschland fehlt schon Sand für den Bau. Zwar gibt es große Vorkommen, doch sie liegen in Naturschutzgebieten, unter Wohn- und Gewerbeflächen, Straßen und Schienen. Neue Sand- und Kiesgruben lassen sich nur schwer durchsetzen: Kein Anwohner sieht sie gern.

Dabei gibt es viel Sand in Wüsten rund um den Erdball - nur ist der nicht nutzbar. Der Sand dort ist zu fein und haftet zu wenig für das Mischen zu Beton. Der Wüstenwind schleift den Sand ab. Selbst Wüstenstaaten müssen daher tonnenweise Sand importieren. Unbrauchbar sind ebenso Feinsande, wie sie etwa in Mecklenburg-Vorpommern lagern.

Das kleine Münchner Unternehmen MultiCon hat daher eine Technik entwickelt, um feine Sande für Beton nutzbar zu machen. Dabei wird Sand zu Mehl zermahlen und bei schnellem Drehen auf Pelletiertellern zu größeren Granulaten verdichtet, wie der Technische Direktor Helmut Rosenlöcher erklärt. Die Stoffe aus Wüstensand werden dann mit einem in Hochgeschwindigkeitsmischern hergestellten Zementleim gemischt.

«Der Bedarf im Mittleren Osten ist enorm», erzählt Rosenlöcher. Er habe Anlagen in Dubai und Ägypten verkauft und Geschäftskontakte nach Jordanien, Saudi-Arabien und Kuwait geknüpft. Dabei arbeitet MultiCon mit dem Maschinenbauer Haver & Boecker aus Oelde zusammen.

Das Verfahren könnte eines Tages helfen, den illegalen Abbau von Sand einzudämmen. «Flüsse, Deltas und Küsten werden ausgewaschen, Sand-Mafias blühen», warnt die Unep. In Marokko etwa hätten Schmuggler den Sand an einem Küstenstreifen so weit abgetragen, bis nur noch Steine übrig blieben. An solchen abgetragenen Stränden lässt sich Tourismus kaum entwickeln, und die Überschwemmungsgefahr steigt.

«Die Sandmafia kann nur arbeiten, weil der Betonbedarf nicht gedeckt wird», sagt Rosenlöcher. Auch der umweltschädliche Transport von Sand aus Australien mit viel CO2-Ausstoß müsse nicht sein. Stattdessen ließe sich Wüstensand an Ort und Stelle entnehmen, sagt Rosenlöcher.

MultiCon ist nicht die einzige Firma, die an neuen Sand-Verfahren tüftelt. Der Thüringer Unternehmer Gerhard Dust hat ein System entwickelt, um vorgeformte Bausteine aus Sand oder Schutt zu gießen. «Es funktioniert wie Lego», sagt er. Dust verwendet dazu Polyesterharz als Bindemittel, um aus Sand oder Schutt Polymerbeton herzustellen. «Er ist härter als Granit und härtet in 20 Minuten aus», sagt Dust. Auch Wüstensand sei dazu verwendbar.

Sein Ansatz zielt aber nicht auf die Bauindustrie, sondern soll Armut bekämpfen: Die Bausteine können Menschen in Krisenregionen oder nach Naturkatastrophen helfen, schnell mit Material vor Ort Häuser zu errichten. «Der Bau eines Hauses mit 60 Quadratmetern Fläche dauert nur einen Tag», sagt Dust, der die Firma Polycare 2010 nach dem Erdbeben von Tahiti mitgründete. Sie habe die Zulassung in Afrika und eine erste Fabrik in Namibia aufgebaut. Verhandlungen für weitere würden in Ländern wie Ghana, Senegal, Südafrika und Ruanda geführt.

Der Haken am Verfahren: Polyesterharz ist nicht nachhaltig und wird aus Erdöl gewonnen. Polycare arbeite daran, ihn zunehmend aus recycelten PET-Flaschen zu gewinnen, so Dust. In Deutschland ist die Bautechnik von Polcyare noch nicht zu gelassen.

Den globalen Sandmangel werden die Start-ups aber so schnell nicht beheben können. «Die Idee etwa von MultiCon ist gut, aber es bleiben Fragen offen», sagt Barbara Leydolph vom Institut für Angewandte Bauforschung in Weimar. So müssten die Pellets noch resistent gegen Frost werden und nachbehandelt werden, um schwere Lasten auszuhalten. Auch ein Antrag auf Zulassung beim Deutschen Institut für Bautechnik fehle bisher. «Da steckt noch viel Arbeit dahinter.»

Das Unep fordert indes internationale Regeln für den Sandabbau. Sand könne in Gebäuden teils ersetzt werden, etwa durch Sägemehl, sagte Projektleiter Pascal Peduzzi. Firmen sollten Recycling-Material für den Bau entwickeln. «Unsere Gesellschaft ist im wahrsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut.»

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