Kosovo holt mehr als 100 IS-Angehörige aus Syrien zurück

PRISTINA (dpa) - Viele Länder, darunter Deutschland, zeigen wenig Interesse, ihre Staatsbürger aus dem ehemaligen IS-Gebiet aufzunehmen. Nun hat das kleine Kosovo ein Beispiel gesetzt.

Die Behörden des Kosovos haben mehr als 100 Staatsbürger aus Syrien zurückgeholt, die der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) angehört hatten. Das gab Justizminister Abelard Tahiri am Samstag auf einer Pressekonferenz in Pristina bekannt. «Diese Aktion ist eine klare Botschaft, dass unser Staat seine Bürger nicht aufgibt und Terrorismus nicht unterstützt», zitierte ihn das Nachrichtenportal «koha.net».

Nach Angaben der Polizei in Pristina handelte es sich bei den Zurückgeholten um 4 mutmaßliche IS-Kämpfer sowie 32 Frauen und 79 Kinder. Die Männer seien unmittelbar nach ihrer Ankunft festgenommen worden. Für die Frauen und Kinder stünden Programme zu ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft bereit. Medien in Pristina berichteten am Sonntag, dass die zivilen IS-Rückkehrer in ein Lager bei Pristina gebracht worden seien.

Die US-Botschaft in Pristina lobte die Maßnahme der kosovarischen Behörden. «Mit dieser Rückführung hat das Kosovo ein wichtiges Beispiel für die Mitglieder der globalen Anti-IS-Koalition und für die internationale Gemeinschaft gesetzt», hieß es in der Erklärung, die die diplomatische Vertretung am Samstag veröffentlichte.

Wie Justizminister Tahiri weiter ausführte, erfolgte die Rückführung mit Unterstützung der USA. Auf weitere Einzelheiten ging er nicht ein. Spezialeinheiten des US-Militärs unterstützen derzeit jene syrischen Kurden-Milizen, die die IS-Kämpfer und deren Frauen und Kinder in ihren Lagern im Osten Syriens festhalten. Den Polizeiangaben zufolge befinden sich noch 30 Kämpfer, 49 Frauen und 8 Kinder in Syrien, die aus dem Kosovo stammen.

Von 2014 bis zu seiner weitgehenden Zurückdrängung Ende 2017 hatte der IS großräumige Gebiete in Syrien und im Irak kontrolliert. Mit der Zerschlagung der letzten IS-Bastion im ostsyrischen Baghus gerieten Tausende Kämpfer, Frauen und Kinder in die Gefangenschaft jener Kurden-Milizen, die die letzten Kampfhandlungen gegen die Terrororganisation ausgeführt hatten.

Dem IS hatten sich über die Jahre Tausende Anhänger aus anderen Ländern angeschlossen. Aus Balkanländern mit einer muslimischen Bevölkerung - darunter das Kosovo - kamen mehrere hundert Kämpfer und Sympathisanten. Die meisten von denen, die das Ende des IS überlebten, warten in Lagern der syrischen Kurden-Milizen auf eine Rückkehr in ihre Heimatländer.

Auch Deutschland ringt mit dem Problem der potenziellen IS-Rückkehrer. Die Sicherheitsbehörden gingen Anfang April nach Angaben des Bundesinnenministeriums von 66 mutmaßlichen IS-Angehörigen aus Deutschland aus, die sich in Gefangenschaft im syrischen Kurdengebiet befinden. Gegen 21 von ihnen liegen demnach Haftbefehle vor. Hinzu kämen noch Dutzende Frauen und Kinder, heißt es aus Sicherheitskreisen.

Experten gehen davon aus, dass ein Großteil der potenziellen Rückkehrer durch den Krieg und die Erlebnisse im IS traumatisiert sind. Einige könnten jedoch ihre fanatische Einstellung bewahrt haben und zu einer terroristischen Bedrohung für ihre Herkunftsländer werden.

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