STRAßBURG (dpa) - Die Schweiz würde einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zufolge mit der Abschiebung eines zum Christentum konvertierten Afghanen in dessen Heimatland gegen die Menschenrechte verstoßen.
Afghanen, die zum Christentum konvertiert seien, drohe im mehrheitlich muslimischen Afghanistan Verfolgung durch verschiedene Gruppen und auch durch den Staat, begründete der EGMR am Dienstag in Straßburg sein Urteil. Dies könnte in einer Todesstrafe für den Mann resultieren, so das Menschenrechtsgericht. Die Schweiz würde mit der Abschiebung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.
Der Afghane stammt Gerichtsunterlagen zufolge aus einer schiitischen Familie aus der Ghazni-Provinz im Osten Afghanistans. 2012 kam er in die Schweiz. Gegenüber den Schweizer Einwanderungsbehörden erklärte er demnach, dass er sein Heimatland verlassen musste, weil vermutet wurde, dass er zum Christentum konvertiert sei. Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht stimmte den Behörden zu, die seine Angaben als nicht glaubwürdig einstuften. Dass er aber nach seiner Ankunft in der Schweiz Christ wurde, sah das Gericht als belegt an.
Das Schweizer Gericht entschied, der Mann solle nicht in seine Heimat-Provinz, sondern in die Hauptstadt Kabul gebracht werden. Dort lebten Verwandte, die nichts von dem Glaubenswechsel wüssten, so das Schweizer Bundesverwaltungsgericht den EGMR-Unterlagen zufolge. Der Mann wäre so gezwungen, mit einer Lüge zu leben und müsste womöglich den Kontakt zu anderen Personen seiner Religion aufgeben, um nicht entdeckt zu werden, erklärte das Menschenrechtsgericht nun.
Der EGMR in Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam schützen sie die Menschenrechte in 47 Mitgliedsstaaten der Organisation. Der EGMR ist kein Gericht der Europäischen Union.