Siebentägige Deeskalationsphase hat begonnen

Foto: epa/Ghulamullah Habibi
Foto: epa/Ghulamullah Habibi

KABUL/WASHINGTON (dpa) - Es ist keine Waffenruhe, aber zumindest ein Schritt in diese Richtung. Eine befristete Verringerung der Gewalt in Afghanistan soll zu einem umfassenderen Abkommen führen. Nun warten die Menschen dort gespannt: Wird es wirklich weniger Blutvergießen geben?

Es ist ein Hoffnungsschimmer für Afghanistan: In dem Krisenland hat offiziell eine siebentägige Phase reduzierter Gewalt zwischen den militant-islamistischen Taliban und den US-Streitkräften begonnen. Die Vereinbarung soll «nach Jahrzehnten des Konflikts» zu einer signifikanten Verringerung des Blutvergießens führen, wie US-Außenminister Mike Pompeo erklärte. Laut Afghanistans Präsident Aschraf Ghani begann die eingeschränkte Waffenruhe am Samstag um Mitternacht Ortszeit (20.30 Uhr MEZ Freitag).

Sollte eine Woche lang wirklich weniger Gewalt herrschen, dann wollen die USA und die Taliban ein weitergehendes Abkommen unterzeichnen - so kündigte es Pompeo an. Allerdings ließ Verteidigungsminister Mark Esper vorsorglich wissen: «Wenn die Taliban den Friedenspfad ablehnen, bleiben wir darauf vorbereitet, uns und unsere afghanischen Partner zu verteidigen.»

Wie die Gewaltverringerung aussehen soll, dazu machten weder die USA noch die Taliban konkrete Angaben. Die Taliban forderten ihre Kämpfer in einer am Freitagabend veröffentlichten Erklärung auf, sich in den nächsten sieben Tagen strikt an ein ihnen auferlegtes «Programm» zu halten. Zudem sollten sie sich nur auf «Selbstverteidigung bei Verstößen» der anderen Seite vorbereiten. Es sei auch strengstens verboten, in die von der Regierung kontrollierten Gebiete zu gehen.

Im Gegenzug dürften die USA ihre Einsätze und Luftangriffe gegen die Taliban reduzieren oder gar stoppen. Ghani erklärte, die afghanische Polizei und Armee würden in der Woche nur die Terrormiliz Islamischer Staat, Al-Kaida-Extremisten und andere Terrorgruppen angreifen, aber nicht die Taliban. Die «Reduzierung der Gewalt» wird von den USA als Test angesehen, der zeigen soll, ob die Taliban ihre Kämpfer tatsächlich kontrollieren können.

Das mögliche Abkommen, das der Gewaltreduzierung folgen könnte, soll dann einen Zeitplan für den Abzug von US-Truppen sowie Garantien der Taliban beinhalten, dass Afghanistan kein Rückzugsort für Terroristen wird. Washington bereitet für den 29. Februar eine Unterzeichnung vor. Das Abkommen soll auch den Anstoß geben für innerafghanische Verhandlungen - die eigentlichen Friedensgespräche. Dabei geht es dann um eine Neuverteilung der Macht in dem Krisenland.

Die USA und die Taliban verhandeln seit Juli 2018 über eine politische Lösung des Afghanistan-Konflikts. Ursprünglich waren die USA mit der Forderung eines umfassenden Waffenstillstands in die Verhandlungen gegangen. Den konnten sie den Taliban, die Gewalt als ihren wichtigsten Hebel sehen und militärisch immer aggressiver auftraten, allerdings nicht abringen.

Unklar ist bislang noch, was nach den sieben Tagen passieren soll. Im vierten Quartal 2019 gingen Nato-Angaben zufolge im Schnitt 90 Angriffe am Tag auf das Konto der Taliban und anderer bewaffneter Gruppen - bei mehr als einem Drittel davon gab es Verletzte oder Tote. Manche hoffen, dass die Gewalt nach diesen sieben Tagen nicht mehr das vorherige Niveau erreicht. Einer der ersten Punkte bei den innerafghanischen Verhandlungen dürfte wahrscheinlich ein umfassender Waffenstillstand sein.

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