Kommunalwahlenbeginnen

Stimmungstest für Präsidentin

Foto: epa/David Chang
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PEKING (dpa) - Vielen Taiwanesen missfällt, dass China den Druck auf die Inselrepublik immer weiter erhöht. Tsai Ing-wen geht auf Distanz zu Peking. Eine formelle Unabhängigkeitserklärung lehnt sie jedoch ab.

In Taiwan haben am Samstag die Kommunalwahlen begonnen. Sie gelten als wichtiger Stimmungstest für Präsidentin Tsai Ing-wen. Zusätzlich zu den Lokalwahlen werden auch mehrere Referenden abgehalten, darunter über das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe.

Die Präsidentin befindet sich wegen der zunehmenden Spannungen mit China in einer schwierigen Position. Seit ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren ist sie mit ihrer Fortschrittspartei DPP - anders als die Vorgänger-Regierung - zu Peking immer mehr auf Distanz gegangen, weshalb der große Nachbar den Druck auf Taiwan erhöht hat.

Peking versuchte zuletzt verstärkt, Taiwan international weiter zu isolieren. Von den bisher nur zwei Dutzend meist kleineren Staaten, die Taiwan diplomatisch anerkannt hatten, konnte Peking fünf auf seine Seite ziehen.

Pekings härteres Vorgehen hatte im Oktober große Proteste in der Inselrepublik ausgelöst, bei denen Zehntausende Taiwanesen für eine formelle Unabhängigkeitserklärung demonstrierten. Ein solcher Schritt, der den Status Quo verändern würde, könnte China auch veranlassen, die Insel gewaltsam zu erobern. Tsai Ing-wen will eine solch offene Konfrontation jedoch vermeiden.

Neben den Kommunalwahlen hält Taiwan am Samstag mehrere Volksabstimmungen ab, darunter über das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe und andere Rechte für Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender. Auch entscheidet die Inselrepublik darüber, ob die Athleten des Landes bei Olympischen Spielen weiter unter der Bezeichnung Chinese Taipeh oder künftig unter dem Namen Taiwan antreten sollen, was Peking kaum hinnehmen dürfte.

Das Tauziehen um den Status Taiwans geht auf den Bürgerkrieg in China zurück, als die Truppen der nationalchinesischen Kuomintang nach ihrer Niederlage gegen die Kommunisten nach Taiwan geflüchtet waren. Seit ihrer Machtübernahme und Gründung der Volksrepublik 1949 in Peking betrachtet die kommunistische Führung die Insel daher nur als Bestandteil Chinas und droht mit einer Rückeroberung.

Mehr als zwei Jahrzehnte hielt die «Republik China» in Taiwan sogar noch den ständigen Sitz Chinas im Weltsicherheitsrat. Taipeh musste ihn 1971 an Peking abgeben und verlor auch seine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Die Regierung in Taipeh ist seither selbst von ihren Anspruch abgerückt, ganz China zu repräsentieren.

Für Aussöhnung sorgte zunächst ein vager Konsens in den 90er Jahren, wonach beide Seiten zu «einem China» gehören, auch wenn sie unterschiedliche Interpretationen akzeptierten, was darunter zu verstehen ist. Die Annäherung stieß aber auf wachsenden Widerstand unter den 23 Millionen Taiwanesen, was auch zur Wahl von Tsai vor zwei Jahren beigetragen hat. Die Präsidentin vermeidet es, den Konsens zu bestätigen, was die Spannungen mit China verschärft.

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