Wahl zwischen Ex-Guerillero und Immobilien-Tycoon

Kolumbianischer Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro in Bogota. Foto: epa/Carlos Ortega
Kolumbianischer Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro in Bogota. Foto: epa/Carlos Ortega

BOGOTÁ: In den Umfragen für die Präsidentenwahl in Kolumbien lag der ehemalige Guerillakämpfer Gustavo Petro lange weit vorn. Vor der Entscheidung am Sonntag hat er nun überraschend starke Konkurrenz: den Immobilien-Tycoon Rodolfo Hernández.

Ein ehemaliger Guerillakämpfer? Oder doch noch ein millionenschwerer Bauunternehmer? In Kolumbien fällt an diesem Sonntag die Entscheidung, wer das 51-Millionen-Einwohner-Land an der Nordspitze Südamerikas künftig als Präsident regieren wird. In den Umfragen lag der Ex-Guerillero Gustavo Petro über Monate hinweg vorn. Der 62-Jährige konnte auch den ersten Durchgang Ende Mai gewinnen. Doch in der Stichwahl hat er nun überraschend starke Konkurrenz: den millionenschweren Immobilien-Tycoon Rodolfo Hernández (77).

In der ersten Runde kam der Linke Petro - ehemaliger Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá - auf 40,3 Prozent. Hernández, seinerseits früher einmal Bürgermeister der Großstadt Bucaramanga, landete mit 28,1 Prozent auf Platz zwei. Damit hatten die wenigsten gerechnet. Im eher konservativ geprägten Kolumbien hat der parteilose Populist nun auch noch die Unterstützung des ausgeschiedenen rechten Kandidaten Federico Gutiérrez. Die Sache könnte spannend werden.

Manche erinnert Hernández an den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Andere vergleichen ihn mit dem früheren italienischen Mehrfach-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Die «New York Times» schrieb zu dem ungewöhnlichen Duell zwischen Ex-Kämpfer und Immobilien-Tycoon: «Nun sieht es fast so aus, als ob Petro den sicheren Wandel darstellt - und Hernández den Sprung ins Leere.»

Die Herausforderungen für den künftigen Präsidenten sind groß. Das nach Brasilien bevölkerungsreichste Land des Kontinents - zudem wichtigster Verbündete der Vereinigten Staaten in Südamerika - leidet unter den Folgen von Corona-Pandemie und Inflation sowie sozialer Ungerechtigkeit und Gewalt.

52 Jahre lang - von 1964 bis 2016 - herrschte Bürgerkrieg zwischen der Regierung und linken paramilitärischen Gruppen. 220.000 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden vertrieben. Durch die Gewalt der Guerillagruppen hat linke Politik trotz der großen sozialen Kluft einen schlechten Ruf. 2016 schloss die Regierung einen Friedensvertrag mit der Farc-Guerilla. Die Hoffnung auf einen Aufschwung war groß.

Doch heute ist die Gewalt zurück, vor allem in ländlichen Gebieten. Tausende Abtrünnige der Farc kämpfen mit Verbrechersyndikaten, die ebenfalls ins Drogengeschäft verwickelt sind, um Einfluss. Der sogenannte Golf-Clan zeigte kürzlich nach der Auslieferung eines Drogenbosses an die USA, dass er ganze Landstriche unter Kontrolle hat. Kritiker werfen dem scheidenden Präsidenten Iván Duque vor, den Friedensvertrag bestenfalls halbherzig umzusetzen.

Petros Ziel ist es, sowohl die Farc-Dissidenten als auch die kleinere ELN-Guerilla zu entwaffnen. Mitglieder krimineller Banden sollen vor ein Sondergericht kommen, um echten Frieden zu erreichen. Auch möchte er die Ölförderung bremsen. Das Geld soll stattdessen aus dem Tourismus und höhere Unternehmenssteuern kommen. Manche glauben, dass Petro mit den rund 8,5 Millionen Stimmen in der ersten Runde sein Potenzial an Wählern ausgeschöpft hat. Er selbst gibt sich zuversichtlich.

Sein Gegner Hernández hofft ebenfalls auf die Mehrheit. «Jetzt, da ich die Chance habe, zu gewinnen, werde ich mich dem Frieden widmen», sagt er. Zudem verspricht der Unternehmer, gegen den selbst wegen Korruption ermittelt werden soll, im Falle des Erfolgs eine schlanke Regierung und einen entschlossenen Kampf gegen die Korruption. Sonst ist über seine Pläne wenig bekannt. An Diskussionsrunden zur Wahl hatte er grundsätzlich nicht teilgenommen. Zuletzt wurden Petro und Hernández sogar gerichtlich dazu aufgefordert, vor der Stichwahl am Sonntag an einer Wahlkampfdebatte teilzunehmen - und stimmten zu, wie die kolumbianische Zeitung «El Tiempo» am Donnerstag berichtete.

Dafür weiß man, dass sich Hernández manchmal nur schwer unter Kontrolle hat. Als Bürgermeister ohrfeigte er einst einen Stadtrat, von seinen Ausrutschern gibt es eine ganze Sammlung. Im sozialen Netzwerk TikTok vertritt er progressive Positionen - etwa, dass Drogen kostenlos vergeben werden, damit die Gewalt aufhöre. Zuletzt löste ein Video eine Polemik aus, in dem der 77-Jährige nur mit Shorts und Goldkette in Begleitung von zwei Frauen zu sehen war - eher der Stil eines Drogenbosses als der eines Präsidentschaftskandidaten.

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