Koh Tao: Und plötzlich eine dritte Tatwaffe

Diese blutige Gartenhacke des Hotels „In Touch“ soll die Tatwaffe sein, mit der am 15. September 2014 Opfer Hannah Witheridge am Sairee Strand erschlagen worden ist. Sie war kurzzeitig verschwunden gewesen.
Diese blutige Gartenhacke des Hotels „In Touch“ soll die Tatwaffe sein, mit der am 15. September 2014 Opfer Hannah Witheridge am Sairee Strand erschlagen worden ist. Sie war kurzzeitig verschwunden gewesen.

KOH SAMUI: Bis kurz vor Mitternacht tagte gestern die Strafkammer des Provinzgerichtes Koh Samui im Doppelmordprozess von Koh Tao. Koh Phangans Polizeichef Somsak Nurod – zuständiger Leiter auch für die Nachbarinsel Koh Tao – überraschte in seiner verspäteten Zeugenaussage mit neuen angeblichen Morddetails – unter anderem einem Hammer als Mörderwaffe.

Die Überraschung im Gerichtssaal war groß, denn bisher hatten die Ermittler nur eine Gartenhacke als Tatwaffe präsentiert, an deren Metallspitze laut Akten Blut und DNA des Opfers Hannah Witheridge (23) sichergestellt werden konnte. Womit das zweite Opfer David Miller (24) erschlagen worden ist, der schwere Wunden und Frakturen am Hinterkopf erlitt, ist bis heute ungeklärt. Insofern kam der Aussage des Polizeioffiziers Somsak Bedeutung bei, denn der plötzlich und nebenbei erwähnte Mordhammer ist niemals gefunden worden.

Die ominöse Gartenhacke, mit der die beiden Beschuldigten Burmesen Zaw Lin und Wai Phyo am 15. September 2014 die Urlauberin Hannah Witheridge böse zugerichtet haben sollen, ist laut Zeugenaussage von Somsak Nurod unmittelbar nach dem Auffinden an den Gärtner der Hotelanlage „In Touch Resort“ zurückgegeben und gesäubert worden, möglicherweise sogar kurzfristig für Gartenarbeiten benutzt. Erst nach Eintreffen der Chefermittler der Polizeidirektion Region 8 sei die Hacke wieder als mutmaßliches Tatwerkzeug sichergestellt und examiniert worden.

Nicht forensisch untersucht worden sind laut Aussage des Koh Phangan Polizeichefs die Kleider der Ermordeten, die am Strand aufgefunden worden sind. Nicht untersucht worden seien auch Glassplitter, die am Tatort herumgelegen seien. Stammten diese von einer Weinflasche? – Ein burmesischer Hilfsübersetzer hatte erklärt, Opfer David Miller sei mit einer Weinflasche niedergeschlagen worden. Dies habe er bei den Verhören des Angeklagten Wai Phyo in Surat Thani so verstanden, sagte der Burmese bereits zuvor gegenüber burmesischen Medien.

Damit stehen seit dem gestrigen Verhandlungstag drei mögliche Tatwaffen in den Gerichtsakten: Eine Gartenhacke, die gleich nach dem Auffinden gesäubert worden war, ein nicht gefundener Hammer sowie nicht forensisch untersuchte Glassplitter einer eventuellen Weinflasche. Die Verteidigung nahm die Aussage des Koh Phangan-Polizeikommandanten mit sichtlicher Genugtuung auf. Sie passte in ihre seit Wochen offen verbreitete Kritik von „schlampigen und fahrlässigen Untersuchungen am Tatort“.

Raunen im Gerichtssaal gab es zudem zum Ablauf der gerichtsmedizinischen Untersuchungen der gesammelten DNA-Spuren im Körper des geschändeten Mordopfers Hannah Witheridge. Im Bericht des Polizeilich Forensischen Institutes der Polizei Bangkok waren wechselweise Spermafunde vaginal oder anal dokumentiert worden und dann handschriftlich ausgebessert vaginal und anal. Diese DNA der mutmaßlichen Mörder war unmittelbar nach der Untersuchung auch an ein anderes Speziallabor geschickt worden, das erst nach zweieinhalb Wochen herausfand, dass die Täter asiatischer Herkunft seien und keine Europäer.

Weshalb die am 2. Oktober entnommene DNA der verhafteten Tatverdächtigen Zaw Lin und Wai Phyo bereits am gleichen Abend als positiv getestet zurückkam, sorgte für Verwirrung. Im Posteingangsstempel des Polizeilich Forensischen Institutes stand „angenommen am 3. Oktober 2014“. Wie konnte das Resultat bereits in der späten Nacht des 2. Oktober vorliegen? Die Polizeiermittler klärten dieses „Missverständnis“ auf. Die Eilpost mit der DNA der Beschuldigten sei nach den offiziellen Laborstunden des Institutes eingegangen und daher mit dem Poststempel des nächsten Tages versehen worden.

Nachdem die beiden durch DNA-Abgleiche „überführten Verdächtigen“ (so die Polizei) festgestanden hätten, wurde in Windeseile für den 3. Oktober die bis heute kontrovers diskutierte Nachstellung des Mordes am Sairee Beach mit den Beschuldigten inszeniert. Etwa 100 Polizeibeamte und mindestens ebenso viele Schaulustige wohnten dem Spektakel bei. Zaw Lin und Wai Phyo demonstrierten, wie sie David Miller niedergeschlagen und Hannah Witheridge vergewaltigt und getötet haben sollen. Sie trugen Sturzhelme und wirkten bei der Zuordnung des Tatortes und Ablaufs orientierungslos.

Was damals allerdings fehlte, könnte entscheidend für das gesamte Verfahren werden. Zaw Lin und Wai Phyo mussten die in Thailand übliche Nachstellung ihrer Tat alleine bestreiten. Sie hatten keinen Rechtsbeistand und wurden auch nicht über ihre Rechte aufgeklärt. Polizeizeuge Somsak Nurod entschuldigte dies gestern damit, dass sie damals noch nicht offiziell als Beschuldigte geführt worden seien. Wenn Zaw Lin und Wai Phyo am 3. Oktober einen Doppelmord nachstellen sollten, obwohl sie nur wegen angeblicher Immigrationsvergehen verhaftet worden waren, dann könnte das für die Urteilsfindung entscheidend werden. Noch vor der Einvernahme der Zeugen der Verteidigung und der lange erwarteten gerichtlichen Aussage der Beschuldigten hat dieses Verfahren einen weiteren Donnerschlag erlebt.

Quelle: Fotos: Archiv

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